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Quelle: dpa/Robin Utrecht

Nachrichtenguerilla im Netz

Tindern für den Frieden

Internetnutzer versuchen via Google Maps oder Tinder, die russische Zensur zu umgehen. Andere unterstützen mit "Leerkäufen" ukrainische Anbieter auf Marktplätzen für Handgemachtes oder Portalen für Ferienwohnungen. Von Micha Bärsch

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch im Digitalen eine Zeitenwende markiert: Hacker-Kollektive mischen mit Angriffen auf russische Webseiten mit, ukrainische Minister twittern den US-Unternehmer Elon Musk direkt mit der Bitte um Unterstützung an - und bekommen sie auch [tagesschau.de].

Manche Internet-Nutzer wiederum finden kreative Wege, in Russland Informationen über den Krieg an der Zensur vorbei zu platzieren.

Dabei werden vor allem Apps und Dienste genutzt, in denen man gerade nicht mit Nachrichten und politischer Aufklärung rechnet - so wie in der Dating-App Tinder. In der Basisversion ist Tinder in erster Linie ein lokaler Dienst, der den Nutzern nur Matches aus dem eigenen Umkreis anzeigt.

In der kostenpflichtigen Version suchen Nutzer jedoch auch in russischen Städten nach Matches - und klären diese dann über den Krieg in der Ukraine auf.

"Review-Bombing" auf Google Maps

Ins Rollen gebacht hat diese Art der Informationsverbreitung das Hacker-Kollektiv "Anonymous" mit einem Retweet: Internetnutzer sollen unter russische Sehenswürdigkeiten, Restaurants oder Hotels eine "Bewertung" schreiben, in denen sie dann aber über das Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine berichten.

Allerdings hat Google bereits begonnen, solche Kommentare wieder zu löschen - sie entsprächen nicht den Nutzerbedingungen. Man habe zusätzliche Schutzmaßnahmen eingerichtet, um Inhalte zu überwachen und zu verhindern, die gegen die Richtlinien für Maps verstoßen, sagte ein Google-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Google Maps solle kein Forum sein, in denen sich Nutzer zu politischen Themen äußern [google.com], heißt es in den Nutzungsbedingungen.

Auch die Touristen-Plattform Tripadvisor hat die Kommentarfunktion mittlerweile gesperrt.

Leerverkäufe auf "Etsy" - und 5 Euro für schlichte JPGs

Andere Internetnutzer unterstützen einzelne Ukrainer finanziell: Über die E-Commerce-Webseite "Etsy", auf denen vor allem handgemachte Produkte angeboten werden, kaufen und bezahlen sie Produkte aus der Ukraine - schreiben den Verkäufern aber gleichzeitig, dass sie auf eine Lieferung der Ware verzichten.

Auch gibt es den Aufruf, nur digitale Produkte zu kaufen - zum Beispiel PDFs mit Bastelanleitungen oder Schnittmuster. Ebenso können dort auch einfache Grafik-Dateien gekauft werden: Ein Produkt, dass die Plattform aktuell als "Bestseller" listet ist ein JPG eines Herzens in den ukrainischen Farben [etsy.com], angeboten von einer Userin, die sonst selbstgebastelte Puppen verkauft und nach eigenen Angaben in Charkiw lebt - für 5,62 € hat die Datei schon über 160 Bewertungen.

Die Plattform selbst unterstützt ebenfalls Verkäufer aus der Ukraine. Geschäftsführer Josh Silvermann kündigte bereits am Montag an, Anbietern aus der Ukraine offene Schulden zu erlassen - unter anderem für Transaktions- und Werbegebühren. Nach eigenen Angaben umfasst dies rund vier Millionen Dollar [etsy.com | englisch].

Buchungen für ukrainische Unterkünfte auf Airbnb

Auch über Portale für Ferienwohnungen wie Airbnb unterstützen User ukrainische Anbieter. Sie buchen Ferienwohnungen im Kriegsgebiet - freilich ohne jede Intention, diese auch zu nutzen.

Allerdings wird im Netz auch zur Vorsicht gemahnt: Betrüger könnten sich ad hoc mit nicht existierenden Unterkünften in der Ukraine bei Portalen wie Airbnb registrieren - um so die Spenden zu unterschlagen. Wer auf diese Weise Ukrainern helfen will, sollte sich zuvor vergewissern, dass die Angebote schon länger im Netz sind - zum Beispiel durch einen Check der schon vorhanden Bewertungen aus der Zeit vor dem Krieg.

Beitrag von Micha Bärsch

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