Meinung: Contra | Früherer Kohleausstieg - "Kohle und Gas sind lebensnotwendig für eine Industrienation"

So 08.01.23 | 14:27 Uhr | Von Andreas Rausch
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Erde wird auf einem Förderband im Tagebau transportiert. (Quelle: dpa/Fabian Strauch)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.01.2023 | Bild: dpa/Fabian Strauch

Noch so viele Windräder und Solarflächen helfen nicht weiter: Solange es keine Energiespeicher im Industriemaßstab gibt, muss die Grundlast mit konventionellen Kraftwerken abgesichert werden. Sonst droht Dunkelheit, meint Andreas Rausch

Zum Hintergrund: Im Jahr 2038 ist in Deutschland Schluss mit der Kohleverstromung. Dies haben Bundestag und Bundesrat im Sommer 2020 beschlossen. Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) möchte früher vom Netz und zeigt nach NRW, wo es laut Habeck einen weitgehenden gesellschaftlichen Konsens über einen Ausstieg 2030 gäbe. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) pocht hingegen auf die Versorgungssicherheit.

Früher aussteigen aus der Braunkohle – lassen sie uns darüber an dunklen Abenden diskutieren, wenn der Strom mal wieder abgeschaltet werden muss, weil das Angebot grad knapp ist. Schwarzmalerei? Ich nenne es Physik.

Es gibt nun mal Energiequellen, die mal da sind und mal nicht, vor allem Wind und Sonne. Die andere Hälfte im Strommix liefert bislang unabhängig vom Wetter konstant: Atom, Kohle, Gas. Diese Konstanz, die sogenannte Grundlast, ist für eine Industrienation wie Deutschland lebensnotwendig.

Ohne Backup droht Dunkelheit

Der Kohleausstieg ist gesellschaftlicher Konsens, mühevoll errungen, auf 2038 terminiert, etappenweise auf seine Realisierbarkeit zu überprüfen. Lohnt es, diesen Konsens aufs Spiel zu setzen? Wird Deutschland mit seinem 2,5 prozentigen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß damit die Welt vor dem Untergang retten? Ich polemisiere, Entschuldigung.

Machen wir uns nichts vor. Die Ampel-Klimaschutzpläne sind Zeitenwende-Opfer geworden. Putins Krieg, Gaslieferstopp, Ölwende, Energieknappheit. Alte Meiler werden wieder hochgefahren. Deutschland buckelt sich Gaslieferanten aus aller Welt herbei.

Nach erster Krisenbewältigung musste nun offenbar ein Zeichen für die beunruhigte Klientel her, was Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) prompt geliefert hat. Der Haken ist wieder physikalisch: Wir können noch so viele Windräder und Solarflächen bauen, solange es keine Energiespeicher im Industriemaßstab gibt, oder Wasserstoff als Ersatz marktreif ist, muss die notwendige Grundlast mit konventionellen Kraftwerken abgesichert werden. Als Backup, sonst droht Dunkelheit. Bisher galt billiges Gas aus Russland dafür als Brückentechnologie. Das hat sich gründlich erledigt.

Was wird bei Flaute und Dunkelheit?

Und aus der Atomkraft steigt Deutschland im Frühjahr endgültig aus - übrigens eine CO2-freie Form der Energieerzeugung. Sie erinnern sich an den Strommix? Es bliebe am Ende nur die Kohle – und hier 2030 dicht zu machen mit dem Verweis auf ökonomische Unrentabilität (was glauben Sie, wieviel horrend teures Gas wir im letzten Jahr für Stromerzeugung verbrannt haben?) – was wird dann bei Flaute und Dunkelheit?

Ja gut, dann importieren wir bei Dunkelflaute eben, was wir bekommen können. Vielleicht gibt's ja dann wieder Atomstrom aus Frankreich, oder Kohlestrom aus Polen oder Tschechien. Was soll's - ist ja deren Problem. Solange unsere Klimabilanz sauber bleibt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.01.2023, 10:00 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

75 Kommentare

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  1. 75.

    Ja, er sprach von Kernfusion nicht von Kernspaltung. Bei der Kernfusion entsteht Radioaktivität nur an den Wänden des Plasmagefäßes durch den begleitenden Neutronenbeschuss. Einige Physiker meinen, dass sich die Neutronenabgabe bei der Kernfusion mit Helium 3 als Brennstoff vermeiden ließe und die Energieausbeutung maximal wäre.
    Wie auch immer, sorgen entsprechende schwachaktivierbare Materialien dafür, dass die Halbwertszeit nur wenige Jahrzehnte bis ein Jahrhundert beträgt.
    Das sind nun wirklich beherrschbare Zeitskalen der kontrollierten Endlagerung. Und der Clou, Kernfusion ließe sich im Havariefall vollständig abschalten. Da muss nichts jahrelang mit Unmengen von Wasser gekühlt werden.
    Das versuchen sie mal mit den derzeitigen Kernkraftwerken und einmal aktivierten Brennstäben. Bumm!!

  2. 74.

    Unsere Energiewenden sind allesamt kläglich gescheitert. Es ist an der Zeit Fachleute mit dieser Aufgabe zu beauftragen.Hierbei darf
    Ideologie nicht der Motivator sein.Eine Energiewende muß den Anforderungen für sozialen Frieden, als auch den Anforderungen eines nachhaltigen
    Klimaschutz entsprechen .Hierfür ist wichtig was technisch machbar ist.Für eine nachhaltige Klimapolitik wird in der Übergangszeit
    ein Energiemix nötig sein.Eine Klimapolitik,die nur durch Aktionismus geprägt ist,ist hier fehl am Platz. Eine Energiewende ist erforderlich,aber sie darf nicht unseren sozialen Frieden gefährden. Die jüngste Vergangenheit zeigt die Gefahren .

  3. 73.

    Eine Schuldenhalbierung würde vielen Ländern wirklich helfen ohne andere arm zu machen. Außerdem: Ein guter Staat ist nicht so teuer wie unserer.

  4. 72.

    "dann hätten wir eine Lösung!" >echt jetzt? Ist das Endlagerproblem denn zufriedenstellend gelöst worden?

  5. 71.

    Na gut könnte man so interpretieren.
    Momentan sind aber Speicher bzw. Energiewandler auf Netzebene noch nicht wirtschaftlich betreibbar, weil der notwendige Überschuss billiger im Export oder Redispatch verschwindet.
    Als nächster Schritt muss sukzessive die importierte, fossile bzw. atomare Energie aus dem Netz verdrängt werden.
    Also auch noch nix mit Großspeichern oder wandeln.
    Speicher sind aktuell nur betriebswirtschaftlich auf Verbraucherseite nutzbar also um den Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen oder Lastspitzen zu kappen.
    Für die Netzstabilität reichen die Pumpspeicherwerke aus.

  6. 70.

    Fakt ist aber auch das unserer Wohlstand auf das ewige Wachstum basiert. Ohne das wegwerfen und neu kaufen kein Wachstum. Verantwortung zu übernehmen bedeutet auch die Ursachen zu benennen und zu beseitigen. Wir erleben ja schon eine wahnsinnige Flüchtlingsbewegung und unsere Reaktion ist nicht die Ursachen abzustellen sondern mit Knüppeln darauf einzuschlagen. Das ganze System in dem wir leben ist zu hinterfragen und erstaunlich wird über neue Gesellschaftsformen auch schon diskutiert. Alle scheitern aber an der Gier einzelner, sieht man ja an den PCR Test Skandal. Anstatt zu helfen stopfen sich einzelne Akteure die Taschen voll und das vermutlich ohne folgen. Bei der Diskussion um die Kohle und Gas läuft es genau so ab...

  7. 69.

    Bei Russland bin ich mir unsicher alle anderen eher nicht.
    China baut pro Jahr deutlich mehr PV zu als wir derzeit schon haben. Wind ist ebenfalls ein Thema.
    Indien wird der neue Krösus was Windenergie angeht. Herstellung und Anwendung.
    Südamerika hat viel Wasserkraft für Stromerzeugung, mind. Brasilien baut Wind hinzu. Sonne für Warmwasser ist seit Jahrzenten Standard.
    Afrika bleibt nix anderes als EE übrig, weil China alle Kohleprojekte im Ausland gestoppt hat.
    Wind Offshore Istzustand und Pläne weltweit:
    https://map.4coffshore.com/offshorewind/

  8. 68.

    Weil das Profitmaximum beim Kostenminimum liegt, welches gerade noch die Garantielaufzeit bedient. Man nennt diesen unerträglichen Zustand nicht umsonst Wegwerfgesellschaft. Das ganze schmückt man dann noch marketingtechnisch regelmäßig mit sich ändernden "Features" die eigentlich niemand wirklich braucht.
    Oder muss ihre Waschmaschine wirklich mit ihnen reden können? Benötigen sie wirklich jedes Jahr ein neues Smartphone. Ich könnte die Liste beliebig lange fortsetzen. Man nennt dieses Prinzip auch Hamsterrad.

  9. 67.

    Wie lange fuhren Sie ihren letzten asiatischen Verbrenner, bevor Sie sich einen neuen gekauft haben? Dass Ihre Ceranfeld noch top ist, glaube ich Ihnen gerne, fahren Sie doch z.B. schon zum Bratkartoffelessen an die Ostsee.

  10. 66.

    Weil wir dort Produzieren lassen bzw. dort Produkte kaufen. Wenn wir in Europa uns einig sind würden wir keine dieser waren in die EU importieren oder nur mit hohen Zöllen und mit der Auflage die Schäden zu kompensieren. Aber was passiert? Mit Hilfe der SPD wird das Lieferkettengesetz verwässert, damit betroffene dessen Menschenrechte missachtet oder durch die Umweltzerstörung geschädigt wurden hier Unternehmen nicht verklagen können. Mal weniger Ramsch beim Discounter einkaufen! Vor allen gezielt nachfragen woher die Produkte kommen und unter welchen Bedingungen diese Produziert wurden. Erster Schritt wäre die Gewährleistung auf 5 Jahre zu erhöhen, damit der Mist nicht genau nach 2 Jahren auseinander fällt. Aber die Wahrheit ist auch jene das der Verbraucher kein Interesse hat an Langlebigen Produkten, er will es immer billig haben möchte und es interessiert nicht woher die Produkte kommen. Die desolate Umwelt in China,Indien, Afrika ist auch unser Werk!

  11. 65.

    So manch unSinnige Studie des Ökonomen hat unter Fachleuten regelmä0ig für Kopfschütteln gesorgt. Vor einigen Jahren prophezeite er z.B., dass mit 20% EE bei uns die Lichter ausgehen werden. Voriges Jahr waren es knapp 50%. Richtig peinlich wird es, wenn er mit hoffnungslos veralteten Zahlen hausieren geht. Jenseits der Anhänger von Eike und Vernunftkraft nimmt den kaum noch jemand ernst.

  12. 64.

    Sehen Sie sich doch bitte nun den Vortrag von Prof. W. Sinn an, den er in der Uni München vor Weihnachten gehalten hat. Sehr umfassend; vieles toll erklärt. Im Publikum saßen viele bekannte Leute. Auch der neue ifo-Chef.

  13. 63.

    Immerhin; unser E-Herd und das Ceranfeld von BOSCH - damals Testsieger - gekauft 1995 ist immer noch untadelig und optisch fast wie neu. 30 Jahre ist bestimmt nicht die Schallmauer. Warum sind so viele E-Geräte schlechter als damals. ? Wir haben auch noch ein RG 25 aus DDR-Zeiten. Da dreht sich noch alles.

  14. 62.

    ...und dabei unsere Lebensgrundlage zerstören.

    Im Prinzip egal, ob heute, morgen oder übermorgen: mit endlichen Ressourcen geht es eh nicht unendlich weiter. Hätte man gleich als das Problem offenbar geworden war vor Jahrzehnten, damit begonnen es zu lösen, hätte man die endlichen Ressourcen als Übergangslösung ja weiter nutzen können und wir wären heute bereits unabhängig davon- bei sehr, sehr viel weniger CO2 in der Luft.
    Jetzt ist es zu spät- und in einigen wenigen Jahren werden wir uns fragen, wie wir so blöd sein konnten. Leider wird man dann viele Verantwortliche nicht mehr zur Verantwortung ziehen können.

  15. 61.

    Ihre 40% sind ja schon mal bedeutend mehr als wenn man die von der Natur zur Verfügung gestellte Energie zu o% nutzt.

  16. 60.

    Ja, das stimmt leider international ist der Beitrag Deutschlands verschwindend gering. Aber die Deutschen bilden schmal wieder ein, der Nabel der Welt zu sein. Die Zukunft wird zeigen, dass wir damit nicht wirklich etwas erreicht haben, außer die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands verspielt zu haben. Alle anderen großen (China, Indien, Afrika, Südamerika, Russland) machen nämlich so weiter wie bisher und die Umwelt kennt keine Grenzen.

  17. 59.

    "Netto-Wirkungsgrad <40% "

    Der Gesamtwirkungsgrad ist noch nicht an seiner physikalischen Grenze. Da ist technisch noch Luft nach oben. Die Australier haben ein Kapilarelektrolyseverfahren mit einem Wirkungsgrad von 98% entwickelt (Isolationsproblem bei direktem Kontakt der Elektrode):
    https://edison.media/energie/effizienz-durchbruch-bei-wasserstoff-elektrolyse/25229279/
    Kombiniert man dies mit der Jülicher Hochtemperatur-Brennstoffzelle:
    https://www.pro-physik.de/nachrichten/strom-zu-wasserstoff-und-wieder-zurueck

    Dann läge man schon bei 0,98*0,6=0,59. Ich denke hier geht in Richtung Brennstoffzelle schon noch einiges.

  18. 58.

    Schaut man sich auf der Welt um, dann fragt man sich ernsthaft, was es bringt, wenn Deutschland hier den Musterschüler macht. Asien, Afrika, Indien, China - überall ist der Grenznutzen eines Klimaschutz-Euros höher als in Deutschland. Wir sollten hier uns erst einmal auf andere Kontinente und Staaten konzentrieren.

  19. 57.

    Warum wirres Zeug, das ist der Status Quo. Es wurden eben keine Stromtrassen vom windreichen Norddeutschland zum energiehungrigen Süddeutschland installiert um einen größeren Teil der Energie in Echtzeit zu nutzen, stattdessen wird nun viel regenerative Energie einfach ungenutzt verschenkt.
    Wenn das der gegenwärtige Istzustand ist und die Beharrlichkeit gegen Stromtrassen weiterhin groß ist, dann sollte man wenigstens die überschüssige Energie in H2 kurz zwischenspeichern bevor man sie "wegwirft". Das H2 kann man dann zu den Endpunkten transportieren, dort einlagern und wieder wandeln.
    Das alles hat zwar einen beschisseneren Wirkungsgrad als leitungsgeführte Speisung, aber zumindest ist der besser als wenn man überhaupt nichts mit der verfügbaren Energie macht, der Wirkungsgrad also 0 wäre.

  20. 56.

    Mit der Technologie bin ich vertraut, aber einen Speicher mit einem aktuell Netto-Wirkungsgrad <40% ordne ich nicht unter effektiv (und damit industriell nutzbar) ein.

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