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Audio: rbb 88.8 | 28.09.2023 | Annette Kufner | Quelle: dpa/C.Soeder

Rechtsextrem motivierte Anschläge

Berliner Polizist soll Dienstgeheimnisse verraten haben

Angezündete Autos, Hakenkreuze an Häuserwänden, Drohungen gegen linke Initiativen: Jahrelang gab es solche Vorfälle in Berlin-Neukölln. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Polizisten. Er soll Dienstgeheimnisse verraten haben.

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Polizeibeamten, der im Verdacht steht, Dienstgeheimnisse verraten zu haben.

Diese könnten womöglich ins rechtsextreme Milieu gelangt sein, teilten Generalstaatsanwaltschaft und Polizei gemeinsam am Mittwochabend mit. Ob das geschehen ist, werde gerade geprüft.

Nach neuesten rbb-Informationen wollte der Beschuldigte allerdings nicht Rechtsextremisten mit Interna versorgen, sondern im Gegenteil die Ermittlungen wegen der Neuköllner Anschlagsserie voranbringen. Dafür soll er eigenmächtig einen Informanten angeworben haben. Zuerst hatte die "Welt" [Bezahlinhalt] darüber berichtet.

Polizist war Mitglied der operativen Gruppe "Rex"

Bei den Ermittlungen gegen den Beamten wurden laut Behörden sieben Orte durchsucht, darunter die Wohnung des Beschuldigten sowie seine Dienststelle. Dort wurden Mobiltelefone und sonstige Datenträger beschlagnahmt.

Der Polizeibeamte war Mitglied der operativen Gruppe "Rex" (OG Rex) und soll Dienstgeheimnisse an eine Kontaktperson weitergegeben haben, hieß es am Mittwoch von der Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft. Dabei habe er nicht ausschließen können, dass die Informationen an weitere Personen gehen. Laut Behörden wurde neben der Wohnung des Beschuldigten und dessen Arbeitsplatz auch die Wohnung von zwei Zeugen durchsucht. Es seien Handy und sonstige Datenträger beschlagnahmt worden. Die müssten nun ausgewertet werden. Weitere Angaben zu dem beschuldigten Polizisten machten die Behörden zunächst nicht.

Die Ermittlergruppe befasste sich mit dem sogenannten "Neukölln-Komplex". Die Bezeichnung fasst die rechtsextrem motivierte Anschlagsserie in Berlin-Neukölln zusammen. Das Berliner Landeskriminalamt zählt rund 70 Straftaten dazu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Sie wurden überwiegend zwischen Juni 2016 und März 2019 verübt.

Eberswalde und Wildau

Razzien nach Verbot von rechtsextremer Gruppe "Combat 18"

Nach Bombendrohungen war in Deutschland zuletzt mehrfach der Name "Combat 18" aufgetaucht: Jetzt greift das Bundesinnenministerium durch und verbietet die rechtsextreme Gruppe. In Brandenburg gab es zuvor Hausdurchsuchungen.

"Die OG Rex war auch an der Bearbeitung der Anschlagsserie beteiligt, sie war auch in Kontakt mit demokratischen Initiativen in Südneukölln. Es ist also möglich, dass von hier interne Informationen an die Täter geflossen sind", postete der Berliner Abgeordnete Niklas Schrader (Die Linke) nach Bekanntwerden der Ermittlungen bei der Social-Media-Plattform X, vormals Twitter.

Schrader gehört dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses an, der sich mit den rechtsextremen Straftaten in Neukölln befasst. Er will an diesem Freitag erneut tagen und dabei zwei Zeugen befragen.

Auswirkungen auf den Untersuchungsausschuss

Auf die Arbeit des Untersuchungsausschuss wird die Personalie Auswirkungen haben. Unklar sei zum jetzigen Zeitpunkt, inwiefern ein direkter Zusammenhang zur Straftatenserie bestehe, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Vasili Franco (Bündnis90/Grüne), am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Klar ist aber nach Angaben Francos, dass die Sitzung an diesem Freitag anders ablaufen wird als vorgesehen. Einer der beiden geplanten Zeugen habe sich krank gemeldet. Es handelt sich dabei um einen Polizisten, der Anfang 2023 rechtskräftig verurteilt worden ist nach einem Angriff auf einen Asylbewerber im Jahr 2017.

Flüchtlingsorganisationen kritisierten am Donnerstag erneut, dass der Polizist weiterhin im Dienst sei. "Der Beamte wird derzeit im Innendienst verwendet", hieß es dazu von der Polizei. Die disziplinaren Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen.

Versäumnisse bei der Aufklärung

Auch die Berliner Justiz beschäftigt der Komplex weiter. Die Generalstaatsanwaltschaft hat Berufung gegen Urteile des Amtsgerichts Tiergarten eingelegt, wonach die beiden Hauptverdächtigen aus der Neonazi-Szene vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen worden waren.

Die Generalstaatsanwaltschaft zog 2020 die Ermittlungen zu den Anschlägen an sich - wegen des Verdachts, dass ein Staatsanwalt mit der AfD sympathisieren könnte. Wegen anderer Vorwürfe waren beide Männer verurteilt worden. Zu diesen Straftaten gehörten unter anderem auch rechtsextreme Schmierereien.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.09.2023, 20:00 Uhr

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