Kommentar | Klima-Blockaden in Berlin - Die Feuerwehr braucht freie Straßen - und keine Feindbilder

Sa 12.11.22 | 11:26 Uhr | Von Kerstin Breinig
Umweltaktivisten haben sich am 16.05.2022 auf der Fahrbahn fest geklebt (Quelle: dpa/Robert Michael)
Bild: dpa/Robert Michael

Nach dem Unfalltod einer Radfahrerin in Berlin-Wilmersdorf wird kontrovers diskutiert über Mitverantwortung von Klimaaktivisten - aber auch über ein Feindbild, das den Einsatzkräften angedichtet wird. Dabei wollen die nur ihre Arbeit machen, kommentiert Kerstin Breinig.

Die Fronten waren schnell klar – und verhärtet: Auf der einen Seite die Menschen, die sämtliche Blockierer im Gefängnis sehen wollten oder noch Schlimmeres, auf der anderen ihre Verteidiger. Zwischen den Fronten: die Berliner Feuerwehr. Dabei hatte die nur bestätigt, dass der Rüstwagen auf dem Weg zur Einsatzstelle an der Bundesallee im Stau gestanden hatte - ausgelöst durch eine Blockade der "Letzten Generation". Deshalb kam der Rüstwagen mit Verspätung am Unfallort an. Die Retter mussten "improvisieren", wie es hieß.

Was dieses Improvisieren in der Realität bedeutet, darüber haben vermutlich nur die wenigsten nachdenken wollen. Und die, die wussten, was es heißt, haben das vermutlich aus Respekt vor den Betroffenen für sich behalten. Inzwischen ist aber auch dieses Detail Teil der öffentlichen Debatte. Der Betonmischer musste zurückgesetzt werden, um die eingeklemmte Radfahrerin zu befreien. Am Steuer saß ein Feuerwehrmann.

Innehalten statt Schuldzuweisungen

Der technische Abschlussbericht der Feuerwehr stellt dazu fest, dass "das Verfahren bzw. Rollen des Lkw grundsätzlich keine empfohlene Rettungstaktik" sei. Die Entscheidung fiel "nach Abstimmung im Team, unter Zugrundelegung der taktischen und medizinischen Gesichtspunkte und Mangels vorhandener Alternativen." Bedeutet: Sie hatten keine Wahl.

Doch als dieser Bericht herauskommt, sind andere Erzählungen längst in der Welt. Die Notärztin habe den Rüstwagen gar nicht gebraucht, hieß es. Die Feuerwehr mache nur Stimmung, wolle die Aktivisten ins falsche Licht setzen.

Doch statt Empörung, Schuldzuweisungen, Relativierungen, mit dem Finger auf die anderen zeigen, hätte es ein Innehalten gebraucht. Von allen Seiten. Einen Moment Ruhe. Spätestens als die Radfahrerin an ihren schweren Verletzungen starb, wäre das angebracht gewesen.

Es sind nicht nur die anderen

Ja, es gibt auch sonst Staus. Ja, auch Falschparker behindern Einsätze. Und Gaffer. Und Baustellen. Und fehlende Rettungsgassen. Und sicher noch dutzende andere Gründe. Alles richtig. Und auch darüber muss man reden. Diesmal aber war es die Blockade, die die A100 lahmlegte, so wie es diejenigen wollten, die auf der Schilderbrücke saßen. Die "Letzte Generation" hat angekündigt, den "Alltag auf Berliner Straßen zu unterbrechen" und "den Verkehr zum Erliegen zu bringen", bis ihre Forderungen nach Tempolimit und 9-Euro-Ticket erfüllt werden.

Die Konsequenz daraus ist, dass Rettungswagen und Feuerwehr noch schwerer durchkommen als sowieso schon auf den verstopften Straßen. Das heißt nicht, dass die "Letzte Generation" den Tod der Radfahrerin verschuldet hat. Das war von Anfang an Quatsch. Sie hat aber mit ihrer Aktion den Einsatz des Rüstwagens bei diesem Unfall um etwa acht Minuten verzögert. Das ist Fakt.

Im Interesse aller, dass Einsätze nicht behindert werden

Unter Beschuss steht nach wie vor auch die Feuerwehr. Sie sei feindlich gegenüber den Klimaaktivisten, behaupten einige. Die Stimmung sei am Einsatzort feindlich gegenüber den Blockierern gewesen. Ehrlich gesagt, wenig verwunderlich. Auch ein Falschparker, der einen Hydranten oder die Feuerwehrzufahrt zuparkt, wird im Falle eines Brandes keine Begeisterung auslösen, genauso wenig wie Autofahrer, die keinen Platz machen, wenn ein Rettungswagen kommt. All diese Verzögerungen werden übrigens ebenfalls dokumentiert. Das haben die Klimablockaden nicht exklusiv.

Und das eignet sich daher ebenfalls nicht, um der Feuerwehr ein Feindbild anzudichten. Sicher wird es innerhalb der Behörde Menschen geben, die die Aktionen ablehnen oder sogar gänzlich dagegen sind, so wie andere sie befürworten. Manch einem ist vermutlich auch egal, was die da machen, solange es nicht die Arbeit gefährdet. Und diese Arbeit ist das Löschen von Bränden, das Retten von Menschenleben – die politische Debatte um die Aktionen sollen andere führen, am besten nicht auf dem Rücken der Einsatzkräfte. Denn die Feuerwehr hat genug eigene Baustellen.

Am Ende sollte es im Interesse aller Menschen sein, den Feuerwehrleuten die Arbeit möglichst einfach zu machen und sie nicht zu behindern. Das gilt für Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer und Klimaaktivisten gleichermaßen. Denn irgendwann könnte jeder einzelne von uns der Mensch sein, der dringend auf Hilfe wartet.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.11.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Kerstin Breinig

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