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Quelle: dpa-Symbolbild/Kira Hofmann

rbb exklusiv | Schnelltestzentren in Berlin

Privatunternehmen offenbar in Auftragsvergabe des Senats involviert

Schnelltests sind einer der Schlüssel für die Lockerung der Pandemiemaßnahmen. Dafür will der Senat weitere Testzentren aufbauen lassen. Doch die millionenschwere Ausschreibung wirft Fragen auf: Hatte ein Mitbewerber vorab Kenntnis davon? Von Sebastian Schöbel

Im Rennen um die Vergabe eines lukrativen, millionenschweren Großauftrags der Berliner Gesundheitsverwaltung sind Unregelmäßigkeiten aufgetaucht. Nach Recherchen des rbb war das Münchner Privatunternehmen 21DX offenbar direkt involviert bei der Erstellung von Ausschreibungsdokumenten für Corona-Teststationen. 21DX hatte zuvor bereits ohne Ausschreibung den Aufbau des Berliner Schnelltest-Netzwerks "test-to-go" erhalten und gilt als potenzieller Mitbewerber um den Auftrag, bei dem die Firma nun offenbar aktiv eingebunden wurde. Das käme einem massiven Wettbewerbsvorteil gleich.

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Auftrag für 21 Testzentren und zehn mobile Teams

Die Unregelmäßigkeiten wurden nach rbb-Informationen bereits bei der Senatsverwaltung für Gesundheit angemahnt. Zudem wird bei der Berliner Vergabekammer untersucht, wie 21DX ohne Ausschreibung an den Erstauftrag für das Schnelltestnetzwerk gekommen ist.

Am 19. März hatte die Gesundheitsverwaltung von Senatorin Dilek Kalayci (SPD) den Auftrag zum Aufbau von 21 stationären und zehn mobilen Corona-Teststationen ausgeschrieben. Vorgeschrieben ist eine Kapazität von täglich 1.000 Schnelltests pro Zentrum, sowie eine Kooperationsvereinbarung mit einem Labor "für bis zu 1.000 tägliche Laboruntersuchungen pro Testzentrum". Gemeint sind PCR-Tests nach positiven Schnelltestbefunden. Zum Auftrag gehört auch der Betrieb der bereits eingerichteten Webseite "test-to-go", wo Berlinerinnen und Berliner auf einer großen Karte Testzentren finden und Termine buchen können.

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Hat Mitbewerber den Auftrag mitgestaltet?

Die Bewerbungsfrist lief ursprünglich am Donnerstagmorgen um 6 Uhr ab, wurde aber überraschend am späten Mittwochabend bis 21. April verlängert. Das gesamte Auftragsvolumen beläuft sich auf 83.473.177 Euro – und zwar für nur zwei Monate. Denn die Laufzeit startet am 1. Mai und endet bereits am 30. Juni.

Eine Prüfung der Ausschreibungsunterlagen zeigt nun, dass ein zentrales Dokument, nämlich die Leistungsbeschreibung des gesamten Auftrags, offenbar von der Geschäftsführerin von 21DX, Martina Samwer verfasst wurde. So jedenfalls steht es in den vom rbb geprüften Metadaten der PDF-Datei, die jeder Bieter auf dem offiziellen Ausschreibungsportal herunterladen kann. Das Dokument wurde demnach am 3. März das letzte Mal geändert – mehr als zwei Wochen bevor die Ausschreibung veröffentlicht wurde. Samwer wird bei 21DX als "Gründerin und Geschäftsführerin" geführt. Laut ihrer Vita kommt sie aus dem Gesundheits- und Klinikmanagement und war Beraterin bei der US-Consultingfirma "Bain & Capital".

Die Senatsverwaltung für Gesundheit reagierte am späten Mittwochabend mit einem kurzen Statement. "Das laufende Ausschreibungsverfahren richtet sich in vollem Umfang nach den geltenden Bestimmungen des Vergaberechts", sagte ein Sprecher von Senatorin Kalayci. "Über den Stand des Vergabeverfahrens kann die SenGPG aufgrund des Vertraulichkeitsgrundsatzes im Vergabeverfahren keine Auskunft geben." Nicht beantwortet blieb die Nachfragen des rbb, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang 21Dx bei der Ausschreibung involviert war. Das Unternehmen selbst hatte Nachfragen zuletzt stets an die Verwaltung weitergereicht.

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21DX fiel mit Datenleck auf

Nach rbb-Informationen liegt zu dem Fall bereits eine Rüge von mindestens einem Mitbewerber vor. Demnach wird nicht nur die sehr kurze Bewerbungsfrist von nur neun Werktagen für den Großauftrag bemängelt: Nachfragen von Bietern, etwa zur Anmietung von Räumlichkeiten, seien unbeantwortet geblieben. Auch die geforderten Referenzen und Anforderungen an den Versicherungsschutz seien bei genauer Betrachtung kaum zu erfüllen, heißt es in einer Rüge, die dem rbb vorliegt. Insgesamt dränge sich der Eindruck auf, die dass der Auftrag so formuliert wurde, dass nur 21DX den Zuschlag bekommen kann. Dieser Verdacht wurde gegenüber dem rbb von mehreren potenziellen Bewerbern aus dem privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Bereich mit Kenntnis der Ausschreibung geäußert.

Wie der rbb zuletzt gemeinsam mit dem österreichischen "Standard" und der "Süddeutschen Zeitung" berichtet hatte, war bei 21DX ein massives Datenleck aufgetreten. Demnach lagen die Testergebnisse und Personaldaten etlicher Kunden von Schnelltestzentren frei zugänglich im Netz. Der aktuelle Auftrag von 21DX zum Betrieb des Schnelltestnetzwerks "test-to-go" läuft noch bis Ende April.

Sendung: Inforadio, 01.04.2021, 8 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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