Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts - Sperrung der Friedrichstraße für Autos rechtswidrig

Di 25.10.22 | 20:23 Uhr
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Bis Januar 2021 dürfen zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße keine Autos auf der Friedrichstraße fahren - aber Radfahrer. Aufgenommen am 01.09.2020. (Quelle: dpa/Sebastian Gabsch)
Video: rbb|24 | 25.10.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Sebastian Gabsch

Die Sperrung der Friedrichstraße für den Autoverkehr ist rechtswidrig, das hat das Berliner Verwaltungsgericht in einer Eilentscheidung festgestellt. Verkehrssenatorin Jarasch will dennoch an einer Umwandlung der Straße zur Flaniermeile festhalten.

Auf der Berliner Friedrichstraße dürfen bald wieder Autos fahren. Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Sperrung eines Teils der Straße für den Autoverkehr am Dienstag in einer Eilentscheidung für rechtswidrig erklärt.

Die entsprechenden Verkehrszeichen müssen innerhalb der nächsten zwei Wochen abgeräumt werden, ordnete das Gericht an. Gegen die Eilentscheidung kann der Senat aber noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Wie Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) in der rbb24 Abendschau sagte, prüft ihre Verwaltung nun eine solche Beschwerde.

Gericht: Verfahren zur Umwidmung nicht abgeschlossen

Für die Sperrung fehlten die Voraussetzungen, so das Gericht. Zwar hatte die Verkehrsverwaltung nach dem Ende eines Verkehrsversuchs beantragt, die Friedrichstraße zwischen Französischer und Leipziger Straße dauerhaft umzuwidmen. Das Verfahren ist aber nicht abgeschlossen. Für die Zwischenzeit dürfe der Senat nicht aus städtebaulichen Gründen die Sperrung anordnen - dies sei nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr möglich. Eine konkrete Gefährdung liege aber nicht vor, so sieht es das Gericht.

Der Senat hatte die Schließung für den Autoverkehr vor allem damit begründet, dass die Aufenthaltsqualität in der Friedrichstraße verbessert werden solle. Auch führe die Sperrung dazu, dass die immer noch bestehende Widmung als Straße auch für Kraftfahrzeuge faktisch auf eine Entwidmung hinauslaufe, argumentierte das Verwaltungsgericht. Vor dem Abschluss des Verfahrens scheide eine Sperrung daher aus.

Geklagt hatte eine Geschäftsfrau, die dem Aktionsbündnis "Rettet die Friedrichstraße" angehört. Die Geschäftsleute beklagen die schlechtere Erreichbarkeit ihrer Geschäfte und wollen die Umwandlung in eine Fußgängerzone verhindern.

Giffey fordert zügiges Ende des Autoverbots

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zur autofreien Friedrichstraße Konsequenzen gefordert. "Es ist jetzt ein Urteil gefallen, und ich erwarte, dass dieses Urteil zügig umgesetzt wird", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag auch an die Adresse von Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne).

Sie erinnerte daran, dass das Modellprojekt zur autofreien Friedrichstraße im Vorjahr beendet worden sei. Dennoch sei der Status Quo, also die Sperrung der Straße für Autos, nicht beendet worden - und zwar ohne Rechtsgrundlage, wie das Gericht nun bestätigt habe.

Jarasch hält an Umwandlung in Flaniermeile fest

Jarasch konterte im rbb: "Ich bin mir nicht sicher, ob Franziska Giffey genau verstanden hat, worum es bei diesem Urteil ging." Laut der Senatorin bezieht sich das Urteil ausschließlich auf die Zeit, die zwischen dem Ende des Verkehrsversuchs und der Sperrung für den Autoverkehr, der sogenannten Teileinziehung, vergangen ist. "Nun hat das Gericht gesagt, das ist ein bisschen zu viel Zeit."

Trotz des Urteils und dem Widerstand der Regierenden hält Jarasch an den Verkehrsplänen für die Friedrichstraße fest. "Die Umwandlung in eine Flaniermeile, daran ändert sich gar nichts." Die Senatorin sieht darin "die einzige Chance" für die Händler in der Friedrichstraße. Bereits vor dem Verkehrsversuch seinen Geschäfte in der Straße Pleite gegangen.

Sie betonte zudem, dass sich Rot-Grün-Rot bereits in den Koalitionsverhandlungen auf die Umwandlung der Friedrichstraße verstädigt habe. "Und dieses Verfahren geht weiter, es geht ausschließlich um den Weg dahin – und das weiß auch Frau Giffey."

Nach Kritik am Projekt der autofreien Friedrichstraße plant Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne), das 500 Meter lange Teilstück zwischen Leipziger und Französischer Straße zu einer reinen Fußgängerzone auch ohne Radverkehr umzugestalten. Der Fahrradverkehr soll in die parallel verlaufende Charlottenstraße verlegt werden.

Auch Opposition fordert Umsetzung des Urteils

Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, übte nach dem Urteil scharfe Kritik am Berliner Senat. "Wenn die eigene Ideologie dazu führt, dass einem offensichtliche Rechtsvorschriften und die Anliegen der Menschen vor Ort egal sind, dann ist das zutiefst problematisch", teilte er mit.

Kai Wegner, Vorsitzender der CDU-Fraktion, stellte die Erwartung an den Senat, das Urteil zu akzeptieren. In einer ersten Stellungnahme kritisierte er, die Friedrichstraße sei zu einer "Rennstrecke für Fahrradfahrer" verkommen.

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion, Kristin Brinker, forderte den Senat auf, "nicht weiteres Steuergeld vor Gericht zu verbrennen, sondern umgehend zu handeln und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen".

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.10.2022, 10:20 Uhr

 

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97 Kommentare

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  1. 97.

    Stimmt. Als nächstes wird die Situation, wenn die Straße wieder geschlossen ist, zu politischen Zwecken ausgeschlachtet. Zum Beispiel dass die "armen Geschäftsleute" nicht mal mehr Sicherheit haben wie der Verkehr vor der Tür abläuft.

    Die Straße geschlossen halten während der Umwidmung ist Vernünftig um nicht noch mehr Verwirrung zu stifen und das hätte das Gericht ruhig in seine Entscheidung einbeziehen können.
    "Für die Zwischenzeit dürfe der Senat nicht aus städtebaulichen Gründen die Sperrung anordnen - dies sei nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr möglich."
    Straße zu, Straße auf, Straße zu ... na das ist mal ne Ordnung, die sich das Gericht da vorstellt und wenn die Ordnung nicht funktioniert, dann wirkt das auch auf die Sicherheit.

  2. 96.

    Das ist doch mal eine gute Nachricht.

    Dann ist die "FLANIERMEILE" der Partei DIE GRÜNEN hoffentlich Geschichte.

  3. 95.

    Und bitte nicht vergessen, die Berliner Wasserstrassen dann bitte auch nur noch maximal mit Tret-Booten und Seil-Fähren.
    Könnten dann zu den Beinenvierteln gehören.

  4. 94.

    Gibt es eine Erhebung die den Anwohnerwillen widerspiegelt? Will Frau Jarasch den Anwohnerwillen überhaupt wissen? Die Geschäfte gehören dazu. Sehr höflich (es geht auch anders) ausgedrückt ist das:

    "Wenn die eigene Ideologie dazu führt, dass einem offensichtliche Rechtsvorschriften und die Anliegen der Menschen vor Ort egal sind, dann ist das zutiefst problematisch"

  5. 92.

    Hmm komisch ich bin in Mailand in die Innenstadt gekommen, das magische Wort heisst City Maut. Das ist übrigens die Maßnahme die die meisten europäischen Städte nutzen.
    Ich hoffe nur, die Händler richten jetzt wenn das Urteil irgendwann einmal rechtskräftig ist ihre Schadenersatzforderungen an den Senat und dieser wird verpflichtet auch zu zahlen.

  6. 91.

    Mal ehrlich, mir isses so wurscht. Wenn ich mit dem Rad durch die Friedrich fahre, ist es nicht ungefährlicher als sonst auch. Diese Straße ist mit oder ohne motorisiertem Verkehr eh hässlich und unattraktiv. Eine Betonwüste ohne Stadtgrün und das nennt sich Umweltzone. Lachhaft.

  7. 90.

    In Prenzlberg gibt es nunmal kaum Parkplätze. Weiterhin geht es um einen Verkehrsmix und nicht um das radikale, gesetzeswidrige durchdrücken vom eigenen Willen

  8. 89.

    Was bekommt der Berliner Senat überhaupt hin?? Berater, Juristen, Politiker, alle verdienen sich die goldene Nase, ohne überhaupt etwas Produktivität.
    Berlinnist zum fremdschämen.
    Alle ehren den Radfahrern, aber 97% sollten ersteinmal eine Fahrradführerschein machen und Verkehrsverein lernen.
    RGR, es reicht langsam mit öko und die angebliche Freiheit.
    Kommt auf den Boden und Realität.
    Setzt das Benzin auf 8 Euro den Liter, freies tanken für Gewerbe wie BVG, Polizei und Feuerwehr.

  9. 88.

    Peinlich und Fremdschämen.

    Eine Verwaltung, überbordend mit Juristen bestückt, welche Tag ein Tag aus erklären warum etwas nicht geht, bekommt einen simplen Verwaltungsakt auf Umwidmung nicht juristisch im Vorhinein geprüft?!

  10. 87.

    Wie bitte ? Es gibt mehrere U- und S-Bahnlinien, Bus in Straßenbahn auf der Friedrichstraße. Mehr geht kaum. Autoverkehr dort ist auf jeden Fall entbehrlich.

  11. 86.

    Hallo Anwohner. Vielleicht sollten Sie aufs Land ziehen. Übrigens, binich Kein Autofahrer. Nur ein Fußgänger. Die schon 3X auf dem Gehweg angefahren wurde. So viel zu Radfahrer.

  12. 85.

    Weil es zum Glück noch möglich ist.
    Weil der ÖPNV mir nur gering (und dann auch noch meist Zeitraubend und unbequem) ist.
    Weil meine Mobilität im greisen Alter nicht besser wird (und damit auch das Fahrrad-Konzept nicht mehr möglich).
    Weil es

  13. 84.

    Eigentlich ist mir das egal, da auf der Friedrichstraße sowieso nix los ist. Aber vielleicht ändert sich das wieder.
    Es ist ein Paradebeispiel für das vorausschauende und gesetzestreue Vorgehen des Senats (haha).

  14. 83.

    In der Tat: Einfach tiefer hängen.

    Die Verw.Gerichtsentscheidung ist eine rein formale Entscheidung, weil der Zeitraum zwischen dem Auslaufen des Versuchs und der Formulierung der neuen Gesetzeslage in der Tat von der StVO nicht gedeckt ist. Gedeckt ist er dagegen vom Maßstab der Vernunft, einer ausgesprochenen Hü & Hot-Situation zu entgehen, die einer Wiederöffnung und einem dann dauerhaften Verschließen geschuldet ist.

    Selbstverständlich dürfte dies auch den Klägern bekannt sein. Auch dem Umfeld. Und genau eses Umfeld wird es sein, dass dem Senat eine Hü & Hot-Politik vorwerfen wird, angesichts dessen, was von ihnen selbst herbeigeführt worden ist. Der Entsperrungsaufwand und dann erst die von Gesetzen getragene Neugestaltung hätte vermieden werden können - nicht vom Senat, sondern von den Klägern.

  15. 82.

    In der Tat: Einfach tiefer hängen.

    Die Verw.Gerichtsentscheidung ist eine rein formale Entscheidung, weil der Zeitraum zwischen dem Auslaufen des Versuchs und der Formulierung der neuen Gesetzeslage in der Tat von der StVO nicht gedeckt ist. Gedeckt ist er dagegen vom Maßstab der Vernunft, einer ausgesprochenen Hü & Hot-Situation zu entgehen, die einer Wiederöffnung und einem dann dauerhaften Verschließen geschuldet ist.

    Selbstverständlich dürfte dies auch den Klägern bekannt sein. Auch dem Umfeld. Und genau dieses Umfeld wird es sein, dass dem Senat eine Hü & Hot-Politik vorwerfen wird, angesichts dessen, was von ihnen selbst herbeigeführt worden ist. Der Entsperrungsaufwand und dann erst die von Gesetzen getragene Neugestaltung hätte vermieden werden können - nicht vom Senat, sondern von den Klägern.

  16. 81.

    Hm, nicht bedarfsgerecht? Mit mehreren U-Bahn-Haltestellen dort? S-Bahn ebenfalls. Reicht mir. Die Dame, die da geklagt hat, soll doch bitte künftig nur noch Autofahrer bedienen. In einem Monat ist ihr Laden dicht. So ein unsinniges Argument.

  17. 80.

    Das ist zwar wahrscheinlich, aber aufgrund des noch laufenden Verfahrens noch nicht entschieden. Also gilt bestehendes Recht und da die Friedrichstraße eine "Straße" und keine "Fußgängerzone" ist, ist sie als solche zu nutzen, egal, was für die Zukunft geplant ist.

  18. 79.

    Super Nachricht heute !

  19. 78.

    Sie haben recht: Radfahrende leben von Luft und Liebe. Mehr brauchen sie nicht. Sie kaufen nie ein. Und sind sowieso arm. Deswegen wird vor allem in den Armenvierteln Berlins (Prenzlauer Berg, Kreuzberg & Co.) so viel Rad gefahren.

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