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Audio: rbb24 Inforadio | 27.04.2023 | Jakob Bauer | Quelle: imago images/C.Enea

Konzertkritik | Steve Hackett in Berlin

"Der Typ von Genesis" und noch viel mehr

Genesis verbinden viele mit den Frontmännern Phil Collins und Peter Gabriel. In den 70ern waren Genesis aber auch stark geprägt von ihrem Gitarristen Steve Hackett. Der ist immer noch auf Tour und spielt Genesis-Klassiker und eigene Stücke. Obwohl Peter Gabriel fehlt, war Jakob Bauer sehr angetan.

Ist das der Ausverkauf? Ist das Geld-Macherei mit dem alten, großen Namen? Eine blutleere Kommerzveranstaltung? Das könnte man denken, aber: Nein, so einer ist Steve Hackett nicht. Dieser Typ ist brutal kreativ. Er hat Genesis Ende der 70er verlassen, weil er sich zu eingeengt gefühlt hat – und das muss man auch erst mal schaffen. Immerhin waren Genesis damals eine Progressive-Rock Band, also voll im Experimentiermodus. Aber Hackett wollte mit seiner Gitarre immer noch mehr ausprobieren, veröffentlicht seit Jahrzehnten Solo-Alben und spielt seine Musik gleichberechtigt neben den alten Genesis Hits live, auch an diesem Abend in der Berliner Verti Music Hall.

4/4-Takt? Sowas von vorgestern

Und das Publikum ist an diesem Abend auch nicht nur wegen alter Heldenverehrung gekommen. Die Leute haben Bock auf Prog, auf diese komplizierte Spielform der Rockmusik. Mit komplexen Harmoniefolgen, klassischen und weltmusikalischen Anklängen. Und das liefern Steve Hackett und seine drei Mitmusiker an Bass, Schlagzeug und mit allerlei atmosphärischem Keyboard-Gedöns. Es ist schon eine Kunst, Steve Hackett und Band hauen einen langen Riemen nach dem anderen raus, zehn Minuten im Durchschnitt, viel rein instrumental. Aber das wird nie langweilig, weil Hacketts Kompositionen viele Drehungen und Wendungen nehmen, aber nie komplett wegdriften. Ein klarer 4/4-Takt ist zwar eher eine Ausnahmeentscheidung, aber gerade wenn die Komplexität Überhand zu nehmen droht, lässt ein hymnisches Crescendo doch wieder die Emotionen purzeln.

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Im Sitzen lässt sich’s nicht gut Schwitzen

Zumindest ein bisschen, denn ein bisschen bleibt bei der Show auch die Handbremse angezogen. Das liegt daran, dass die Band zwar gewissenhaft, angemessen virtuos und durchaus mit Freude, aber nicht euphorisch aufspielt. Das liegt auch am Sitzkonzert. Der Altersdurchschnitt ist um die 50, vielleicht haben sich die Veranstalter deswegen gedacht, bestuhlen wir das mal lieber komplett, man wird ja mit dem Alter Abends auch nicht fitter. Aber zu dieser Musik muss man sich doch mit geschlossenen Augen hin und herwiegen, sich bewegen, eintauchen. Und so überträgt sich nicht alles so ganz in den Zuschauerraum, was in dieser Musik angelegt ist.

Wenig theatrale Wucht

Nach circa einer Stunde ist dann erstmal mit Schluss Hackett-Songs und es kommt für viele Fans zum Höhepunkt des Abends: Hackett – der von einem seiner Mitmusiker mal augenzwinkernd als der "Typ von Genesis" vorgestellt wird – und Band spielen das komplette Album "Foxtrot" von Genesis, eines ihrer großen Werke aus den 70ern, inklusive des 25-Minuten-Epos "Supper‘s Ready". Allerdings muss man feststellen: Hier fehlt doch was. Und das ist der charismatische Frontmann Peter Gabriel. Denn während die Solo-Songs von Hackett natürlich klar auf ihn und sein Gitarrenspiel zugeschnitten sind, lebten Genesis auch von der unglaublichen Ausstrahlung Gabriels. Und der Sänger, den Hackett dabei hat und der Gabriel ersetzt, trifft zwar die Töne ganz gut und hat auch eine schwelgerische Aura, aber es wirkt alles ein bisschen angestrengt, nicht so klangvoll und vor allem: Die theatrale Wucht von Peter Gabriel, mit seiner Stimme, seinen großen Gesten, seiner spiritueller Präsenz, die fehlt. Und das fehlt dann auch der Musik.

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Virtuoses Herumeiern

Aber: Nicht so schlimm. Steve Hackett ist ja Gitarrist und er klingt mit 73 Jahren immer noch verspielt und frisch, die Klänge perlen nur so aus dem Instrument heraus. Das ist virtuoses Herumeiern, wenn Hackett mit dem Tremolo-Hebel die Töne nur so herumschüttelt. Das ist hinreißend schön, wenn ganz sanft die Harmonien hereinschwingen, wenn komplizierte Soli mit einer prägnanten, einfachen, aber wundervollen Melodie-Linie enden. Und obwohl ein Bandmitglied aus Krankheitsgründen nicht spielen kann, ist der Gesamtklang an diesem Abend warm und voll. Und überhaupt ist das ein freundliches und angenehmes Konzert mit vielen kompositorischen Highlights. Steve Hackett darf gerne noch lange weiter Album um Album veröffentlichen und nebenbei Genesis am Leben erhalten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.04.2023, 7 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

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