Preis für "absurdes Gendermarketing" - "Goldener Zaunpfahl" für "Reitermädchen"-Klischees
Im Berliner Kabarett-Theater Distel wurde am Montag Abend der "Goldene Zaunpfahl 2022" verliehen. Ein Preis für "absurdes Gendermarketing", das oft in Werbekampagnen anzutreffen ist. Von Hans Ackermann
In einer öffentlichen Preisverleihung wurde am Montag Abend im Berliner Kabarett-Theater "Distel" der "Goldene Zaunpfahl 2022 - Preis für absurdes Gendermarketing" verliehen. Eine kritische Auszeichnung für Werbekampagnen, die ihrer Botschaft stereotype Geschlechterrollen zugrundelegen.
"Schmähdatio" zum Auftakt
Ausführlich stellt der Comedian Florian Hacke in seiner "Schmähdatio" die "Unrühmlichen Sieben" vor. Jene sieben Werbekampagnen, die es in die letzte Runde geschafft haben und vom gemeinnützigen Bonner Verein "Klische.esc e.V." aus gut 200 Einsendungen für den Negativpreis nominiert wurden. Darunter ein Papiertaschentuch-Hersteller, den jeder kennt, wenn Florian Hacke die nominierte Kampagne beschreibt: "Nr. 1, Tempo. Waschmaschinenfeste Taschentücher für Muttis Reise ins All". Als Pointe erinnert Hacke das Publikum an einen denkwürdigen Auftritt des Geigers André Rieu in einer Talkshow. Dort hatte er - wohl in lustiger Absicht - eine gerade von einer Weltraummission zurückgekehrte Astronautin gefragt: "Und wer putzt jetzt da oben?"
Waschmaschinen im Weltall
Die nominierte Plakatkampagne zeigt eine Astronautin im Weltall, mit einer Waschmaschine im Hintergrund, auf dem Mond! Als wenn die Frau im All nichts anderes zu tun hätte, als dort stupide Hausarbeit zu erledigen.
Für die Jury des Preises, der seit 2017 alljährlich vergeben wird, hat man mit Insa Thiele-Eich eine "echte" Astronautin gewinnen können. Die Meteorologin hat gerade ihre Ausbildung absolviert und erzählt dem Publikum von ihren Erfahrungen: "Ich habe "Tempo" angeschrieben und gefragt, muss das eigentlich sein. Und die haben mir geschrieben, sie hätten ja auch einen männlichen Astronauten gezeigt, der Wäsche gewaschen hat. Man müsse das im Kontext sehen."
Sterbeversicherung für Mutti
Man müsse das im Kontext sehen - solche fadenscheinigen Ausreden der Werbeindustrie greift Comedian Florian Hacke immer wieder auf, wenn er die anderen Nominierten porträtiert. Darunter auch eine Agentur, die eine spezielle Sterbeversicherung für Mütter anbietet - ein Beispiel für besonders makabres Gendermarketing: "Für nur ein paar Euro vom Haushaltsgeld kann Mutti jetzt über den Tod hinaus ihren Liebsten garantieren: kümmert euch nicht um mich. Ich habe euch das Leben geschenkt, jetzt sorge ich auch für mein eigenes Begräbnis."
Mütter, Frauen und Mädchen sind ein beliebtes Ziel beim Gendermarketing. Dessen Auswüchse an diesem Abend aber nicht nur humorvoll und satirisch betrachtet werden. Sondern im Kurzvortrag des Jury-Mitglieds Boris von Heesen - Autor des Buches "Was Männer kosten" - auch in ernsten Zusammenhängen: wenn Gendermarketing zu toxischer Männlichkeit führt. "Wenn Männer zu einer Geschenkbox aus Holz ein Brecheisen dazubekommen, dann hat das einen Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Männlichkeit und Weiblichkeit", sagt von Heesen. "Das prägt unsere Sicht auf die Welt und manipuliert unser Verhalten."
Kinder und Jugendliche als Zielgruppe
Besondern gern manipuliert die Werbeindustrie mit ihren ausgeklügelten Gendermarketing-Strategien Kinder und Jugendliche. Was in Spanien - wie man an diesem rundherum informativen Abend erfährt - demnächst per Gesetz verboten sein wird.
Am Ende wird dann natürlich auch verkündet, wer den Negativ-Preis und damit den deutlichsten Wink mit einem "Goldenen Zaunpfahl" bekommt: die Spiele-App "Bibi & Tina - Reiterferien" gewinnt in diesem Jahr. Die 16 Jahre alte Schülerin Josie, ebenfalls Mitglied in der Jury, hält mit zwei Mitschülerinnen die Laudatio und kann nicht verstehen, warum man beim Stuttgarter Hersteller immer noch stereotype "Reitermädchen"-Klischees pflegt: "Ich bin mit "Bibi & Tina" aufgewachsen, ich mochte Bibis Selbstbewusstsein. Aber anstatt damit für Gerechtigkeit zu werben, bedient sich der Hersteller des Spiels nur einfacher Klischees".
Klischeehafte "Reitermädchen" und kein einziger Junge im Spiel - Comedian Florian Hacke hat auch dafür eine Erklärung: "Reiten ist Mädchenkram und Jungs, die spielen so einen Quatsch sowieso nicht."
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.11.2022, 6:55 Uhr