Straßenblockaden in Berlin - Erfassung von Einsatzdaten bei Klimaprotesten löst politische Debatte aus

Erhebt die Berliner Feuerwehr während Klimaprotesten mehr Daten als bei anderen Einsätzen? Das legt ein Medienbericht nahe und löst eine Debatte aus. Die Innensenatorin bestreitet unübliches Vorgehen - Kritik bleibt trotzdem nicht aus.
In den vergangenen Wochen brachten Klimaproteste der "Letzten Generation" den Berliner Verkehr immer wieder stellenweise zum Erliegen. Während der Blockaden durch Aktivist:innen ist die Berliner Feuerwehr angewiesen, genau zu dokumentieren, inwiefern die Proteste zu Verzögerungen bei Rettungseinsätzen führen. Das berichtet "Die Zeit" [Bezahlinhalt].
Die Zeitung beruft sich dabei auf eine Rettungskraft, die anonym bleiben möchte. Demnach wird keine andere Verkehrsbehinderung in dieser Art statistisch erhoben. Dadurch werde klar ein "Feindbild Klimaaktivist" aufgebaut, so die Quelle. Diese Stimmung sei an Einsatzorten inzwischen deutlich spürbar.
Innensenatorin Spranger bestreitet Vorwürfe
Die Berliner Innnenverwaltung soll die Feuerwehr bereits im Juli per E-Mail um die Erhebung gebeten haben. Während sich die Feuerwehr gegenüber dem rbb dazu nicht äußern wollte, teilte ein Sprecher der Innenverwaltung auf Anfrage mit, dass das Vorgehen Daten zu sammeln ein üblicher Prozess sei. Besagte E-Mail wollte er weder bestätigen noch dementieren.
Deutlicher wurde Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) bestritt sie den unterstellten Aufbau eines Feindbildes: "Ich bin Innensenatorin und damit eine der Verantwortlichen für die Sicherheit in Berlin. Es wäre doch fraglich oder vielmehr fatal, wenn ich keinen Überblick über die Sicherheitslage hätte."
Mit Blick auf die erfassten Zahlen betonte sie am Freitag: "Genau deshalb benötige ich ja eben eine objektive, belastbare Informationsgrundlage, auf deren Basis ich mich mit aller Kraft für die Sicherheit der Menschen in Berlin einsetze. Ich muss wissen und nicht nur vermuten oder meinen".
Senat und Feuerwehr hatten vor einigen Tagen mitgeteilt, dass Einsätze der Feuerwehr seit dem Sommer in 17 Fällen durch Straßenblockaden von Klimaschutz-Demonstranten behindert worden seien. Fast immer ging es um ein verspätetes Eintreffen von Krankenwagen, zum Teil auch bei dringenden Nottransporten.
Scharfe Kritik von Koalitionspartnern
Aus der Berliner Regierungskoalition gab es kritische Stimmen zu der Datenerhebung der Innenverwaltung. So sagte Vasily Franco, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, dem rbb: "Frau Spranger sollte die Polizei ihre Arbeit machen lassen, die das ruhig und professionell tut, und sich auch nicht in die Angelegenheiten von Staatsanwaltschaften und Gerichten einmischen".
Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, sieht die Fokussierung auf Klimademonstrierende kritisch. Es gebe viele Gründe, weshalb Rettungsfahrzeuge verzögert am Einsatzort ankommen könnten: "Das können Staus sein, das können Falschparker sein. Es gibt auch viele Ursachen dafür, dass es tödliche Unfälle mit Radfahrenden gibt: fehlende Radwege, die schleppende Verkehrswende. Eine Innensenatorin kann dann auch innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit eine Menge dafür tun, dass es besser wird", so Schrader.
CDU wünscht sich Handeln nach bayerischem Vorbild
Die Opposition begrüßt dagegen härteres Vorgehen gegen Klimaaktivist:innen. "Wer einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr unternimmt, der muss selbstverständlich auch gemeldet und vermerkt werden", sagte der Berliner CDU-Chef Kai Wegner dem rbb, "und bei Wiederholungstaten erwarte ich, dass diese Leute in Gewahrsam genommen werden.
Wegner fordert dabei ein ähnliches Vorgehen wie in Bayern, wo mehrere Klimademonstrant:innen für 30 Tage in eine sogenannte Präventivhaft genommen wurden.
Klimaschützer:innen frustriert
Die Aktivist:innen der "Letzten Generation" äußerten sich frustriert zu den erfassten Daten: "Die Sonderbehandlung zeigt, dass der Rettungswagenfahrer, der anonym gesagt hat, dass das Feindbild aufgebaut werden soll, damit Recht haben könnte", sagte Áime von Baalen, Sprecherin der "Letzten Generation" der rbb24 Abendschau am Donnerstag.
Die Daten könnten die Klimaschützer:innen auf der anderen Seite aber auch entlasten, sofern keine unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Blockaden und Verzögerungen hergestellt werden können.
Neue Brisanz nach Feuerwehrbericht
Die Diskussion um die möglichen Gefahren durch die Klimablockaden hatten zuletzt eine neue Brisanz erhalten, nachdem in Wilmersdorf eine Radfahrerin von einem Betonmischer überrollt worden war. Sie starb einige Tage danach an ihren schweren Verletzungen. Ein Rüstfahrzeug der Berliner Feuerwehr stand auf dem Weg zum Einsatzort nach Klima-Blockaden im Stau. Die Aktivist:innen haben laut einem Bericht der Feuerwehr den Rettungseinsatz dadurch erheblich erschwert.
Ob die Frau mit einem früheren Eintreffen des Spezialfahrzeugs allerdings hätte gerettet werden können, bleibt unklar. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, dass der verspätete Wagen nach Einschätzung der Notärztin keine Auswirkungen auf eine mögliche Rettung der Frau hatte.
Sendung: rbb24 Abendschau, 10.11.2022, 19:30 Uhr
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