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Quelle: dpa/Stratenschulte

Interview | Fahrrad-Diebstahl

"Wer sein Fahrrad liebt, sollte sich ein Schloss mit Sicherheitsstufe zehn kaufen"

Jährlich werden Tausende Fahrräder in Berlin gestohlen - einige davon kosten mehr als ein Gebrauchtwagen. Einen absoluten Schutz gibt es nicht, doch man kann den Dieben das Leben schwerer machen, sagt Karl Grünberg vom ADFC Berlin im Interview.

rbb|24: Herr Grünberg, wie viele Schlösser hängen an Ihrem Fahrrad?

Karl Grünberg: Ich fahre ein E-Lastenrad, das kostet viel Geld, deshalb habe ich zwei Schlösser; ein dickes Kettenschloss für 120 Euro und noch ein Rahmenschloss.

Nicht gerade billig.

Nein, überhaupt nicht billig, aber total notwendig.

Offenbar. Im Jahr 2022 wurden rund 27.000 Fahrräder in Berlin gestohlen. Sind die Fahrradschlösser zu schwach oder die Diebe zu raffiniert?

Berlin ist Hauptstadt. Es gibt einfach viele Menschen, die Fahrräder klauen. Zudem ist der Verfolgungsdruck seitens der Behörden nicht hoch. Die Chance, als Fahrraddieb in Berlin geschnappt zu werden, ist sehr gering. Das motiviert sie weiterzumachen.

Bei so vielen Diebstählen ist nicht von spontanen Aktionen auszugehen.

Nein, diese Diebe gehen meistens professionell vor. Teilweise machen sie Touren, gucken sich also Hinterhöfe erst einmal an und kommen dann am nächsten Tag mit einem Transporter zurück. Sie verfrachten alles und sind weg. Natürlich gibt es dann immer auch noch die Gelegenheitsdiebe.

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Laut Berliner Senat werden die meisten Fahrräder in den Innenstadtbezirken geklaut. Warum ist das so?

Am Stadtrand stehen häufig Einfamilienhäuser. Dort werden Fahrräder eher auf Grundstücken abgestellt. Das ist für die Diebe eine Hürde, denn sie müssen erst einmal das Grundstück betreten und dann ein Schloss zum Beispiel mit einer Elektroflex aufschneiden. Das kostet Zeit, verursacht Licht und Lärm.

In der Innenstadt ist das anders, da ist man Geräusche gewohnt, die Menschen bekommen das schlicht nicht so gut mit.

Inzwischen gibt es Rahmenschlösser, Kabelschlösser, Kettenschlösser, Bügelschlösser und Faltschlösser. Welche machen es Dieben besonders schwer?

Die mit der höchsten Sicherheitsstufe. Die Hersteller machen ihre Schlösser oft mir einer Sicherheitsskala kenntlich. Ab der Stufe zehn gelten Schlösser als besonders sicher. Das Material lässt sich dann also deutlich schwerer aufschneiden oder aufbrechen als ein Schloss für 20 Euro. Wer sein Fahrrad liebt und länger behalten möchte, sollte sich ein Schloss mit Sicherheitsstufe zehn kaufen.

Wie teuer sollte ein Schloss sein?

Wer sich für 500 Euro ein Fahrrad kauft und dann noch einmal 250 Euro für zwei Schlösser ausgibt, wird das Preis-Leistungs-Verhältnis hinterfragen. Wir empfehlen zumindest zwei Schlösser, und zwar zwei unterschiedliche. Diebe würden dann einfach länger zum Aufknacken brauchen, das schreckt ab. Übrigens lassen sich Fahrräder auch über eine Nummer beim Adfc oder der Polizei registrieren, dadurch können sie den Besitzern besser zugeordnet werden.

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Worauf kann man noch achten?

Das Fahrrad sollte an feste Objekte abgeschlossen werden, zum Beispiel an einen Fahrradbügel. Bauzäune dafür zu nutzen, hat keinen Sinn. Außerdem sollten Fahrräder nicht am Vorderrad abgeschlossen werden - das lässt sich nämlich leichter abmontieren, Diebe können dann einfach den Rahmen wegtragen.

Generell gilt, je mehr Hürden Diebe haben, umso besser. Wer sein Fahrrad in einer dunklen Ecke abstellt, die öffentlich zugänglich ist, macht es den Tätern einfach.

Bessere Schlösser und Orte zum Abstellen sind aber nicht alles, was Sie fordern, oder?

Nein, es muss sich auch politisch etwas bewegen. Wir brauchen dringend Fahrradparkhäuser an großen Bahnhöfen. Berlin hat noch kein einziges. An kleineren Bahnhöfen braucht es zumindest vernünftige Radabstellanlangen. Außerdem muss der Verfolgungsdruck auf Diebe deutlich höher werden, das machen andere Städte besser als wir. Auch die Staatsanwaltschaft muss das Thema ernster nehmen. Wir dürfen nicht vergessen: Neue Fahrräder kosten viel Geld, teilweise mehr als ein Gebrauchtwagen. Der wirtschaftliche Schaden ist also nicht zu unterschätzen.

In einer Metropole wie Berlin hat die Polizei vermutlich mehr zu tun als auf dem Land, wo mehr Zeit da ist, um Diebe zu jagen.

Da bin ich mir nicht so sicher. In Potsdam ist die Aufklärungsquote bei Fahrrad-Diebstahl höher als in Berlin und Potsdam ist nun wirklich kein Dorf. Was wir brauchen, ist eine eigene Polizei-Taskforce. In Berlin wurde einmal so eine eingerichtet, ob und was sie gebracht hat, habe ich bis heute nicht erfahren.

Übrigens, was ich inzwischen immer häufiger höre, ist, dass sich Leute ein neues und teures Fahrrad kaufen, es dann aber optisch verschlechtern. Sie kratzen es also an oder lackieren es, damit es weniger neu aussieht.

Das klingt traurig.

Das ist es auch. Viel trauriger ist aber, dass mehr als 20.000 Räder im Jahr in dieser Stadt geklaut werden.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Hasan Gökkaya.

 

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