Gespräche mit Brandenburg - Berliner Senat will zügige Nachfolge für Neun-Euro-Ticket

Mi 31.08.22 | 15:52 Uhr
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Menschen gehen am Berliner Hauptbahnhof auf einem S-Bahnsteig.(Quelle:dpa/C.Soeder)
Audio: rbb24 Inforadio | 30.08.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/C.Soeder

Das bundesweite Neun-Euro-Ticket wird es im September nicht mehr geben. Der Berliner Senat versucht eine Nachfolgelösung gemeinsam mit Brandenburg auszuhandeln. Doch die könnte es frühestens ab Oktober geben.

Der Berliner Senat treibt seine Pläne für eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket voran. Es werde am Donnerstag ein Fachgespräch mit Vertretern des Landes Brandenburg, der S-Bahn, der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) geben, kündigte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) an. "Klar ist, dass wir selber sehr zügig agieren müssen", sagte Giffey. Nach den Vorstellungen der rot-grün-roten Koalition soll es von Oktober bis Ende Dezember gelten. An dem Vorhaben hatte es insbesondere Kritik aus Brandenburg gegeben.

Der Senat hatte am Dienstag erstmals über eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket gesprochen, nachdem sich Giffey am Freitag für eine mögliche Nachfolgeregelung ausgesprochen hatte. Noch gibt es allerdings einige offene Fragen und Kritik.

Die Bundesregierung reagierte am Mittwoch auf die Forderungen nach einer Anschlusslösung. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte, er sei nun offen für eine Unterstützung des Bundes bei einer Nachfolgeregelung.

Zuschuss könnte Hunderte Millionen Euro kosten

Die Regierende Bürgermeisterin erklärte nun, dass sie in der Sache mit dem Brandenburger Regierungschef Dietmar Woidke (ebenfalls SPD) telefoniert habe. Ein vergünstigtes Ticket habe Vorteile über die Berliner Landesgrenze hinweg, betonte sie. Aus Brandenburg gebe es zumindest "keine kategorische Ablehnung".

Die grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch äußerte am Dienstag Verständnis für Zurückhaltung und Kritik aus Brandenburg. Für das Nachbarland sei die Ticketverlängerung "nicht einfach", sagte sie. Die Kosten für das günstige Angebot müssen die Länder den Verkehrsunternehmen erstatten. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass ein Neun-Euro-Ticket für den Tarifbereich AB (also nur Berlin) in drei Monaten mit rund 300 Millionen Euro bezuschusst werden müsste.

Berlin könne notfalls allein handeln

Für den Senat stellten Giffey und Jarasch klar, dass man sich eine gemeiname Lösung mit Brandenburg wünsche. Die Absicht des Senats sei es sicherlich nicht, "den Verkehrsverbund VBB zu sprengen", betonte Jarasch. Die Verkehrssenatorin sagte gleichzeitig, dass Berlin notfalls alleine eine Regelung finden werde. "Dies ist aber nicht unser Wunsch", so die Grünen-Politikerin.

Giffey hatte darauf verwiesen, dass es "Insellösungen" nur für Berlin auch beim Schülerticket gebe. Zu welchem Preis das Nachfolgeticket angeboten werden könne, ließ Giffey offen. Ein Preis von neun Euro sei die teuerste Lösung für das Land, räumte sie ein. "Ob ein anderer Weg gegangen werden kann – 19 oder 29 Euro - das muss man besprechen." Wenn das eine Möglichkeit sei, sich im Verkehrsverbund zu einigen, sei das "bedenkenswert".

Petition an Jarasch

Im Abgeordnetenhaus soll am Dienstagnachmittag zudem eine Petition zur Fortführung des Neun-Euro-Tickets übergeben werden. Sie richtet sich an die Umweltsenatorin Jarasch und wurde unter anderem von der Initiative "Volksentscheid Berlin autofrei", sowie den Jusos und der Grünen Jugend - den Jugendverbänden von SPD und Grünen - initiiert. Gefordert wird unter anderem, dass die Berliner Landesregierung eine langfristige Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket findet und sich dafür auch auf Bundesebene einsetzen soll. Mehr als 10.500 Unterschriften wurden gesammelt.

Das für drei Monate als Projekt vom Bund finanzierte und länderübergreifend gültige Neun-Euro-Ticket läuft zum Donnerstag, den 1. September, vorerst aus. Ob und wann es bundesweit zu einer Nachfolgeregelung kommt, ist völlig offen. Das Neun-Euro-Ticket wurde in Berlin insgesamt 5,5 Millionen Mal in den drei Monaten gekauft.

Viele offene Fragen bei Übergangs- und Dauerlösung

Ungeklärt ist bei einem Berliner Alleingang unter anderem, für welche Tarifbereiche das Ticket gelten würde. Der Tarifbereich C liegt zum Teil in Berlin und zum Teil in Brandenburg, die Brandenburger Landesregierung hatte sich am Wochenende auch deshalb irritiert gezeigt, nach dem - offenbar unabgesprochenen - Vorstoß aus Berlin.

Suche nach einem flächendeckenden ÖPNV-Angebot und neue Signale vom Bund

Wie lange eine solche regionale Übergangslösung notwendig wäre, hängt auch davon ab, ob und wann der Bund ein langfristiges Modell für ein günstigeres und flächendeckend gültiges ÖPNV-Angebot schafft. Mehrere Bundesländer haben bereits an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) appelliert, einen Vorschlag zu präsentieren, zum Beispiel die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz Maike Schaefer (Grüne, Verkehrssenatorin von Bremen). Sie sagte der Deutschen Presse-Agentur (DPA), der Bund sei jetzt am Zug und die Länder für einfache Lösungen bereit. Die bisher diskutierten Modelle unterscheiden sich vor allem in der Höhe des Preises. Von neun bis 69 Euro wurden mehrere Vorschläge gemacht.

Nach den Forderungen aus den Ländern erklärte Finanzminister Lindner am Mittwoch, dass nun auch der Bund eine Nachfolgelösung für das Neun-Euro-Ticket unterstütze. In Absprache mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) plädiere er dafür, dass mit einem Bruchteil der Finanzmittel des Neun-Euro-Tickets ein bundesweit nutzbares, digital buchbares Ticket realisiert werden könne, erklärte Lindner via Twitter. Die Länder müssten sich nun auf eine Finanzierung einigen und wenn das klar sei, könne der Preis festgelegt werden.

Branchenverbände äußern Bedenken

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geht davon aus, dass eine dauerhafte Lösung des Bundes langfristiger vorbereitet werden müsste. Ein Sprecher sagte der DPA, dass die technische Umsetzung etwa drei Monate Vorlaufzeit bräuchte. Vorher müssten Bund und Länder allerdings erst einmal überhaupt eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

Offen ist zum Beispiel der Preis eines solchen langfristigen Tickets und die daraus folgende Finanzierung. Bisher hat der Bund das vergünstigte Regionalticket finanziert. Mit rund 2,5 Milliarden Euro wurden die Einnahmeausfälle der regionalen Verkehrsunternehmen ausgeglichen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.08.2022, 9:40 Uhr

116 Kommentare

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  1. 116.

    Hallo, die Humboldt-Universität (HU) Berlin, Technische Universität (TU) Berlin, die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und die Fachhochschule (FH) Potsdam verweisen darauf, dass die Abrechnung der Semesterticketbeiträge mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) erst im September oder Oktober erfolge. Erst dann könne deshalb auch das Geld an die Studierenden rückerstattet werden. Mehr hier: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/08/neun-euro-ticket-studierende-semesterticket-erstattung.html

  2. 115.

    "Was würden Sie sagen, wenn Sie Kfz-Steuer abgezogen bekamen, obwohl Sie kein Auto haben? Nein, für seine Fahrtkosten kann gerne jede:r selbst sorgen."

    Das passiert doch, ich finanziere ihre Autobahn und Parkplätze mit obwohl ich kein Auto besitze. Wenn sie für ihre Fahrtkosten aufkommen würden müßte sich die KfZ-Steuer mindestens vertehnfachen.

  3. 114.

    Warum aber spricht niemand in den Medien mal davon, dass noch kein einziger Student in Berlin auch nur einen einzigen Monat das 9-€-Ticket hatte. Es ist für das vergangene Semester der volle Preis an der Humboldt-Uni kassiert worden und auch wieder für das kommende Wintersemester. Es erfolgte bis heute keine Erstattung oder Verrechnung des für die 3 Monate zuviel bezahlten Betrages durch die BVG. Gerade Studenten haben wenig Geld und davon kommt bei Ihnen im RBB nichts … tolle neutrale Berichterstattung …. Ich bin erschüttert!

  4. 113.

    FÜR das 9€ Ticket sprach, dass Menschen mit (egal warum auch immer) kleinsten Einnahmen auch mal raus ins Land konnten. DAGEGEN spricht das asoziale Verhalten der rücksichtslos-nur-ich-Masse, die Rollstuhlfahrer/innen nicht in die Züge rein- und rausließen und wenn Rollstuhlfahrer/innen es wider Erwarten doch geschafft hatten nichth zur Toliette konnten, weil Angehörige der "netten" Truppe egoistischerweise den Weg versperrten und mit dem Bahnpersonal so umgingen, dass dafür passende Worte fehlen. Es bleibt bei der Reihenfolge, erst denken, dann schreiben.

  5. 112.

    Guter Vorschlag, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich vermute, dass trotzdem dieses "deutschlandweite" Ticket kommen wird, vor allem, um noch höhere Preise (z. B. 69 €) zu rechtfertigen. Nur eine Minderheit nutzt jedoch das Ticket deutschlandweit.

  6. 111.

    Ich befürworte ein Länderticket (Berlin/Brandenburg) zum Preis von 30,00 Euro sehr. 9 oder 19 Euro sind einfach zu günstig. Das kommt m. E. allen entgegen, den Pendlern, den Städtern. Warum das Ticket bundesweit gelten sollte, ist mir unklar. Ich finde, wenn ich länderübergreifend auf Reisen gehe, darf das weiterhin etwas kosten. Die Frage ist, wie man mit Pendlern verfahren sollte, die Länderübergreifend pendeln. Das Thema ist nicht so leicht in allen Aspekten zu beleuchten.

  7. 110.

    "Drei Viertel aller Nutzer bleiben im Nahbereich ", hat die aktuelle Studie des DLR herausgefunden. (Quelle: DLR-Studie: "Wie hat das 9-Eu­ro-Ticket un­se­re Mo­bi­li­tät ver­än­dert?")

  8. 109.

    Die ÖPNV-Preise sind in den letzten -30 Jahren erheblich schneller gestiegen als die Inflationsrate, gleichzeitig ist die Qualität gesunken. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht mehr. Es ist an der Zeit, drastisch zu korrigieren. Die Qualität wird man so schnell nicht aufpeppen können, das ist ein Generationen-Projekt. Also bitte Preise runter...

  9. 108.

    Zwangsabo liefe auf eine Kopfsteuer hinaus. Der Zwang eine Leistung zu bezahlen, unabhängig davon ob man sie braucht, will, sich leisten kann, oder nicht, und unabhängig von der gebotenen Qualität ist ungerecht. Außerdem belastet sie Menschen mit geringem Einkommen überproportional, auch das ist ungerecht. In der Form wäre das eine Enteignung. Ihr Kohlendioxid-Scare rechtfertigt das auch nicht.

    Der ÖPNV muss von der Gesellschaft bezuschusst werden, das ist notwendig und richtig. Aber bitte aus dem normalen Steueraufkommen. Man könnte bei nutzlosen Projekten wie Rüstung und Energiewende sparen, falls es nicht reicht.

  10. 107.

    Interessant ist für den Arbeitsweg nur ein günstiges Regionalticket (bis max. 29 €). Bundesweite Tickets braucht keiner für die täglichen Weg. Das ist nur Augenwischerei, um das Ticket teurer zu machen, obwohl es auf die Dauer nur selten genutzt wird...

  11. 106.

    59 € wäre(zusätzlich zur täglichen Autofahrt zum nächsten Bahnhof) zu teuer! Doch genau um diese Zielgruppe im Umland muss es auch gehen!!

  12. 105.

    Als Pendler sind mir 49 € im Nahverkehr zu teuer, dafür lasse ich das Auto nicht stehen! Kein Pendler braucht ein bundesweites Ticket...

  13. 104.

    Schon interessant... ...in meinen Zeilen "eine typische Klassenkampfrede" erkennen zu wollen, da muss man schon ein harter Brocken in Sachen Ignoranz sein.

    Sie verwechseln da m.E. Pflichtschuldigkeit mit Solidarität. Was Sie da ins Feld führen, ist noch lange keine Solidarität, "ihre" "Lohnsteuer ... von Normal- und Spitzenverdienern" ist das, was man landläufig als "Starke Schultern müssen mehr tragen, als schmale." versteht, falls Sie diesen alten Leitsatz ebenfalls kennen. Das geht schon in Richtung libertäre Abgehobenheit, steuerliche Pflicht als Kür verkaufen zu wollen. Muss man denn immer erst damit nerven, daran zu erinnern, dass 50 € einen erheblich unterschiedlichen Stellenwert haben, je nach dem, was da monatlich auf dem Konto eingeht?!

    Im Übrigen... So weit ich weiß, sind Arbeitslose verpflichtet, "5 Tage die Woche" mit Arbeitssuche zu verbringen, gerne auch außerhäusig. Allein diese Einlassung Ihrerseits ist mehr Klassenkampf als Sie mir unterstellen wollen.

    D.M.

  14. 103.

    Ich kann nicht verstehen, warum das Ticket so billig werden soll. Das Ticket soll für Pendler sein. 39€ für Berlin und 59€ für Berlin und Brandenburg wäre immer noch billig, aber der Bedarf besser Planbar. Wer günstig wohnt, wird sich so oder so dafür entscheiden. Im Anbetracht der eventuellen Corona Maßnahmen ist eine rollende Käfighaltung irgendwie Schizophren.

  15. 102.

    Unfair!! Unfassbar!! Schon mal was von Klimawandel und CO2 Bilanz gehört?? Und seit wann ist Deutschland eigentlich keine Solidargemeinschaft mehr??
    Unfair finde ich, dass die ganze Stadt mit parkenden Autos zugestopft ist. Unfair finde ich, dass die Radwege nicht ausgebaut werden und unfair finde ich, dass Berlin immer noch nicht autofrei ist.

  16. 101.

    Was ist denn an 49 Euro im Monat zu teuer wenn man dafür die ganze Bundesrepublik bereisen kann.
    Warum wollen denn ALLE auf Kosten der Steuerzahler am liebsten umsonst fahren.
    UNMÖGLICH

  17. 100.

    Warum redet auch in Berlin niemand über die Rentner, die Ermäßigungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln auch brauchen. Hier wird nur über Sozialhilfeempfänger und Niedriglohnverdiener gesprochen. Unsere Renten sind sehr niedrig, aber wir sollen wohl nur zu Hause bleiben und zum Arzt und zum Friedhof hohes Fahrgeld bezahlen. Die Rentner haben Deutschland wieder aufgebaut. Von Herrn Lindner sind wir das ja gewöhnt, übergangen zu werden. Die Quittung gibts bei der nächsten Wahl. Da er sowieso weiß, daß die FDP keine Rentnerwahlpartei ist, geht ihm das am A.... vorbei. Aber hier in Berlin hätten wir das nicht gedacht daß hier genau so mit uns Rentnern umgegangen wird.

  18. 99.

    "Warum ziehen wir den Betrag nicht direkt vom Brutto ab..." Weil das ungerecht ggü denen ist, die keinen ÖPNV nutzen können, weil es z. B. zeitlich nicht passt, Materialien transportiert werden müssen u. ä.. Was würden Sie sagen, wenn Sie Kfz-Steuer abgezogen bekamen, obwohl Sie kein Auto haben? Nein, für seine Fahrtkosten kann gerne jede:r selbst sorgen.

  19. 98.

    Dann wirds wohl auf 19 € hinauslaufen, wenn ich mir diesen Satz: "Ob ein anderer Weg gegangen werden kann – 19 oder 29 Euro - das muss man besprechen" von Giffey näher ansehe.







  20. 97.

    Guter Vorschlag! 29 € pro Monat wäre ein vernünftiger Preis. Das mehrfach vorgeschlagene bundesweit gültige Ticket für 49 € im Monat wäre hingegen deutlich zu teuer.

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