Datenauswertung - Berliner:innen ziehen am liebsten im eigenen Bezirk um

Fr 15.07.22 | 06:14 Uhr | Von Götz Gringmuth-Dallmer
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Ein Mann steht auf einer Leiter, während eine Frau ihm einen Karton reicht. (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Audio: rbb 88,8 | 15.07.2022 | Doreen Herbe | Bild: dpa/Annette Riedl

Auch wenn das Wohnungs-Angebot in Berlin sehr knapp ist, bevorzugen viele Berliner:innen bei einem Umzug den Bezirk, in dem sie schon leben. Drei Bezirke haben besonders treue Einwohner:innen. Von Götz Gringmuth-Dallmer

Berliner:innen, die innerhalb von Berlin umziehen, wechseln am liebsten im eigenen Bezirk die Bleibe oder ziehen zumindest in angrenzende Bezirke. Das zeigen Zahlen aus der Einwohnerregisterstatistik 2021 vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, die rbb|24 ausgewertet hat.

Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirken. So fanden im vergangenen Jahr knapp 60 Prozent der Umzüge in Marzahn-Hellersdorf und 56 Prozent der Umzüge in Spandau im gleichen Bezirk statt. In Friedrichshain-Kreuzberg waren es nur knapp 30 Prozent, in Reinickendorf etwa 31 Prozent.

Anteil der Umzüge innerhalb der Bezirke nimmt ab

Stadtforscher Sigmar Gude, Geschäftsführer vom Asum Büro für angewandte Stadtforschung und Mieterberatung kennt dieses Umzugsverhalten schon länger. "Die Menschen möchten, wenn sie umziehen, relativ nah am vertrauten Umfeld bleiben", sagt Gude gegenüber rbb|24. Die Menschen, mit denen er über dieses Thema gesprochen hat, sagen oft: "Da sind meine Freunde und Bekannten und da sind die Institutionen, die ich kenne. Deshalb ist es wichtig, bei einem Umzug im vertrauten Umfeld zu bleiben", so Gude weiter.

Zudem hätten Bezirke mit geringeren Zuwanderungsdruck und hohem Anteil städtischer Gesellschaften wie Marzahn und Spandau eine hohe Bleiberate, Bezirke mit besonders hohem Druck auf dem Wohnungsmarkt wie Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg eine niedrige, so die Analyse von Gude.

Der Anteil der Umzüge innerhalb der Bezirke lag 2021 berlinweit bei 40,1 Prozent. 2019 waren es noch 41,9 Prozent und 2016 noch 43,8 Prozent. Der Grund für den Rückgang ist vermutlich die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt und die damit verbundenen Schwierigkeiten, überhaupt eine geeignete und vor allem bezahlbare Wohnung zu finden. Stadtforscher Gude geht davon aus, dass die Zahl derer, die dann tatsächlich im Wohngebiet oder Bezirk bleiben, zur Zeit vor allem vom Wohnungsangebot abhängen würde. "Vermutlich tritt bei der Auswahl die Bedeutung der Wohngegend gegenüber der Wohnung deutlich in den Hintergrund. Wenn die Wohnung qualitativ und finanziell akzeptabel ist, wird sie zur Zeit wohl genommen, weil Alternativen fehlen", so Gude.

Insgesamt zählte die Einwohnerregisterstatistik im vergangenen Jahr 267.892 sogenannte Binnenwanderungen, also Umzüge innerhalb Berlins. Davon waren 107.463 innerbezirkliche Umzüge und 160.429 zwischen den Bezirken.

Wobei bei diesen Zahlen folgendes beachtet werden muss: Gezählt werden die einzelnen Personen, die umziehen. Wenn ein Mensch von Spandau nach Reinickendorf zieht, so ist das ein Fortzug aus Spandau und ein Zuzug nach Reinickendorf und wenn eine fünfköpfige Familie innerhalb eines Jahres zweimal in Lichtenberg umzieht, so sind das in der Statistik 20 Umzüge innerhalb Lichtenbergs.

Mitte und Charlottenburg besonders beliebt

Neben der Binnenwanderung zählt die Statistik auch die Wanderung aus dem Bundesgebiet und die Außenwanderung (aus dem Ausland), also Menschen, die nach Berlin ziehen oder Berlin verlassen. 2021 kamen 174.006 Menschen nach Berlin, die Stadt verlassen haben 163.114, ein Plus von knapp 11.000 Menschen. Die meisten Zugezogenen, etwa 28.000, zogen nach Mitte, gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf mit 18.181 Menschen. Nur vierstellig blieb der Zahl der Zuzüge von außen mit jeweils 8.751 Menschen in Spandau und 8.856 in Marzahn-Hellersdorf.

Warum der Austausch in Mitte deutlich größer ist als in anderen Bezirken, das hat für Stadtforscher Gude mehrere Gründe. Zum einen gäbe es in der Ortsteilen Wedding und Tiergarten viele kleine Wohnungen, die besonders von Studenten, die in die Stadt kommen, gemietet werden. Die würden auch häufiger umziehen als andere Menschen. Dazu kämen Menschen aus dem Ausland, die in Berlin einen Job annehmen und nach ein paar Jahren wieder zurückziehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.07.2022, 10 Uhr

Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer

20 Kommentare

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  1. 20.

    Ich bin vor ein paar Jahren innerhalb Charlottenburg umgezogen. Tolle Wohnung, keine Frage.
    Aber Berlin geht nur noch den Bach runter.
    Wie ich bloß ganz weit weg gezogen.
    Aber kommt vielleicht noch.

  2. 19.

    Denke ich ebenfalls. Da bleiben die besagten Menschen gerne in ihrem „ Dorf“ . Bei diesen Ansprüchen kann nicht allen gerecht werden.

  3. 18.

    Ich bin Sprachästhet und lese grundsätzlich keine keine journalistischen Texte mehr die gegendert sind.
    Der rbb hat mich als Kunden verloren.

  4. 17.

    Grade wenn man Kinder hat, möchte man halt in der Nähe der Kita/Schule bleiben.

  5. 16.

    Was für ein Euphemismus!

    "ziehen AM LIEBSTEN um"...

    Ich kenne viele, die gerne gar nicht umziehen möchten, aber aus verschiedenen Gründen umziehen MÜSSEN. Neben veränderten Lebenssituationen ist dies häufig aufgrund von "Eigenbedarf" oder massiven Mieterhöhungen der Fall.

  6. 15.

    Besonders treue Einwohner.. Merkwürdig wenn man sich die Bezirke anschaut.. Kann es evtl auch sein, dass sich die Bewohner nur Wohnraum leisten können der im gleichen Sozialraum liegt.. Wer hat schon die finanziellen Mittel um von Marzahn nach Charlottenburg zu ziehen?

  7. 14.

    Weiß gar nich, wat Sie sich aufregen. Ob nu neue oder ostdeutsche BL is doch vollkommen egal.
    Die Teilung wird nämlich erst überwunden sein, wenn es keine Altbundesbürger:innen mehr gibt, die sich immer noch für die besseren Deutschen halten. Und die Arroganz der ehemaligen Westberliner, von denen übrigens viele prinzipiell nie in einen östlichen Stadtbezirk ziehen würden, kommt ja hier auch in allen Threads zum Vorschein.
    Ich halte die Auswertung solcher Statistiken übrigens als Grundlage für die Arbeit der Bezirksämter, Abt. Stadtentwicklung und Stadtplanung, für sehr wichtig.

  8. 13.

    Naja in Lichtenberg verdichtet die Howoge ja so massiv, dass es bald gar kein Grün mehr gibt. Das kann es ja auch nicht sein.

  9. 12.

    Der Artikel-Schreiber hier hat offensichtlich ein Problem mit der offiziellen richtigen und damit geschlechtsneutralen Grammatik. Gerade im "bunten" Berlin müsste es eine Selbstverständlichkeit geworden sein, alle richtig anzusprechen, ohne biologische Unterscheidungsmerkmale. Es ist auch nicht bekannt, dass es Kieze gibt, die rein "biologisch" sortiert sind. Es ist auch nicht gesagt, dass der Wohnwunsch zum Geldbeutel passen muss. Es wurde, dies auch beeinflussend, nicht gesagt, dass die Stadt nicht viel gewachsen ist, der Wunsch nach mehr m2/Person aber schon. Es wurde auch nicht gesagt, dass, um diesen Wunsch doch erfüllt zu bekommen, neuerdings EFH "geächtet" werden und damit das Leistungsprinzip unterhöhlt wird, durch (Verteilungs-)"Moral" die keine ist.

  10. 11.

    @AK, bin beeindruckt, wieviel Mühe Sie sich machen, einen Mehrzeiler Kommentar zu schreiben und wieviel Aufwand Sie betreiben, um den Artikel (voll oder in Teilen) zu lesen, der Sie offensichtlich nicht interessiert.
    Das Statistische Bundesamt erhebt auch solche Daten. Was meinen Sie auf welcher Datenbasis sonst u.a. politisch Verantwortliche Entscheidungen treffen können und sollten?
    Umso größer die Datenbasis, um so differenzierter und qualitativ hochwertiger kann eine Aussage sein. Anhand von Statistiken kann man vorsichtige Prognosen machen. Wenn ein Zuzugs/Abwanderungsungleichgewicht in manchen Bezirken besteht, hat das Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, auch auf den Haushalt des Bezirks usw.

  11. 10.

    Was bitte sind denn die "neuen Bundesländer"? Da kommt mir ja schon wieder die Galle hoch! 40 Jahre Teilung brauchen offensichtlich 400 Jahre um wieder wett zu sein... 32 reichen ja scheinbar nicht.

  12. 9.

    Als die Wohnungen in Hellersdorf und Marzahn vor über 40 Jahren gebaut wurden, waren sie sehr beliebt: hell, warm, mit Balkonen und Kindergarten, Schule, Einkaufsmöglichkeiten usw direkt in der Nähe. Die Wohnungen waren ja nicht als Billigquartier konzipiert, sondern für die arbeitende Bevölkerung der DDR, die nicht mehr in zugigen Altbauwohnungen mit Ofenheizung wohnen wollte. Es gab im RBB mal eine Sendung und da bestätigten viele, dass sie gern da leben. Zwischen den Häusern ist viel Grün und man ist schnell im Umland. Ich möchte da nicht wohnen, denn Berliner bleiben ja am liebsten in ihrem Kiez, aber wer Vorurteile hat, sollte mal hinfahren.

  13. 7.

    Das deckt sich total mit meinen Beobachtungen. Berliner haben kein Problem damit auszuwandern, aber wenn sie zurückkehren, dann möglichst auch in ihren alten Kiez. Da sind eben ihre Wurzeln.

  14. 6.

    Der Berliner an sich is nunma ein Lokalpatriot, klar Spandau, Köpenick is schön möchte dennoch nicht dort hin ziehen, umgekehrt wahrscheinlich ebenso. Ok Prenzl Berg is nicht mehr Berlin der Kiez wurde ja komplett gentrifiziert, ja ja einige bekommen Schnappatmung, lebt damit. Trotzdem bin ich erstaunt worüber es alles so Statistiken gibt. sonnigen Freitag

  15. 5.

    Wofür wird so eine Statistik erstellt und wofür benötigt? Was ist der Mehrwert dieser Nachricht hier?

  16. 4.

    Als ich vor vielen Jahrzehnten nach Berlin kam, war das das erste, was man mir sagte: Der Berliner (damals noch ohne zu gendern) bleibt im Kiez. Schön, dass jemand das mal das gefühlte Wissen qualifiziert hat.

  17. 3.

    Dann scheint die Wohnungsnot doch nicht so groß zu sein, wenn man sich noch Vorlieben leisten kann.

  18. 2.

    Was das wohl für ein Aufwand ist,solche Statistiken zu führen.Und der Steuerzahler bezahlt dafür,dass diese am Ende doch irgendwie aber auch nicht stimmen (5köpfige Familie).Und was hat man davon? Und wozu hier der Bericht? Ich würde auch so gern mal wissen, wieviele Jahre noch Statistiken nach alten und neuen Bundesländern getrennt werden. Und wozu? Warum nicht nach Norden oder Süden? Meine Enkelkinder kommen langsam nicht mehr klar damit. Sollen vielleicht auch nicht, oder?

  19. 1.

    Wobei ob das mit Hellersdorf so viel mit Treue zu tun hat weis ich nicht. Eher das Klientel, das sich wo anders keine Wohnung leisten kann.

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