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Audio: rbb-Landespolitik | 29.07.2021 | Birgit Raddatz | Quelle: dpa/Paul Zinken

Kommentar

Tanzen nur für Geimpfte und Genesene? Ja, bitte!

Der Verband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft fordert Perspektiven, wie es im Herbst mit Großveranstaltungen weiter gehen kann. Konzerte nur noch mit Geimpften und Genesenen ist so eine Idee. Die Politik drückt sich vor verbindlichen Zusagen. Von Birgit Raddatz.

Kürzlich fielen mir zwei Konzerttickets in die Hände. Gekauft hatte ich sie bereits im Herbst 2019. Wie sehr hatte ich gehofft, die Künstlerin in diesem Jahr live erleben zu können. Doch mit Blick auf die Infektionslage und den Veranstaltungsort (in die Max-Schmeling-Halle in Berlin passen bei einer Bühne in der Mitte und ohne Stühle rund 12.000 Menschen hinein) schwand jede Hoffnung. Das Konzert wird nachgeholt – im September 2022.

Der Frust, den der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) wegen der Unsicherheiten in der Corona-Pandemie schiebt, ist nachvollziehbar. Derzeit ist es so: Tanz- oder Musikveranstaltungen draußen mit Hygienekonzept wie Abstandhalten, Masken- und Testpflicht sind in Berlin zugelassen mit bis zu 1.000 Menschen. Für Messen und andere Großveranstaltungen gilt eine Obergrenze von 2.000 Personen im Freien und 1.000 bis 2.000 in Innenräumen. Für die wenigsten großen Player auf dem Konzertmarkt ist das eine Option, die sich wirtschaftlich lohnt.

Wirtschaftlich ist auch das Bezuschussen der Veranstaltungsbranche von staatlicher Seite nicht wirklich. Über 24 Millionen Euro hat allein das Land Berlin mit der Soforthilfe IV ausgeschüttet. Hinzu kommen Bundesmittel.

Konzerte nur für Geimpfte

Lederer kritisiert Forderungen der Veranstaltungsbranche

Zuverlässig planen zu können, ist für die Veranstaltungsbranche eine Herausforderung. Forderungen, Konzerte künftig nur für Geimpfte zu erlauben, stoßen bei Kultursenator jedoch auf Ablehnung. Er wünscht sich Aufrufe zum Impfen durch die Veranstalter.

Die Hängepartie hätte ein Ende

Der BDKV fordert deswegen Zusagen von der Politik, wie es ab September – 2021 wohlgemerkt – weitergehen soll. Und schlägt vor: Wenn von Getesteten nicht ausreichend Sicherheit ausgeht, dann wolle man künftig nur noch vollständig Geimpfte und Genesene reinlassen. Dafür dann aber auch ohne Abstandsregeln, um die Hallen zu füllen und wieder wirtschaftlich zu werden. Über eine Maskenpflicht ließe sich sprechen, bekräftigt der Präsident und Geschäftsführer des BDKV, Jens Michow. Aber zumindest hätte die Hängepartie für die Veranstaltungsbranche dann ein Ende.

Doch der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bleibt weiterhin vage. Noch könnten ja nicht alle Menschen durchgeimpft sein, vielen stünde das Angebot erst seit kurzem zur Verfügung. Das ist wahr. Und dann gibt es ja noch die aggressive Delta-Variante, die auch im Freien um sich greift. Auch das ist wahr.

Allerdings ist rein theoretisch schon damit zu rechnen, dass spätestens Ende September jede und jeder zweimal gestochen worden ist. Rein rechnerisch und rein theoretisch. Bisher schleppt sich die Quote nur langsam voran: Knapp 60 Prozent der Deutschen haben eine Erstimpfung erhalten, rund 50 Prozent sind vollständig geimpft. Das ist aber nicht die Schuld der Veranstaltungsbranche. Dass Geimpfte zumindest kaum einen schweren Verlauf zu befürchten haben, ist erwiesen und kann von daher als Gradmesser herhalten.

Künstlerische Freiheit bei politischem Diskurs

Um die Impfquote zu erhöhen, schlägt Leder deshalb vor, die privaten Veranstalter könnten doch die Kampagnen unterstützen. Denkbar wären mobile Impfteams vor Veranstaltungen. Dass so eine Beteiligung an einem politischen Diskurs auch schlecht laufen kann, zeigt das kurz vor der Zugabe abgebrochene Nena-Konzert am vergangenen Wochenende.

Dass sich so etwas wiederholt, will auch der BDKV nicht. Deshalb hoffe man, dass sich viele bekannte Künstler*innen für Impfangebote vor ihren Fans aussprechen und nicht – wie in Nenas Fall – indirekt dagegen. So weit, so kein Konflikt. Doch auch die Politik ist gefragt.

Es gilt jetzt, Zusagen auch einzuhalten. Wer hätte gedacht, dass wir im September, wie es von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt wurde, wirklich alle ein Impfangebot erhalten würden (Kinder und Jugendliche mal ausgenommen)? Und selbst Klaus Lederer sagte bereits an anderer Stelle: Wenn dieser Punkt erreicht ist, muss man sich schon fragen, wie Einschränkungen für Geimpfte dann noch gerechtfertigt sein können.

Die Veranstaltungsbranche sollte nun also auch das Recht bekommen, auf ihren Teil der Abmachung zu bestehen und dafür auch verbindliche Zusagen zu erhalten. Denn was Menschen noch trauriger stimmen würde, als ein verschobenes Konzert wäre wohl ein komplett abgesagtes Konzert. Nämlich dann, wenn der Veranstalter pleite ist.

Sendung: Inforadio, 29.07.2021, 09:25 Uhr

Beitrag von Birgit Raddatz

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