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Video: rbb24 Abendschau | 07.03.2024 | Julia Kubowicz/Philipp Höppner | Quelle: picture allaince/R.Keuenhof

Tarifstreit

Streiks bei Bahn und Lufthansa verursachen große Einschränkungen

Hunderttausende Reisende und Pendler stehen in den kommenden Tagen vor massiven Einschränkungen. Bei der Deutschen Bahn und bei der Lufthansa wird gestreikt. Diskutiert wird der harte Kurs von GDL-Chef Weselsky.

Bahn- und Flugreisende müssen aufgrund des Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) und des parallel stattfindenden Ausstands beim Lufthansa-Bodenpersonal seit Donnerstagmorgen erhebliche Einschränkungen im Zug - beziehungsweise Flugverkehr hinnnehmen.

Auswirkungen auf den Bahnverkehr in Berlin und Brandenburg

So führt der GDL-Streik seit dem frühen Morgen auch im S- und Regionalbahnverkehr in Berlin und Brandenburg zu erheblichen Einschränkungen. Im Berliner Innenstadtring kommt nahezu der gesamte S-Bahn-Verkehr zum Erliegen, wie die Bahn mitteilte. Lediglich die Außenbezirke versucht die Bahn mit längeren Taktungen anzubinden.

Demnach ist etwa ein 60-Minuten-Takt auf den Linien S1 (Birkenwerder-Nordbahnhof), S2 (Bernau-Anhalter Bahnhof), S25 (Hennigsdorf-Nordbahnhof), S3 (Erkner-Ostbahnhof) und S46 (Königs-Wusterhausen-Bundesplatz) eingerichtet. Die S5 im Abschnitt Strausberg Nord bis Ostbahnhof fährt laut Bahn alle 40 Minuten, während nur die S9 zwischen Flughafen BER und Friedrichstraße unverändert im 20-Minuten-Takt fährt.

Wie schon bei den letzten Bahnstreiks sind die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) vom Bahnstreik nicht betroffen. Allerdings können U-Bahnzüge, Straßenbahnen und Busse voller werden als üblich, warnt das Unternehmen.

Tarifverhandlungen

GDL kündigt Streiks ab Donnerstag an - Bahn spricht von Gefährdung des Eisenbahnsystems

Die Lokführergewerkschaft GDL und die Bahn haben sich im Tarifkonflikt nicht geeinigt. Deshalb ruft die GDL zu "Wellen-Streiks" auf. Der Personenverkehr ist ab Donnerstag betroffen. Folgende Streiks sollen nicht mehr vorab angekündigt werden.

Vollständiges Fernverkehr-Angebot erst wieder ab Samstag

Zu den Einschränkungen im Regionalbahnverkehr machte die Bahn zunächst keine konkreten Angaben. Generell erklärte Bahnsprecher Achim Stauß am Donnerstag, dass "unser Fahrplan, unser Grundangebot an Zügen heute Morgen wie geplant angelaufen ist". Genaueres könnten Fahrgäste einem Notfallfahrplan entnehmen, ob ihr Zug fährt oder nicht. Das sei beispielsweise über die Online-Plattformen der Bahn möglich.

Zudem erklärte Stauß, dass die Bahn im Fernverkehr besonders lange Züge einsetzt, "damit möglichst viele Fahrgäste ans Ziel kommen". Bei den vergangenen Streiks der GDL hat die Bahn nach eigenen Angaben etwa ein Fünftel der sonst üblichen Fernzüge anbieten können. Die Fahrgäste seien zudem wie bei vorigen Streiks vorbereitet. "Wie hier am Berliner Hauptbahnhof ist heute nicht viel los an den Bahnhöfen", sagte Strauß am Morgen. Das werde auch am Freitag so sein, da soll der Ausstand bis 13 Uhr offiziell dauern. Der eingeschränkte Fahrplan werde aber noch den ganzen Freitag über gelten, hieß es. Erst am Samstag beabsichtigt die Bahn wieder mit dem vollständigen Zugangebot unterwegs zu sein.

Es sei für das Wochenende deshalb von einem starken Nachholbedarf auszugehen. Die IC- und ICE-Züge der Deutschen Bahn würden dann recht voll sein. Bahnsprecher Stauß empfahl Platzreservierungen insbesondere für Samstag.

Private Bahnunternehmen unterwegs

Die Züge der privaten Ostdeutschen Eisenbahn (Odeg) sind nach Beobachtungen von rbb-Reportern im Einsatz und auch in den Online-Fahrplänen des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg [vbb.de] werden sie gelistet. Gleiches gilt für die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB). Ein Unternehmenssprecher sagte rbb|24, dass man unterwegs sei und bislang keine Störungen gemeldet wurden.

Donnerstag und Freitag

Verdi bestreikt Lufthansa erneut am Boden - Passagiere betroffen

Ein neuer Verdi-Warnstreik wird in dieser Woche erneut auch Passagiere der Lufthansa betreffen: Die Gewerkschaft hat das Bodenpersonal für Donnerstag und Freitag zu einem Ausstand aufgerufen.

Knapp 40 Lufthansa-Flüge am BER fallen aus

Neben der GDL befinden sich seit Donnerstagmorgen auch Arbeitnehmervertretungen der Lufthansa im Streik. Hier ist das Bodenpersonal der Airline nach einem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in einem bundesweiten Warnstreik getreten. Nach Angaben des Unternehmens sind bundesweit mehr als 200.000 Passagiere betroffen. So fallen am Flughafen Berlin-Brandenburg BER am Donnerstag knapp 40 Flüge in Schönefeld aus.

Laut der Internetseite des Flughafens [ber.berlin-airport.de] wurden fast alle Verbindungen von und nach Frankfurt am Main und München gestrichen. Nur sechs Starts und sieben Landungen sind geplant.

Etwa 100 Beschäftigte versammelten sich am Donnerstag zu einer Kundgebung der Gewerkschaft Verdi am Flughafen BER. Sie forderten höhere Löhne sowie eine Angleichung der Arbeitszeiten in West und Ost.

Verdi-Sprecher Enrico Ruemker sagte dem rbb im Anschluss an die Kundgebung, dass das letzte Angebot der Lufthansa aufgrund einer längeren Laufzeit sogar noch schlechter sei als das davor. Er nannte es zudem beschämend für die Lufthansa, dass 34 Jahre nach der Wiedervereinigung die Kollegen in Ostdeutschland jede Woche zweieinhalb Stunden mehr arbeiten müssten als im Westen und das bei gleicher Bezahlung. Der Warnstreik soll bis Samstag, 7:10 Uhr dauern.

Derweil teilte GDL-Chef Claus Weselsky mit, dass es wegen der gleichzeitigen Streiks bei der Lufthansa und der Bahn keine Abstimmungen gegeben habe. "Wir haben keine Absprachen mit Verdi", sagte Weselsky im Bayerischen Rundfunk.

Demnächst sind "Wellenstreiks" möglich

Der Tarifkonflikt zwischen der GDL und der Bahn war zuletzt wieder eskaliert. Beide Seiten hatten sich nach mehreren Streiks noch Anfang Februar auf Verhandlungen geeinigt, die aber vor wenigen Tagen scheiterten. Die GDL rief am Montag ihre Mitglieder zu neuen Streiks auf - im Güter- und Personenverkehr soll der Arbeitskampf jeweils 35 Stunden dauern.

Im Anschluss sollen "Wellenstreiks" folgen, wie GDL-Chef Weselsky sagte. Arbeitskämpfe bei den Betrieben der Deutschen Bahn seien dann jederzeit und ohne Vorwarnung möglich. Bisherige Streiks hatte die GDL stets 48 Stunden im Voraus angekündigt. "Damit ist die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr", sagte Weselsky am Montag.

Arbeitszeit bei Bahn-Unternehmen

Die 35-Stunden-Woche - eine Investition in die Zukunft?

Der private Eisenbahnanbieter Netinera macht möglich, was die Deutsche Bahn bisher ablehnt: eine 35-Stunden-Woche im Schichtdienst - bei vollem Lohnausgleich. Netinera hofft, so Nachwuchs in die Branche locken zu können. Von Anke Hahn

Im Gespräch mit dem rbb24 Inforadio versuchte der GDL-Chef am Donnerstag seine Aussagen abzumildern, auch mit Blick auf die Osterferien. "Also erstens werden wir nicht unangekündigt streiken, sondern verkürzen nur die Ankündigungsfrist. Zweitens ist Ostern durchaus noch ein paar Tage hin." Deshalb könne er nicht sagen, ob über Ostern gestreikt wird.

Für Weselsky komme es darauf an, ob sich "das DB-Management weiter so stur stellen kann". Auch die in den festgefahrenen Konflikt als Moderatoren eingeschalteten Ex-Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (beide CDU) hätten es nicht geschafft, die Parteien zusammen zu bekommen. "Warum? Die Deutsche Bahn will ein Extrasüppchen. Und das wird sie nicht bekommen, denn die eigenen Beschäftigten stellen ihnen den Stuhl vor die Tür", so Weselsky im rbb24 Inforadio. Die Deutsche Bahn sieht das anders, Weselsky sei derjenige, der nicht mehr gesprächsbereit sei.

Weselsky räumt "Denkfehler" ein, bleibt aber bei seiner Position

Der GDL-Chef hatte zuvor weiteres Unverständnis mit einer falschen Darstellung von einem Vermittlungsvorschlag in den Bahn-Tarifverhandlungen ausgelöst. De Maizière und Günther hatten einen Kompromissvorschlag unterbreitet. Der sah eine Absenkung der Wochenarbeitszeit in zwei Schritten auf 36 Stunden bis 2028 bei vollem Lohnausgleich vor. Die Bahn hatte den Vorschlag angenommen. Die GDL lehnte jedoch ab.

Weselsky stellte den Vorschlag der Schlichter am Montag zunächst anders dar: Sie hätten eine Absenkung auf lediglich 37 Stunden bei vollem Lohnausgleich ins Spiel gebracht. Eine weitere halbe Stunde Reduzierung wäre lediglich optional und mit finanziellen Einbußen für die Beschäftigten verbunden gewesen. In der "Süddeutschen Zeitung" räumte Weselsky am Dienstag ein, ihm sei bei dieser falschen Darstellung ein "Denkfehler" unterlaufen. Das ändere aber nichts an seiner Haltung, betonte er.

Die GDL fordert, eine Stunde mehr bei der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden herunterzugehen. Zu dem Mediatorenpapier sagte Weselsky am Donnerstagmorgen im Interview mit dem rbb24 Inforadio: "Ich habe keinen Denkfehler bei der Bewertung des Mediatorenpapiers." Da seien so viele Elemente enthalten gewesen, die die GDL nicht akzeptieren konnte. "Daher haben wir das Papier abgelehnt", stellte der GDL-Chef klar. Ein Tarifkonflikt sei nicht nur isoliert auf die Wochenarbeitszeit zu betrachten, sondern ganzheitlich.

Der Bundesverband Schienennahverkehr hatte am Mittwoch mitgeteilt, es dürfe nicht passieren, "dass Millionen Fahrgäste ab Donnerstag" wegen eines Denkfehlers "erneut nicht zur Arbeit kommen können, weil streikbedingt keine Züge fahren". "Umso unverständlicher ist es für uns, dass man auf Maximalforderungen beharrt, sich um keinen Millimeter bewegt, aufsteht und die Verhandlungen verlässt", sagte ein Bahnsprecher am Mittwoch in Berlin.

Auch Kabinenpersonal der Lufthansa will streiken

Die Lufthansa sprach von einer "nächsten Eskalation innerhalb weniger Tage". Erst in der vergangenen Woche hatte Verdi drei Tage lang im Bereich Technik und einen Tag im Bereich Fracht gestreikt, das Passagiergeschäft war davon nicht betroffen. Zuvor hatte es Anfang und Mitte Februar jeweils 27-stündige Streiks gegeben, die den Flugverkehr der Airline weitgehend lahm gelegt und tausende Reisende betroffen hatten.

Die Gewerkschaft fordert mit Verweis auf Rekordgewinne der Lufthansa sowie der Arbeitsverdichtung für die rund 25.000 Beschäftigten am Boden mindestens 500 Euro mehr im Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Das bisherige Angebot des Konzerns weist die Gewerkschaft vor allem wegen der darin vorgesehenen langen Laufzeit von 27 Monaten zurück. Die Tarifverhandlungen sollen am 13. und 14. März fortgesetzt werden.

Tarifkonflikt

Nach der Lufthansa-Technik wird nun der Frachtbetrieb bestreikt

Derweil müssen Lufthansa-Passagiere mit Streiks einer weiteren Berufsgruppe rechnen: Kurz vor Beginn der fünften Verdi-Warnstreikwelle am Boden haben am Mittwoch die Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen mit einer deutlichen Mehrheit von mehr als 96 Prozent für Streiks gestimmt. Das haben die Urabstimmungen bei der Lufthansa und ihrer Regionaltochter Lufthansa Cityline ergeben, wie die Gewerkschaft Ufo am Mittwoch in Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt bekannt gegeben hat. Über ein mögliches Streik-Szenario und einen Termin soll später entschieden werden.

Für die rund 18.000 Kabinenbeschäftigten der Lufthansa und die knapp 1.000 Kräfte der Cityline fordert Ufo im Kern 15 Prozent mehr Geld bei einer Vertragslaufzeit von 18 Monaten. Außerdem will die Gewerkschaft eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro sowie höhere Zulagen erreichen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.03.2024, 19:30 Uhr

 

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