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Audio: rbb24 Inforadio | 27.07.2022 | Franziska Hoppen | Quelle: dpa/Carsten Koall

Arbeitsgruppe des Bezirks

Friedrichshain-Kreuzberg will A100-Ausbau hinauszögern

Während der Bund den Ausbau der A100 plant, sucht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nach Möglichkeiten, den 17. Bauabschnitt der Stadtautobahn zu verzögern. Die Rechtsabteilung hat bereits Ideen, wie das gehen soll.

Dass die Stadtautobahn A100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße weitergebaut wird, steht aus Sicht des Bundes fest. Die bundeseigene Autobahngesellschaft hatte im März die Planung für den 17. Abschnitt ausgeschrieben – zur Überraschung des rot-grün-roten Senats.

Grüne und Linke sind strikt gegen einen Weiterbau. Nun bereitet sich die Verwaltung in Friedrichshain-Kreuzberg darauf vor, den Ausbau mitten durch ihren Bezirk hinauszuzögern.

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Stand jetzt ist noch unklar, wann, wie und wo entlang genau der 17. Abschnitt der A100 kommen soll. Genau diesen Spielraum will der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg nutzen, sagte Rolfdieter Bohm, Leiter des Rechtsamtes des Bezirks bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Zwar sei es schwierig, rechtlich gegen den Ausbau vorzugehen. Weil aber ein Großteil der Autobahn-Verlängerung auf bezirkseigenen Flächen stattfinden würde, könne der Bezirk auch seine Bedürfnisse mit in die Planung einbringen – also die eigene Stadtentwicklungsplanung, Hinweise zu Biotopen oder der Verkehrsplanung. Diese müsste das Bundesfernstraßenamt bei seiner Planungsentscheidung ordnungsgemäß berücksichtigen.

"Diese Gesichtspunkte können überwunden werden", so Bohm. "Aber sie sind zu berücksichtigen. Und je besser vorbereitet und gründlicher ausgearbeitet unsere Argumente sind, umso schwieriger wird das Überwinden. Die Ultima Ratio wäre, dass das Bundesfernstraßenamt die Autobahn nicht genehmigt." Das sei zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber immerhin denkbar.

Auch wäre denkbar, dass Berlin gegen den Bund als Träger des Bundesfernstraßenamtes klagt. "Wir hätten eine gewisse Chance, dass das Gericht eine inhaltliche Prüfung der Klage vornimmt", so Bohm. Allerdings hätten die Anwohner und Gewerbe-Treibende weitgehendere rechtliche Möglichkeiten, insbesondere wenn sie im Rahmen des Ausbaus enteignet werden müssten.

Arbeitsgruppe sucht nach weiteren Möglichkeiten

Um die Beteiligung des Bezirks vorzubereiten, soll demnächst eine neue Arbeitsgruppe tagen, bei der sich die Fachämter austauschen. Dabei könne etwa auch die Kartierung des Bezirks noch einmal genau unter die Lupe genommen werden, so Bohm: "Wenn sich zum Beispiel ein Fauna-Flora-Habitat entdecken ließe, wäre das ein sehr wichtiger Gesichtspunkt."

So musste zum Beispiel der Ausbau der A143, die Westumfahrung der Stadt Halle, nach Entdeckung eines solches Habitats wegen europäischer Schutz-Richtlinien noch einmal neu geplant werden. Ziel der Arbeitsgruppe sei es, so Bohm, möglichst überzeugende Einwendungen für das Verfahren formulieren zu können.

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Noch viel Zeit bis zum Bau

Der Spielraum dafür sei großzügig, sagte Bohm. Erst 2025 soll die genaue Streckenführung des 17. Abschnitts feststehen. Darauf folgt eine Umweltverträglichkeitsprüfung, bei der sich die Anwohner und der Bezirk mit ihren Einwendungen zu Wort melden können, die wiederum geprüft werden müssen. Das Planfeststellungsverfahren soll 2027 beginnen.

"So komplexe Verfahren in einer so dicht besiedelten Stadt dürften zwei bis fünf Jahre dauern. Dazu dann noch ein gerichtliches Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht, die dauern zwischen ein bis drei Jahren." Der Bau könnte damit aus Bohms Sicht erst Mitte der 2030er beginnen.

Bezirksbürgermeisterin gegen, Mehrheit der Berliner für den Bau

Clara Herrmann, die grüne Bezirksbürgermeisterin, hatte sich bereits mehrfach klar gegen den A100-Ausbau ausgesprochen. Am Mittwoch unterstrich sie diese Haltung: "Der Weiterbau der Autobahn ist aus mehrerer Hinsicht für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein absoluter Wahnsinn", sagte Herrmann. Es sei absurd, eine Autobahn, eine Schneise durch eine der dicht besiedeltsten Regionen Deutschlands zu schlagen und ganze Kieze kaputt zu machen. Man brauche den Platz für die Clubkultur und Gewerbetreibende.

Auch aus klimapolitischer Sicht sei der geplante Bauabschnitt verkehrspolitischer Unsinn, sagte sie. "Wenn wir die Pariser Klimaschutzziele einhalten wollen, ist der Verkehrssektor eine entscheidende Frage, um CO2 einzusparen, und da gehören Autobahnen nicht dazu."

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des "Tagesspiegel" hatte zuletzt ergeben, dass mehr als die Hälfte der Berliner einen Weiterbau der A100 positiv sieht.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.07.2022, 18:25 Uhr

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