Krisen, Kostenexplosion, Konkurrenz - "Jeden Tag verlieren wir in der Hauptstadt ein Taxifahrzeug"

Fr 05.08.22 | 06:35 Uhr | Von Georg-Stefan Russew
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Taxis stehen an einem Taxistand am Potsdamer Platz. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)
Audio: rbb24 inforadio | 05.08.2022 | Jan Thomsen | Bild: Monika Skolimowska/dpa

Das Berliner Taxigewerbe gerät durch die vielen Krisen wie Corona, horrende Spritpreise und die steigende Inflation unter Druck. Es fordert vom Senat, die Tarife fix anzuheben und die Konkurrenz mehr zu kontrollieren. Von Georg-Stefan Russew

Berliner Taxi-Unternehmer haben in den vergangenen zwei Jahren kräftig Federn lassen müssen. "Anfang 2020 hatten wir noch rund 8.300 Taxen in Berlin. Aktuell sind es nur noch 5.600", klagt Hermann Waldner, Taxi-Unternehmer in der Hauptstadt. Zugleich vertritt er als Vize-Präsident des Bundesverbands Taxi die Geschicke seines Berufsstands auf Bundesebene. Wenn der Senat jetzt nicht schnell die Taxitarife anhebe, drohe vielen Betrieben das Aus, sagt er.

Kostensteigerungen von bis zu 20 Prozent und mehr

"Die Sorgen sind groß", betont Waldner. Durch die Corona-Krise seien viele Unternehmen nur durch das Aufbrauchen der Rücklagen gekommen. Dann sei das Geschäft wieder angelaufen. Aber rasant gestiegene Kraftstoffpreise, eine grassierende Inflation sowie die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober auf zwölf Euro pro Stunde "sind schlichtweg nicht zu stemmen. Kostensteigerungen von bis zu 20 Prozent und mehr müssen wir auffangen", rechnet Waldner vor.

"Jeden Tag verlieren wir in der Hauptstadt ein Taxifahrzeug", sagt auch der Vorsitzende der Berliner Taxi-Innung, Leszek Nadolski. Für viele Taxi-Unternehmer in der Hauptstadt gehe es um die "nackte Existenz". Oft rechne sich das Geschäft nicht mehr. Dazu kommt vor allem in Berlin die unregulierte Konkurrenz durch Mietwagen-Unternehmen und Fahrdienstvermittler wie Uber & Co. Es müsse etwas passieren, so Nadolski.

Gesamtsystem müsse verändert werden

Auch wenn die Anhebung der Taxitarife eventuell potenzielle Fahrgäste abschrecke, sei diese unumgänglich, wenn sich im Gesamtsystem nicht etwas Grundsätzliches verändere, betonen Waldner und Nadolski.

Erste deutsche Kommunen haben reagiert und ihre Tarife angehoben. Taxifahren ist so vielerorts bereits teurer geworden. In Berlin steht eine solche Entscheidung des Senats noch aus.

"Dazu muss man wissen", betont Waldner, "dass Taxen Teil des öffentlichen Personen-Nahverkehrs sind." Das ziehe zahlreiche Pflichten für Taxi-Unternehmer nach sich. So müssten Taxen rund um die Uhr fahren, damit jeder, der es möchte, 24 Stunden am Tag mobil sein kann. "Wenn jetzt ab Oktober der Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde kommt, dann müssen lange Warte- und Bereitschaftszeiten auch mit einem höheren Stundenlohn bezahlt werden", sagt Waldner. Aber die Einnahmeseite habe sich nicht verändert. Als Teil des ÖPNV könnten Taxifahrer auch nicht ihre Tarife anpassen.

"Wir sind das Stiefkind des ÖPNV"

"Wir sind das Stiefkind des ÖPNV. Wir müssen alles selbst erwirtschaften. Wir werden nicht wie die BVG vom Land subventioniert", sagt Innungs-Chef Nadolski. "Wir müssen immer fahren und können uns unsere Fahrgäste nicht wie Uber und Co. aussuchen, denn wir haben Beförderungspflicht."

"Wenn sich in Berlin in Sachen Tariferhöhung bis spätestens Oktober nichts tut, werden wir eine riesige Pleitewelle bei Taxi-Unternehmen erleben", mahnt Leszek Nadolski. Er selbst habe den Kampf gegen Uber & Co. aufgegeben. Da sei die Politik gefragt, Chancengleichheit herzustellen. Wenn man Taxen als Teil des ÖPNV wolle, müsse Berlin auch dafür etwas tun. Schließlich bestelle das Land mit Regionalisierungsmitteln auch den regionalen Bahnverkehr. Analog könne ein ähnliches System bei Taxen etabliert werden. Schließlich, so Nadolski, erfüllten Taxen einen öffentlichen Auftrag.

Auch ließe sich die Preisspirale nicht endlos nach oben drehen, sagt Nadolski weiter. Entweder sorge der Berliner Senat mit mehr Kontrollen von Mietwagenunternehmen und anderen für einen fairen Wettbewerb oder man unterstütze Taxiunternehmen mit staatlichen Geldern, fordert er.

Keine Regionalisierungsmittel vom Senat - aber Gespräche zur Tariferhöhung liefen

"Taxen erfüllen nicht nur in Berlin eine wichtige Aufgabe", sagt der Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, Jan Thomsen. Gleichwohl seien der Verkehrsverwaltung in Sachen Regionalisierungsmittel für die Taxibranche die Hände gebunden. Dieser Topf sei für die Bestellung des Schienen-Personennahverkehrs da, so Thomsen. Zudem sei dieser vollkommen ausgereizt.

In Sachen Tariferhöhung - aufgrund sehr viel höherer Spritpreise und der Anhebung des Mindestlohns - sehe die Lage aber anders aus. Hier sei man bereits mit allen Seiten im Gespräch, sagt Thomsen. Wie schnell es hier zu einem Abschluss komme, sei aber offen, weil sehr viele Aspekte zu beachten seien. Unter anderem müsse man sich in Sachen Flughafentarif mit dem Landkreis Dahme-Spreewald abstimmen. Hier seien vor Kurzem einheitliche Tarife für Berliner Taxifahrer und ihre Berufskollegen aus Dahme-Spreewald eingeführt worden. "Da braucht es Abstimmungsbedarf."

Und dann werde zudem auch über Festpreise diskutiert, sagt Thomsen. Hiervon versprechen sich Taxi-Unternehmer mehr Transparenz zu Mitwettbewerbern, so Nadolski. "Umleitungen oder längere Wege müssten so nicht von den Fahrgästen getragen werden", sagt der Chef der Berliner Taxi-Innung. Diese seien für Kunden und Taxifahrer eine "gute Sache", weil transparent.

Für den Senat sei dieser Vorstoß keine neue Sache, sagt Thomsen. Im Rahmen der Einführung des Flughafentarifs sei bereits hierüber diskutiert worden. Letztlich sei man diesem Vorstoß nicht gefolgt.

Jetzt liegen die Festpreise im Rahmen der Tarifrunde erneut auf dem Verhandlungstisch. Nun orientierten sich die Vorschläge der Taxibranche am neuen Münchner Modell, sagt Nadolski. Per Reichweitentarif könne dort innerhalb eines Umkreises von 5, 10 und 45 Kilometer zu einem Festpreis gefahren werden. Bei Fahrantritt müsse nur der Wunsch nach diesem neuen, transparenten Tarif geäußert werden.

"Ob die hier kommen, müssen wir mal schauen", betont Thomsen. Es liege letztlich daran, ob diese in Berlin gut umsetzbar und ob sie ein "faires Angebot an Kunden" seien. Ob man bis Oktober mit den Verhandlungen durch sei, müsse man sehen. "Wir arbeiten jedenfalls mit Hochdruck daran."

Senat will mit verstärkten Kontrollen im Mietwagen-Bereich reagieren

Dagegen sei man am Thema Kontrollen der Mietwagen-Branche dran, sagt Thomsen weiter und verweist auf einen aktuellen Fall vom Mittwoch. Hier sei einem Geschäftsführer wegen illegalen Betreibens eines Mietwagen-Unternehmens ein Bußgeld in Höhe von einer halben Million Euro aufgelegt worden.

Das Unternehmen soll von August 2021 bis März 2022 mehr als 100.000 Fahrten über Vermittlungsplattformen mit rund 160 Fahrzeugen durchgeführt haben, ohne die dafür erforderliche Genehmigung zu besitzen, hieß es weiter. Dies sei durch Kontrollen des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) und der Polizei Berlin aufgedeckt worden.

Überdies sei schon länger bekannt, dass einzelne Mietwagen ohne Genehmigung in der Stadt unterwegs seien, sagt Thomsen weiter. Bisherigen Ermittlungen zufolge hätten die Unternehmen bei der Registrierung gefälschte Unterlagen vorgelegt. Der aktuelle Fall sei der erste in einer Reihe weiterer Verfahren, in denen das Amt ermittle, so Thomsen. "Und wenn wir das verschärfter machen, dann wird sich auch dort etwas bereinigen."

Sendung: rbb24 inforadio, 05.08.2022

Beitrag von Georg-Stefan Russew

64 Kommentare

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  1. 64.

    Für die die es nicht wissen..
    Mietwagen zahlt 19 % UmSt. Taxi 7%. Mietwagen zahlt ca. 30% Provision an Vermittler Taxi 7% an UBER. Taxi kann überall Fahrgäste mitnehmen (Winker, Bhf. Halteplätze) UBER muss zurück zum Betriebssitz. Wie können die dann überhaupt überleben? Tscha, denkt mal nach..

  2. 63.

    Uber ist mir sowas von wurscht. Ich nehme immer den Taxiruf und mache durchweg gute Erfahrungen.
    Ausreißer gibt's ja überall, aber ich finde, durch die Konkurrenz reißen sich mehr und mehr Taxidriver mächtig am Zippel und das merkt man als Fahrgast. Und da die Kosten für uns alle steigen, darf ich nicht erwarten, dass in diesen Zeiten die Beförderung günstiger wird. Dann wäre ich nicht besser als andere Billigheimer, die meinen, für 19€ durch Europa fliegen zu müssen.

  3. 62.

    Aus welchem Grund sollte die BVG/der Senat mit dieser Branche fusionieren, wie Sie es vorschlagen? Taxen bzw. deren Fahrer sind privatwirtschaftliche Dienstleister, die sich am Markt orientieren müssen. Der Senat hat doch nicht die Aufgabe, den Taxlern Aufträge zuzuschustern und ihnen damit eine Arbeitsgarantie und wirtschaftliche Vorteile gegenüber bsw. Uber zu verschaffen. Das würde m. E. auch keiner rechtlichen Prüfung standhalten.

    Und Ihr Beispiel mit der Fahrt von der Waldbühne nach Marzahn, finde ich schon etwas kurios. Denn Sie haben der Taxe doch nahezu den selben Preis bezahlt, der Sie bei Uber so empört hat. Zudem handelte es sich doch um eine "Ausnahmesituation", da eben hunderte Konzertbesucher von dort aus abgeholt werden wollte. Im Normalbetrieb ist Uber m. W. grundsätzlich preiswerter als Taxi.

  4. 61.

    Es ist schon ein bisschen her, wo die wöchentliche Taxi Fahrt vom TXL nach Hause einem Dreh am Glücksrad schien. Die meisten Fahrer kannten noch nicht mal die Hauptstraßen und mussten ihr Navi bemühen. Kommunikation war auch oft schwierig, sodass ich wenn ich nur Handgepäck dabei hatte lieber mit dem TXL gefahren bin. Zugegeben es gab auch positive Ausnahmen, aber die wurden immer seltener. Insofern geht mir dieses selbst verschuldete scheiße Gejammere der Taxi Lobby ziemlich auf den Docht, denn es gibt kein Gewerbe für den den der Spruch mehr gilt: geht mit der Zeit, sonst geht ihr mit der Zeit...

  5. 60.

    Naja, manchmal, wenn man krank ist und zu Nachkontrollen ins Krankenhaus muss, zum Beispiel nach einer Augen-OP(man kann nicht ausreichend sehen), dann ist man verdammt dankbar, wenn ein Taxifahrer einen quer durch die ganze Stadt fährt.....

  6. 59.

    Ich würde als Senat versuchen das die Wasserköpfe bei der BVG UND dem Taxiverband endlich mal wirklich zusammen arbeiten und das 365Tage 24 Stunden dazu müsste die Vermittlung der BVG und Taxen eben gemeinsam in einer Zentrale arbeiten und dann könnte der Bedarf wo gerade nötig von Taxen übernommen werden je nachdem wer entsprechend in der Nähe ist und Rufbusse die oft unwirtschaftlich sind von einer Taxe übernommen werden so das kostendeckend gearbeitet wird.
    Den Ausgleich dann vom Senat .

  7. 58.

    Lesen Sie eigentlich oder tuen Sie nur so 56,70€ Taxi und Uber 65€ kann ich nicht rechnen oder Sie ?
    Wissen Sie überhaupt wie bei Uber Preis zustande kommt?
    Der wechselt nämlich je nach Nachfrage wenig Bedarf billiger um den gerechten geregelten Taxitarif der übrigens festgelegt ist 24 Stunden auch an Feiertagen immer gleich und nicht schwankend so große Nachfrage wie bei meinem Fall nach Konzert entsprechend Teuer.

  8. 57.

    Ich lese ja unter anderem den Tagesspiegel und komischerweise steht da das Uber Rote Zahlen schreibt.
    Und übrigens lesen Sie mal meinen Kommentar wo ich mal nachts nach Konzert Uber ausprobieren wollte und es stellte sich raus da grosser Bedarf an Fahrgästen Uber 65€ für exakt die gleiche Fahrt 2 Personen 56.70€ im Taxi uns kosteten.
    Das ist nämlich die Wahrheit in Wirklichkeit ist Uber teurer und versucht in Nicht guten Zeiten mit wenig Bedarf durch Dumpingpreise Taxen es schwer zu machen

  9. 56.

    Warum und wer sollte denn Uber „trockenlegen“ wollen? Dafür gibt es gar keinen Grund. Und fehlender Versicherungsschutz? Aus welcher Zeit kommen sie denn bitte?

  10. 55.

    Das ist bei den Taxifahrern auch nicht anders. Übrigens sind 450 Eur eine Pauschale

  11. 54.

    Man k ö n n t e Uber trockenlegen durch Kundenboykott, aber Kunden wollen die billige Uber-Beförderung ohne Versicherungsschutz.

  12. 53.

    Nö, einfach kein Bock auf andere, schwitzende und riechende Menschen.

    Muss man nicht wirklich haben.

    Das ist kein Luxus, sondern Selbstschutz!

  13. 52.

    80er waren die Besten, unbestritten.

    Ich habe keine Lust mit anderen ein Taxi zu teilen und Zeit zu verschwenden.

    E-Taxi ist schon sehr gut.

  14. 51.

    Ich habe nichts gegen uber aber über die Hälfte sind illegal als minijob angemeldet aber arbeiten 12 Std am tag , ich werde öfters angesprochen von uberfahrern wenn ich nach hause fahren möchte

  15. 50.

    Niemand braucht heute eine Funkzentrale oder eine Taxigenossenschaft mehr. Wenn die Taxiunternehmen ihr Geschäftsmodell überdenken und der heutigen Zeit anpassen, könnten die Tarife wieder auf den Boden der Normalität zurückkehren

    Nur Jammern können die Taxifahrer gut. Aber wer am lautesten jammert. dem geht's auch sehr gut...

  16. 49.

    Daher werden die Berliner Taxen immer mehr vom Markt verschwinden und andere Unternehmen werden sich durchsetzen.

    Diese Unternehmen haben übrigens die gleichen Kosten und schaffen es dabei Gewinne zu erwirtschaften.

    Bisher fürchten die Taxiunternehmen die Konkurrenz wie der Teufel das Weihwasser.

    Letztlich entscheidet der Kunde. was er nutzt. Wenn UBER ect so mies wären, warum steigt deren Umsatz unaufhörlich? Und günstiger ist der Tarif bei vergleichbaren kosten auch.

  17. 48.

    Zwischen der BVG und den Taxiunternehmen gibt's wohl erhebliche Unterschiede. Der Senat darf Taxiunternehmen nicht unterstützen. Das ist auch nicht nötig. Taxiunternehmen agieren auf dem freuen Markt. Wenn sie da nicht bestehen, gegen sie halt unter.

    Übrigens sind Uber Tarife deutlich geringer als die der Taxen.

    Schon komisch, dass die Taxiunternehmen Konkurrenz fürchten.

    Letztlich hat das Geschäftsmodell Taxi zu den aktuellen Bedingungen ausgedient. Viel zu teuer. unfreundliche Fahrer ect

  18. 47.

    "Wer die Dienste in Anspruch nimmt, außer dass er sie aus gesundheitlichen Gründen nutzen muss, hat ein echtes Luxusproblem."
    Oder er muss einfach mit viel Gepäck zum nächsten Fernbahnhof.
    Nur mal so ein Beispiel, das zufällig mich ab und zu betrifft. Bei bald vier Millionen Berlinern mag es sogar noch ein paar andere Gründe geben, Taxi zu fahren.
    Über sowas erstmal nachdenken, ehe man so ein Pauschalurteil verbreitet?

  19. 45.

    Wenn Sie grundsätzlich nicht einsteigen, wie wollen Sie dann Taxis und Taxifahrer beurteilen?
    Die Klischees, die Sie hier hervorholen, kenne ich nicht. Wenn ich mit dem Taxi fahre, bin ich immer zufrieden.
    Aber manchen Leuten hier scheint die Branche ein Dorn im Auge zu sein, aus welchen Gründen auch immer.
    Aber wer grundsätzlich gar nicht Taxi fährt, kann es ja nun wirklich schlecht beurteilen...

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