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Audio: Antenne Brandenburg | 13.01.2023 | Iris Wussmann | Quelle: picture alliance

Debatte um Lützerath-Proteste

"Was macht denn die Kohle? Ein bisschen Wärme und bringt letztendlich die Erde an den Rand des Ruins."

In der Lausitz schaut man gerade mit besonderer Aufmerksamkeit auf das, was in Lützerath passiert. Denn auch hier wurden Dörfer für die Kohle abgebaggert oder waren davon bedroht. Betroffene und Kohlekumpel machen sich ihre Gedanken. Von Iris Wussmann

Horno, Klinge, Wolkenberg - viele weiße Holzkreuze mit den Namen von abgebaggerten Lausitzer Dörfern stehen in Lakoma bei Cottbus am Straßenrand. Auch Lakoma selbst musste 2006 dem Tagebau Cottbus -Nord weichen, der seit 2019 geflutet wird, um zum Cottbuser Ostsee zu werden.

Ernst-Peter Kühn wohnte zweimal in Dörfern, die abgebaggert wurden. | Quelle: rbb

Einer, der dort sein Haus und seine Praxis hatte, ist der Arzt Ernst-Peter Kühn. Jetzt lebt er auf der anderen Seite der Bundesstraße - und verfolgt, was in Nordrhein-Westfalen passiert. Er würde es sehr begrüßen, "wenn es gelingt, durch diese Aktion in Lützerath die Öffentlichkeit mal nachdenklich zu stimmen, 'Wo bekommen wir den Strom überhaupt her und was ist mit der Gewinnung zum Teil für menschliches Leid verbunden? Und wir denken nach, wie wir die Ressourcen unter der Erde behutsam oder gar nicht in Anspruch nehmen'?"

Interview | Kampf um Lützerath aus Lausitzer Sicht

"Die Region ist möglicherweise ganz froh, dass es ein Stück weit weg ist"

Der Kampf von Braunkohlegegnern gegen die Abbaggerung des Dorfes Lützerath für den Braunkohleabbau sorgt für Aufsehen und Debatten. In der Lausitz betrachte man den Kampf eher distanziert, sagt Andreas Rausch, Leiter des rbb-Studios Cottbus im Interview.

Protest ja - aber nicht so

Auch wenn Ernst-Peter Kühn die Form des Protestes nicht gutheißt, unterstützt der 86-Jährige das Ziel und plädiert dafür, Maß zu halten und nicht aus dem Vollen zu Schöpfen, als gäbe es kein Morgen. "Wir leben allesamt über unsere Verhältnisse. Es wird nicht gespart. Keiner denkt an die Natur, die wir hier irgendwann den Generationen nach uns hinterlassen."

Der Hof von Ulrich Schulz war von Abbaggerung bedroht. | Quelle: rbb

Ulrich Schulz, Landwirt in Atterwasch bei Guben (Spree-Neiße), war mit seinem Hof von der Abbaggerung bedroht, ist aber verschont geblieben. Er könne sehr gut nachempfinden, was die Menschen in Lützerath mitmachen. Radikalen Protest, wie er dort gerade laufe, hätten sie damals abgelehnt. Wenn er aber daran zurückdenkt, "dass Leute mit uns demonstriert haben, die heute diese Klimapolitik verantworten müssen, oder verantworten, dreht sich mir der Magen um."

Sie wären 2017 der Meinung gewesen, dass mit Blick auf den CO2-Ausstoß und den Klimawandel die Vernunft gesiegt habe, sagt Schulz. Damals im März war bekannt geworden, dass der Energiekonzern Leag den Tagebau in Jänschwalde nicht erweitern wird. Für die rund 900 Einwohner von Grabko, Atterwasch und Kerkwitz gingen damit Jahre der Ungewissheit zu Ende. Sie mussten nicht umgesiedelt werden, ihre Heimat blieb erhalten.

Das Dorf Lakoma wurde 2006 endgültig für den Tagebau Cottbus-Nord abgebaggert - auch dort waren Häuser besetzt worden. | Quelle: rbb

Landwirt Ulrich Schulz meint, dass die Kohle, die unter den Dörfern liegt, die Abbaggerung nicht wert sei. "Was macht denn die Kohle? Die macht ein bisschen Wärme und bringt uns letztendlich die ganze Erde an den Rand des Ruins."

Meinung: Pro | Früherer Kohleausstieg

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Die Dürre nimmt zu, das Wasser wird knapper: Die Klimakrise wird vor allem die Lausitz hart treffen. Es muss schneller reagiert werden, dazu gehört auch die Änderung von Gesetzen. Wer jetzt noch auf einen Ausstieg bis 2038 pocht, geht an der Realität vorbei, meint Hanno Christ

Meinung: Contra | Früherer Kohleausstieg

"Kohle und Gas sind lebensnotwendig für eine Industrienation"

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Unverständnis und Mitgefühl

Das sehen die Kumpel, die am Donnerstag bei Schichtende aus dem Tagebau Jänschwalde (Spree-Neiße) kommen, größtenteils anders. Auch sie verfolgen das Geschehen in Nordrhein-Westfalen. "ich finde, das ist Quatsch", sagt einer von ihnen. "Wir wollen ja auch unsere Energie haben und jeder möchte den Schalter umdrehen und Strom haben. Wenn wir jetzt überall sparen wollen - wo soll es am Ende herkommen?" Ein Kollege ergänzt, dass es eine Verstromung brauche, die für ganz Deutschland da ist - "und die nicht nur auf dem Fahrrad ertreten wird." Manche Kohlekumpel sind zwiegespalten. "Protestieren können sie ja, aber nicht so radikal", sagt einer. Ein anderer meint: "Ich kann beide Seiten verstehen. Aber es ist schwierig."

Skepsis, Unverständnis, Mitgefühl und der Wunsch, dass sich etwas ändert - all das begleitet in der Lausitz das Geschehen in Lützerath.

Sendung: Antenne Brandenburg, 12.01.2023, 16:40 Uhr

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