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Audio: Interview mit Annekatrin Heidel von Jakob Rüger | Quelle: imago images/Matthias Koch

Interview | Filmemacherin Annekatrin Hendel

"Für mich ist Union Berlin ein Betrieb und keine Familie, wie oft gesagt wird"

Der 1. FC Union marschierte in vier Jahren aus der 2. Liga bis in die Champions League. Ein Stück dieser Reise hat die Filmemacherin Annekatrin Hendel mit der Kamera begleitet. Über den Film "Union - Die besten aller Tage", der jetzt in die Kinos kommt, spricht sie im Interview.

rbb: Annekatrin Hendel, Sie haben im Sommer 2021 angefangen, den 1. FC Union zu begleiten. Herausgekommen ist die zweistündige Dokumentation "Union - Die besten aller Tage", die am Donnerstag ins Kino kommt. Ist es am Ende so geworden, wie Sie es sich am Anfang vorgestellt haben?

Annekatrin Hendel: Ehrlich gesagt, hätte ich lieber eine Serie gemacht. Aber dafür reichte das Geld nicht. Ich hatte so viel Material und wusste, dass es für viele Stunden mehr reichen würde. Insofern ist dieser Film eine sehr komprimierte Variante dessen, was ich mir vorgestellt habe. Wir hatten eine Viereinhalb-Stunden-Fassung, die ganz anders reich war. Viele Geschichten konnten genauer erzählt und mehr Personen und Mitwirkende gezeigt werden. Wir haben es jetzt auf exemplarische Figuren reduziert.

Zur Person

Wie ist die Idee entstanden, ausgerechnet den 1. FC Union zu begleiten?

Die Idee gab es bei mir schon lange, weil ich selber aus der Wuhlheide komme. In der ersten Klasse ging damals die Tür auf und es wurde "Eisern" gebrüllt. Davor hatte ich Union noch gar nicht so wahrgenommen. In der Schule musste man sich dann aber für den BFC oder Union entscheiden. Ohne großes Fußball-Interesse habe ich mich immer als Unioner Kind gefühlt. Als Jugendliche war ich dann mit meinen Freunden immer im Stadion. Das habe ich dann allerdings aus dem Blickfeld verloren. Es kam dann wieder durch politische Parteien, die man als ostdeutsches Phänomen bezeichnet und die aus meiner Sicht negative Schlagzeilen machen. Man spricht heute von einer Spaltung der Gesellschaft. Ich habe dann überlegt, was die Menschen zusammenbringt. Aus meiner Sicht ist das der Sport überhaupt und sehr populär der Fußball. Ich finde es auch hier in meiner Heimat exemplarisch dafür, dass es eine Blase gibt, die viele Blasen in sich aufnehmen kann - und wo Leute zusammenstehen und singen, zum Beispiel über Liebe.

Was macht den 1. FC Union aus Ihrer Sicht sonst noch aus?

Um diese Frage zu beantworten, bräuchten wir ein mindestens zweistündiges Gespräch. Deshalb habe ich eben den Film gemacht. Der Anspruch für mich als Filmemacherin war es, nicht zu erklären, was den Klub besonders macht, sondern eher den Verein und den Betrieb zu begleiten, damit jeder Zuschauer und jede Zuschauern sich selber raussuchen kann, was den Verein ausmacht. Ich halte mich eher zurück. Für mich ist das ein Betrieb und keine Familie, wie oft gesagt wird. Und dieser Betrieb hat eine bestimme Arbeitsweise. Das habe ich hier vorgefunden. Wie Entscheidungen getroffen werden, wie der Betrieb aufgebaut ist und wie die Leute miteinander arbeiten. Das ist das Interessante und Besondere.

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Das klingt nach einem Film für Union-Fans, aber vor allem auch für Menschen, die mit Fußball oder dem Klub gar nicht so viel am Hut haben.

Ich hoffe, dass es ein Film für Union-Fans ist, aber auch für Menschen, die sich für die Arbeitswelt interessieren. Es hätte auch ein Film über eine Werft sein können. Warum schwimmt das Schiff, wie machen die das? So ist es ein Film über einen Fußball-Klub, der von sich reden macht, der ein Phänomen ist, ein Rätsel ist und ein kleines Wunder vollbracht hat.

Fußballvereine schotten sich immer mehr ab und machen ihre eigene Medienarbeit und entscheiden selbst, was nach außen dringt und was nicht. Wie hat der Verein reagiert, als Sie mit Ihrer Idee auf ihn zugegangen sind?

Bevor ich überhaupt zum Präsidenten gegangen bin, habe ich die Leute hier gefragt, ob es für sie in Ordnung wäre. Es war interessant, dass der Klub, der ja auch selber schon Film über sich produziert hat, keinen Imagefilm haben wollte. Sie haben gesagt: Wenn du etwas machst, das anders ist, dann ist es okay. Das hat mir gefallen und damit bin ich zum Präsidenten gegangen. Von ihm gab es dann noch die Ansage, dass ich keine Termine bekäme, sondern einfach da sein müsse. Das habe ich dann auch wahrgenommen und sicher immer mal wieder auch die Leute hier genervt.

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Was war für Sie, die bereits Dokumentationen über die Familie Brasch den Regisseur Rainer Werner Fassbinder gedreht hat, bei der Begleitung von Union Berlin die größte Herausforderung?

Es war eine einzige Herausforderung für mich. Weil ich ganz viel Neues erfahren habe. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, wie die Menschen, die hier arbeiten, dieses ständige Auf und Ab, die ständige nervliche Anspannung aushalten. Das Gleiche gilt für die Fans, die für ihren Klub teilweise drei Mal in der Woche zu Spielen reisen. Dann habe ich aber gemerkt, dass die sich fragen, wie man es aushält, wenn man nicht mitmacht. Wie kann man nicht Fußball-Fan sein? Diese Dinge fand ich sehr spannend und für mich war es wirklich extrem anstrengend. Weil ich plötzlich selbst mitfieberte - das war das anstrengendste. Hinzu kommt, dass man hier als Film-Team wirklich stört, das war ich aus vergangenen Projekten nicht gewöhnt.

Insbesondere die Szenen, wenn Sie bei Präsident Dirk Zingler im Büro oder bei Besprechungen sind, haben eine gewisse Intimität. Hat der Klub Ihnen auch Grenzen aufgezeigt und gesagt: Jetzt ist Schluss?

Grenzen gab es nicht. Er hat mich am Anfang gefragt, was ich will und ich habe gesagt: alles. Das hat er sofort akzeptiert. Einmal hat er gesagt, dass jetzt gerade nicht der richtige Zeitpunkt sei, und die Tür zugemacht. Das lag daran, dass er keinen Bock hatte. Das konnte ich auch verstehen, habe die Tür aber wieder aufgemacht und ihm gesagt, dass es so nicht geht. Dann war ich doch wieder drin.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Jakob Rüger. Es wurde für die Online-Fassung gekürzt und redigiert. Das komplette Gespräch hören Sie bei einem Klick ins Titelbild.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.04.24, 10:15 Uhr

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