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Video: rbb24 | 15.08.2022 | Uri Zahavi | Quelle: imago images/Beautiful Sports

Nach Maßnahmen der Politik

Wie die Energiekrise den regionalen Sport herausfordert

Auch Sportvereine und Schwimmbäder sind von den Energiesparmaßnahmen des Senats betroffen. Die Bereitschaft des Sports einen Beitrag zu leisten, ist allerdings hoch - denn es gibt ein Horrorszenario, das alle vermeiden wollen. Von Lukas Witte

Die Sorge vor dem kommenden Winter und den steigenden Energiekosten macht auch vor Sportvereinen und Schwimmbädern nicht halt. Immer wieder erreichen den Landessportbund Berlin (LSB) besorgte Nachfragen, welche Auswirkungen eine Energiekrise im Herbst und Winter auf den Sport in der Hauptstadt haben könnte. Nun hat der Senat ein Energiespar-Paket beschlossen, das ab sofort Maßnahmen in Sportstätten und Bädern nötig macht.

Wasser und Hallen werden kälter, das Licht geht früher aus

Die umfangreichen Maßnahmen des Berliner Senats gelten zunächst bis 31. März 2023 und können bei Bedarf jederzeit erweitert und verlängert werden. Ziel ist es, zehn Prozent des Energieverbrauchs der öffentlichen Hand zu sparen. In Berlin betrifft das auch viele Sportstätten. Hallen, Plätze und Bäder sind meist in Bezirks- oder Landeshand und werden den Vereinen normalerweise kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auch die Energiekosten werden übernommen.

Heizungen, Warmwasser, Beleuchtung

Berliner Senat beschließt Energiesparmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden

Es wird kälter in Berlin: Der Senat hat Maßnahmen zum Energiesparen beschlossen, um über den Winter zu kommen. Vor allem die Temperaturen in öffentlichen Gebäuden wie Verwaltungen oder Schulen werden gesenkt. Auch Schwimmbäder sind von den Maßnahmen betroffen.

Gespart werden muss jetzt auch dort. Nach dem Senatsbeschluss werden ab sofort Sporthallen nur noch auf 17 Grad beheizt, die Warmwasserbereitung der Waschbecken in Sportstätten wird abgeschaltet und die Beleuchtung in und um die Hallen und Plätze soll nach 22 Uhr deutlich reduziert werden.

In Schwimmbädern wird außerdem die Wassertemperatur auf maximal 26 Grad gesenkt, temperierte Außenbecken werden abgeschaltet und gegebenenfalls sollen Freibäder unbeheizt bis zum Saisonende weiter betrieben werden. Ausnahmen von diesen Maßnahmen gibt es zum Beispiel für Rehasport und therapeutische Sportangebote.

Sportverbände kamen dem Senat zuvor

Für die Sportverbände und -vereine in der Hauptstadt dürften diese Maßnahmen wenig überraschend kommen. Schon Wochen vor dem Senatsbeschluss hatte der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Handlungsempfehlungen zum Energiesparen an sie herausgegeben, die die Maßnahmen der Politik teilweise übersteigen.

Der DOSB schlägt zum Beispiel einen bedarfsgerechten Betrieb der Sportanlagen vor. So könnte auf einem Fußballplatz im Herbst und Winter nur auf dem Halbfeld trainiert werden und auf der anderen Hälfte auf das Flutlicht verzichtet werden. Auch nicht zwingend benötigte Elektrogeräte wie Handtrockner, Getränkeautomaten und Kühlgeräte könnten abgeschaltet werden. Außerdem sollten wassersparende Duschköpfe und Durchflussbegrenzer für die Sanitäranlagen angeschafft werden.

Vereine wollen Verantwortung übernehmen

Beim Friedenauer TSC im Südwesten der Hauptstadt will man viele der Handlungsempfehlungen umzusetzen. "Das ist die Verantwortung, in der wir uns als Vereine befinden", findet der 1. Vorsitzende Christian Wille. "Wir sind natürlich auch besorgt und machen uns eigene Gedanken, was wir als Verein tun können, um energiebewusster zu handeln."

Acht unterschiedlichen Sportarten können die Mitglieder im Friedenauer TSC nachgehen - von Fußball über Badminton bis zur Gymnastik. Dieses Angebot soll auch im Herbst und Winter aufrechterhalten werden. Dabei sollen aber künftig vor allem die Hallenkapazitäten besser genutzt werden. "Warum muss ich mit acht Menschen Gymnastik in einer riesigen dreiteiligen Halle machen, nur weil die das seit 20 Jahren dort machen. Da können wir als Verein ansetzen", sagt Wille. Außerdem sollen die Hallen für Trainingsgruppen unter acht Personen gar nicht mehr aufgeschlossen werden.

Für den 1. Vorsitzenden des FC Internationale Berlin, Gerd Thomas, kommt das Umdenken bei den Sportverbänden und -vereinen zu spät. "Die Umstände jetzt sind natürlich nicht schön, aber das Thema ist längst überfällig", sagt er. Thomas sieht keine großen Einschränkungen durch das Energiesparen. "Dann verzichtet man halt auf ein paar Dinge. Ich habe doch kein Problem damit nur noch drei statt 20 Minuten zu duschen. Und der Platzwart macht dann das Licht einfach mal pünktlich aus und nicht erst eine halbe Stunde später", erzählt der Vorsitzende des Schöneberger Fußballvereins.

Thomas möchte die Gunst der Stunde nutzen und glaubt, dass Sportvereine eine wichtige Rolle beim Thema Energiesparen einnehmen könnten. "Ich finde die Idee schön, dass es jetzt eine Kampagne zum Energiesparen geben könnte. Vielleicht kann man den Leuten auch vermitteln, dass es auch Spaß machen kann. Und Vereine haben eine Vorbildsfunktion und erreichen viele Menschen. Vielleicht nehmen sie dann ein paar Dinge auch mit in ihr Zuhause und privates Leben", erklärt er.

Horrorszenario "Energie-Lockdown"

Die Bereitschaft der Verbände und Vereine zu Energiesparmaßnahmen beizutragen, ist also groß. Neben der gesellschaftlichen Verantwortung steckt dahinter aber auch die Angst vor dem sogenannten "Energie-Lockdown". Die Sorge ist, dass Bezirke und Kommunen im schlimmsten Fall Sportstätten und Schwimmbäder in öffentlicher Hand schließen werden, um Energie zu sparen. Der DOSB und die Landessportverbände haben die Politik in den letzten Wochen immer wieder vor diesem Szenario gewarnt.

"Die Schließung von Sportstätten darf keinesfalls die prioritäre Leitlinie unseres bzw. Ihres Handelns sein und werden", heißt es in einem Schreiben des Präsidenten des Landessportbund Berlin, Thomas Härtel, an die Staatssekretärin für Sport, Nicola Böcker-Giannini. Noch eine Ebene höher ist der Präsident des Deutschen Fußball-Bund (DFB), Bernd Neuendorf, gegangen. Er hat einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Innenministerin Nancy Faeser verfasst, indem er unter anderem eine Offenhaltung der Sportstätten während der drohenden Energiekrise fordert.

Auch der Präsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV), Bernd Schultz, zeigt sich über eine Schließung besorgt und erinnert sich an die Einstellung des Trainingsbetriebs zu Pandemiezeiten. "Wir haben in Corona die Erfahrung gemacht, was das für Jugendliche bedeutet. Der Schaden, der da angerichtet wird, steht in keinem Verhältnis zu möglichen Einsparungen", erklärt er.

Dass die Sorge vor diesem Horrorszenario nicht unbegründet ist, zeigen immer wieder Stimmen aus Politik und Wirtschaft. "Wenn es zur Notlage kommt, ist es einleuchtend, zunächst im Freizeitbereich einzugreifen, bevor wir Industriebetriebe reduzieren oder abschalten, an denen ja viele Arbeitsplätze und auch wichtige Produkte hängen", sagt zum Beispiel der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller. Auch der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannekcke, würde es in einer Ausnahmelage für angemessen halten, zunächst Freizeitaktivitäten vom Netz zu nehmen.

Erhebung des Bildungsministeriums

In Brandenburg können weniger Fünftklässler schwimmen

Energiefresser Schwimmbad

Als erstes wären von einem solchen Lockdown wohl Bäderanlagen betroffen. In Deutschland gibt es mehr als 7.800 öffentliche Hallen- und Freibäder, davon 6.000 in kommunaler Trägerschaft. Laut DOSB werden mehr als 90 Prozent der Schwimmbäder aktuell mit Gas beheizt. Das Schwimmbad als Sondersportstätte ist diejenige Sportanlage, die den höchsten Energiebedarf aufweist.

Schon vor dem Senats-Beschluss hatten die landeseigenen Berliner Bäder-Betriebe im Angesicht der drohenden Energiekrise die Wassertemperatur in den Becken um ein Grad gesenkt. Zukünftig könnte es sogar noch ein bisschen kälter werden. Oberste Priorität hat hier die Aufrechterhaltung der Kinder-Schwimmkurse. "Schwimmen ist lebenswichtig", sagt auch die Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Astrid-Sabine Busse. "Ich gehe fest davon aus, dass unsere Bäder nicht geschlossen werden", versichert sie.

Die Bäderallianz Deutschland bereitet sich allerdings bereits auf den schlimmsten Fall vor. Um Schulsport und Schwimmkurse zu sichern, würde sie sogar eine Schließung aller freizeitaffinen Becken in Betracht ziehen.

Steigende Mitgliedsbeiträge bei Vereinen mit eigenen Sportstätten

Nicht alle Sportstätten sind allerdings von den politischen Maßnahmen betroffen. Anders als in Berlin gibt es in Brandenburg auch einige Vereine, die selbst Besitzer ihrer Hallen, Plätze und Bäder sind oder diese von den Kommunen gepachtet haben. Sie steuern ihren Energieverbrauch selbst, tragen dann aber auch die Kosten alleine.

Die steigenden Energiepreise werden die Vereine dann wohl auf ihre Mitglieder umlegen müssen. Der Vorstandsvorsitzende des Landessportbund Brandenburg, Andreas Gerlach, geht von steigenden Mitgliedsbeiträgen aus. Einen daraus resultierenden Mitgliederschwund erwartet er aber trotzdem nicht. "Sport hat viel mit einem solidarischen Gedanken zu tun und nicht mit der Bezahlung von Leistungen", sagt Gerlach. Gemeinsam mit der Politik solle man Möglichkeiten finden, um steigende Beiträge sozialverträglich abzufedern.

Sorgen vor Gas-Krise im Herbst

DLRG warnt vor Schwimmbäderschließungen

Politik soll energetische Baumaßnahmen vorantreiben

Dafür werde finanzielle Unterstützung nötig sein. "Wir haben gegenüber der Politik deutlich gemacht, dass man bei Hilfsmaßnahmen den Sport keinesfalls vergessen darf", erklärt Gerlach. Dazu habe er kürzlich auch mit Ministerpräsident Dietmar Woidke und Sportministerin Britta Ernst Gespräche geführt und die Sorgen des Sports deutlich gemacht.

Auch beim größten Energiespar-Potential für Vereine müsse die Politik behilflich werden. "Der Sanierungsbedarf ist sehr hoch. Wir haben einen großen Altbestand, bei dem es zwingend notwendig ist, etwas zu tun", erklärt der Vorstandsvorsitzende des LSB Brandenburg. Auch sein Berliner Kollege sieht Baubedarf. "Unsere Bitte an die Politik ist, dass die Vereine gestärkt werden sollen, um die Maßnahmen zu ergreifen, die zum Energiesparen nötig sind. Dazu sind auch bauliche Veränderungen notwendig", erklärt LSB-Berlin-Präsident Thomas Härtel. Energetische Sanierungen der Sportanlagen sind wohl die einzige langfristige Lösung, um viel Energie einsparen zu können und den Vereinen Sicherheit zu bieten.

Gerd Thomas vom FC Internationale hat aber trotzdem keine Angst vor dem kommenden Winter. "Ich mache mir keine Sorgen, dass aus Energiespargründen hier komplett das Licht ausgeht. Da gehen die Menschen in Berlin dann auch auf die Barrikaden", glaubt er.

Ob er recht behält, werden die kommenden Monate zeigen. Auf rbb-Anfrage teilte die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport mit, dass ein Energie-Lockdown bisher nicht in Planung sei und zunächst nur der Maßnahmenkatalog zum Energiesparen herangezogen werde. Eine klare Absage für ein solches Szenario gab es aber nicht.

Sendung: rbb24, 16.08.2022, 18 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

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