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Quelle: dpa/Patrick Pleul

Fragen und Antworten

Warum in Brandenburg der Impfstart missglückt ist

Nirgendwo im Land wird derzeit so zaghaft geimpft wie in Brandenburg. Jetzt rächt sich, dass Senioren selbst Termine ausmachen mussten. Dass immer noch Zehntausende von ihnen noch immer keinen Termin haben, bringt weitere Probleme. Von Oliver Noffke

Wo steht die Brandenburger Impfkampagne gegen die Corona-Pandemie?

In Brandenburg haben laut Robert-Koch-Institut bislang 173.387 Menschen eine erste Impfung gegen Covid-19 erhalten [Stand: 25. Februar, rki.de]. Das entspricht 3,9 Prozent der Bevölkerung. In keinem anderen Bundesland ist dieser Wert niedriger.

Etwas besser steht Brandenburg da, wenn man auf die Zahl der Menschen blickt, die bereits eine zweite Impfung haben und damit die volle Schutzwirkung der Impfmittel genießen. Auf 74.118 Menschen trifft das in Brandenburg derzeit zu. Das sind 2,9 Prozent der Bevölkerung. Den Spitzenwert hat hier Rheinland-Pfalz inne mit 3,3 Prozent.

Was diese Zahlen nicht zeigen, ist, wer eigentlich geimpft wurde.

Wie wurde priorisiert?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, Menschen über 80 Jahren zuerst ein Angebot zum Impfen zu machen. Ältere haben ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe von Covid-19 und leiden zudem öfter an Vorerkrankungen. Je älter Menschen bei einer Corona-Infektion sind, desto höher ist die Gefahr, dass sie intensivmedizinisch versorgt werden müssen – und damit die Gefahr, dass Krankenhäuser überlastet werden. Es hat also Sinn, älteren und anderweitig besonders gefährdeten Personen zuerst ein Impfangebot zu machen.

Menschen über 80 stehen auch in der Brandenburger Priorisierungsliste an erster Stelle [brandenburg-impft.de]. Dass sie tatsächlich die höchste Priorität genießen, gibt allerdings keine Statistik wieder. In der täglichen Impfstatistik des RKI wird auch angegeben, nach welcher Indikation (aus welchem Grund) eine Impfung verabreicht wurde. Das Alter war in Brandenburg nur in etwa 40 Prozent der Fälle ausschlaggebend. Im benachbarten Berlin wurde es in mehr als 70 Prozent der Impfungen als vorwiegender Grund angegeben.

Diese Zahlen haben einen kleinen Makel, denn sie können auch Mehrfachnennungen enthalten. Neben dem Alter stehen auch der Beruf, medizinische Indikation (Vorerkrankung) oder das Pflegeheim als Wohnort zur Auswahl. Es ist also durchaus möglich, dass eine Person geimpft wurde, weil sie Ärztin ist und an einer Vorerkrankung leidet. Es ist allerding unrealistisch, dass jemand eine Impfung erhalten hat, weil er in einem Beruf mit erhöhtem Risiko arbeitet und gleichzeitig über 90 Jahre alt ist. Stellt man die Indikation nach Alter allen anderen Indikationen gegenüber, wird deshalb deutlich, dass in Brandenburg ein Missverhältnis vorliegt.

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Welche Versäumnisse gab es in der Organisation?

Die ZDF-Satiresendung "Heute-Show" hat vor Kurzem die Anmeldung zum Impftermin mit einer Spielshow verglichen. Zuerst sollten die Kandidaten eine App herunterladen, um die Nummer einer Hotline zu erfahren. Mit ihren Wählscheibentelefonen hatten die teilnehmenden Senioren dabei so ihre Probleme. In Brandenburg wird bei solchen Witzen sicher vielen das Lachen vergehen. Es scheint zu real.

Die Entscheidung, Termine per Hotline auzumachen, hat sich aus mehreren Gründen als eine sehr schlechte herausgestellt. Zu allererst ist das nicht sonderlich praktikabel. Endlos Zeit in Warteschleifen zu verbringen, sollte älteren Menschen nicht zugemutet werden. Auch die nun mögliche Online-Terminvergabe ist für viele Senioren eine unüberwindbare Hürde.

Das Flächenland Brandenburg ist gegenüber dichter besiedelten Regionen klar im Nachteil. Als die Arena Treptow als erstes Impfzentrum Berlins eröffnete, war das sicher nicht ideal gelegen für Menschen aus Buch oder Wannsee. Dennoch war es erreichbar. In Brandenburg wurden zuerst in Potsdam und Cottbus Impfzentren eröffnet. Für Menschen aus der Uckermark oder der Prignitz bedeutet dies stundenlange Anfahrten. Praktisch ist das nicht.

In Berlin wurde per Brief zum Impfen eingeladen, beginnend mit Menschen ab 90 Jahren. Dies ermöglichte einen kontrollierten Start der Impfkampagne und ein gezieltes Ansprechen, besonders gefährdeter Menschen. Wenn - wie in Brandenburg - die Bevölkerung selbst dazu aufgerufen wird, sich Termine zu besorgen, ist der Ansturm hingegen kaum zu steuern. Überlastungen sind dann unvermeidbar. Ebenso wie gähnende Leere an anderen Tagen. Die Diskussionen über Orte, an denen sich erstmal die Verwaltungsangestellten impfen ließen, haben obendrauf zu viel Frust geführt.

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Die sogenannte "Alterspyramide" erscheint in Brandenburg eher wie ein Pilz [statistik-berlin-brandenburg.de]. Es gibt entsprechend besonders viele Menschen, die schon allein aufgrund ihres Alters zu einem schweren Infektionsverlauf neigen - mit den entsprechenden Auswirkungen auf Krankenhäuser. Wie viel höher der Nutzen ist, ältere Menschen früh zu impfen, um tödliche Verläufe zu verhindern, hat rbb|24 Anfang der Woche in einer Datenanalyse gezeigt.

Das Versäumnis, zu Beginn nicht unbedingt nur die Ältesten zu immunisieren, kann Brandenburg momentan kaum aufholen. Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind nicht in der erhofften Menge verfügbar; der Impfstoff von Astrazeneca, der dritte bereits in der EU zugelassene gegen Covid-19, darf in Deutschland jedoch nur an 18- bis 64-Jährige verabreicht werden. Zumindest vorerst.

In Berlin, wo bislang mit stärkerem Blick auf das Alter Impfangebote vergeben wurden, kann man derzeit etwas gelassener auf Lieferengpässe einzelner Pharmazeuten reagieren. Wenn die älteren Menschen bereits durch sind, muss nicht mehr zwangsläufig ein Termin im Impfzentrum abgesagt werden. Sollte ein Mittel knapp sein, kann Jüngeren ein anderes als Ersatz angeboten werden.

Was wird nun unternommen?

Am Freitag teilte das Gesundheitsminsiterium mit, dass an 17.000 Brandenburger über 85 Jahren eine Einladung zu einem Impftermin per Post gegangen ist. In der kommenden Woche sollen weitere 35.000 solcher Briefe verschickt werden, um die Terminvergabe zu entzerren. "Aus unseren Erfahrungen mit der Terminvergabe Anfang Januar haben wir gelernt", sagte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) dazu. Das ist ein erster Schritt, um zumindest die älteren Personen von der zermürbenden Wartezeit der vergangenen Wochen zu befreien.

Außerdem soll ab kommender Woche ein Impfbeauftragter die weitere Koordination im Land übernehmen. Er hat einiges zu tun, damit Brandenburg die hinteren Plätze beim Impftempo verlassen kann.

Sendung: Brandenburg aktuell, 26.02.2021, 19.30 Uhr

Beitrag von Oliver Noffke

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