Straßenblockaden in Berlin - Erfassung von Einsatzdaten bei Klimaprotesten löst politische Debatte aus

Fr 11.11.22 | 17:00 Uhr
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Symbolbild: Ein Polizist versucht die festgeklebte Hand eines Mannes vom Asphalt zu lösen, während Polizisten versuchen eine Blockade der Protestgruppe „letzte Generation“ vor dem Berliner Hauptbahnhof auf der Invalidenstraße aufzulösen
Video: rbb24 Abendschau | 11.11.2022 | Philipp Höppner | Bild: dpa/Stefan Jaitner

Erhebt die Berliner Feuerwehr während Klimaprotesten mehr Daten als bei anderen Einsätzen? Das legt ein Medienbericht nahe und löst eine Debatte aus. Die Innensenatorin bestreitet unübliches Vorgehen - Kritik bleibt trotzdem nicht aus.

In den vergangenen Wochen brachten Klimaproteste der "Letzten Generation" den Berliner Verkehr immer wieder stellenweise zum Erliegen. Während der Blockaden durch Aktivist:innen ist die Berliner Feuerwehr angewiesen, genau zu dokumentieren, inwiefern die Proteste zu Verzögerungen bei Rettungseinsätzen führen. Das berichtet "Die Zeit" [Bezahlinhalt].

Die Zeitung beruft sich dabei auf eine Rettungskraft, die anonym bleiben möchte. Demnach wird keine andere Verkehrsbehinderung in dieser Art statistisch erhoben. Dadurch werde klar ein "Feindbild Klimaaktivist" aufgebaut, so die Quelle. Diese Stimmung sei an Einsatzorten inzwischen deutlich spürbar.

Innensenatorin Spranger bestreitet Vorwürfe

Die Berliner Innnenverwaltung soll die Feuerwehr bereits im Juli per E-Mail um die Erhebung gebeten haben. Während sich die Feuerwehr gegenüber dem rbb dazu nicht äußern wollte, teilte ein Sprecher der Innenverwaltung auf Anfrage mit, dass das Vorgehen Daten zu sammeln ein üblicher Prozess sei. Besagte E-Mail wollte er weder bestätigen noch dementieren.

Deutlicher wurde Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) bestritt sie den unterstellten Aufbau eines Feindbildes: "Ich bin Innensenatorin und damit eine der Verantwortlichen für die Sicherheit in Berlin. Es wäre doch fraglich oder vielmehr fatal, wenn ich keinen Überblick über die Sicherheitslage hätte."

Mit Blick auf die erfassten Zahlen betonte sie am Freitag: "Genau deshalb benötige ich ja eben eine objektive, belastbare Informationsgrundlage, auf deren Basis ich mich mit aller Kraft für die Sicherheit der Menschen in Berlin einsetze. Ich muss wissen und nicht nur vermuten oder meinen".

Senat und Feuerwehr hatten vor einigen Tagen mitgeteilt, dass Einsätze der Feuerwehr seit dem Sommer in 17 Fällen durch Straßenblockaden von Klimaschutz-Demonstranten behindert worden seien. Fast immer ging es um ein verspätetes Eintreffen von Krankenwagen, zum Teil auch bei dringenden Nottransporten.

Scharfe Kritik von Koalitionspartnern

Aus der Berliner Regierungskoalition gab es kritische Stimmen zu der Datenerhebung der Innenverwaltung. So sagte Vasily Franco, innenpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, dem rbb: "Frau Spranger sollte die Polizei ihre Arbeit machen lassen, die das ruhig und professionell tut, und sich auch nicht in die Angelegenheiten von Staatsanwaltschaften und Gerichten einmischen".

Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, sieht die Fokussierung auf Klimademonstrierende kritisch. Es gebe viele Gründe, weshalb Rettungsfahrzeuge verzögert am Einsatzort ankommen könnten: "Das können Staus sein, das können Falschparker sein. Es gibt auch viele Ursachen dafür, dass es tödliche Unfälle mit Radfahrenden gibt: fehlende Radwege, die schleppende Verkehrswende. Eine Innensenatorin kann dann auch innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit eine Menge dafür tun, dass es besser wird", so Schrader.

CDU wünscht sich Handeln nach bayerischem Vorbild

Die Opposition begrüßt dagegen härteres Vorgehen gegen Klimaaktivist:innen. "Wer einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr unternimmt, der muss selbstverständlich auch gemeldet und vermerkt werden", sagte der Berliner CDU-Chef Kai Wegner dem rbb, "und bei Wiederholungstaten erwarte ich, dass diese Leute in Gewahrsam genommen werden.

Wegner fordert dabei ein ähnliches Vorgehen wie in Bayern, wo mehrere Klimademonstrant:innen für 30 Tage in eine sogenannte Präventivhaft genommen wurden.

Klimaschützer:innen frustriert

Die Aktivist:innen der "Letzten Generation" äußerten sich frustriert zu den erfassten Daten: "Die Sonderbehandlung zeigt, dass der Rettungswagenfahrer, der anonym gesagt hat, dass das Feindbild aufgebaut werden soll, damit Recht haben könnte", sagte Áime von Baalen, Sprecherin der "Letzten Generation" der rbb24 Abendschau am Donnerstag.

Die Daten könnten die Klimaschützer:innen auf der anderen Seite aber auch entlasten, sofern keine unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Blockaden und Verzögerungen hergestellt werden können.

Neue Brisanz nach Feuerwehrbericht

Die Diskussion um die möglichen Gefahren durch die Klimablockaden hatten zuletzt eine neue Brisanz erhalten, nachdem in Wilmersdorf eine Radfahrerin von einem Betonmischer überrollt worden war. Sie starb einige Tage danach an ihren schweren Verletzungen. Ein Rüstfahrzeug der Berliner Feuerwehr stand auf dem Weg zum Einsatzort nach Klima-Blockaden im Stau. Die Aktivist:innen haben laut einem Bericht der Feuerwehr den Rettungseinsatz dadurch erheblich erschwert.

Ob die Frau mit einem früheren Eintreffen des Spezialfahrzeugs allerdings hätte gerettet werden können, bleibt unklar. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, dass der verspätete Wagen nach Einschätzung der Notärztin keine Auswirkungen auf eine mögliche Rettung der Frau hatte.

Sendung: rbb24 Abendschau, 10.11.2022, 19:30 Uhr

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26 Kommentare

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  1. 26.

    Ich finde diese detaillierte Datenerfassung richtig und wichtig.
    Es hat sich immerhin schon ergeben, dass Rettungseinsätze bei Anfahrt bzw. Zuführung zu Krankenhäusern verzögert wurden, u.a. bei einem Schlaganfall.
    Die sog. "Klima-Aktivisten" müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat und auch leben kosten kann. Auch wenn im Fall der Radfahrerin der Einsatz des Spezialfahrzeugs nichts geändert hätte, die psychische Belastung für den Menschen, nochmals über ihr Bein fahren zu müssen (Crash-Rettung), hätte vielleicht vermieden werden können.
    Im übrigen bin ich sowohl gegen Haftstrafen als auch gegen Geldstrafen. Gemeinnützige Arbeitsstunden wären die richtige Bestrafung. Da könnten sie dann mal tatsächlich für die Gesellschaft tätig werden.

  2. 25.

    Das ganze Geplärre um diese ,,Aktivisten" ist nicht mehr zu ertragen. Solange diese Leute mit Öl ,,sanft" von der Straße abgelöst werden und von der Polizei auf Händen getragen werden, haben die noch viel zu viel Aufmerksamkeit.
    Warum setzt man nicht Wasserwerfer ein, um diese Wegelagerei zu beenden? Hier muss viel härter durchgegriffen werden

  3. 24.

    Für mich ist diese Diskussion obsolet. Lasst einfach die Feuerwehr, Polizei u. Rettungsdienste ungestört ihre Arbeit machen! All diese Helfer in der Not müssen über ihre Einsätze penibel Protokoll führen bzw. Berichte davon erstellen. Es dient zur späteren internen Auswertung, für Verbesserungen bei künftigen Einsätzen, Schulungen, aber auch zur Feststellung und Belegbarkeit der ausgeführten Handlungen u. daraus evt. resultierenden Schuld-, bzw. von Schadenersatzfragen bei Gerichtsprozessen.

  4. 23.

    Bei der heutigen Blockade hat die Polizei einen Rettungswagen über den Bürgersteig geleitet. Unfassbar.

  5. 22.

    Bei Strafverfolgung der Protestler , gleiches Recht für alle. Wieviele Autos behindern täglich Einsatzkräfte? Richtig, etliche. Kriegt man aber leider schwerer zu fassen. Sind sie deshalb strafbefreit? Btw. Die Radfahrerin in Wilmersdorf ist in erster Linie von einem Lkw überfahren worden. Wäre es nicht zu dem Unfall gekommen, wäre die Debatte sicherlich eine andere. Leider berichtet man über mgl. Schutzmaßnahmen für Radfahrer und Fußgänger in diesem Zusammenhang recht wenig.

  6. 21.

    Da der Senat offensichtlich nicht interessiert ist, dem Treiben ein Ende zu setzen, wäre es vielleicht hilfreich, wenn mehr Gruppen mit unterschiedlichen Zielen diese Aktionsform übernehmen. Dafür braucht es weder eine große Organisation noch viele Demonstranten - es reichen ein paar Mitglieder aus der eigenen Chat-Gruppe.
    So dass demnächst an einer Autobahnausfahrt Menschen gegen die Russland-Sanktionen protestieren, an der nächsten gegen die Migrationspolitik demonstriert wird und sich an der dritten Leute wegen zu hoher Lebensmittelpreise auf die Straße kleben. Auch die Montagsspaziergänger könnten zukünftig Platz nehmen anstatt herumzulaufen. Damit würden die Klimaaktivisten eingerahmt und ihres Alleinstellungsmerkmals beraubt.
    Das könnte Anreize für Politik und Justiz setzen, die Blockaden zu beenden und falls nicht, gäbe es eine legitimierte Form 'zivilen Widerstands', die jeder für die eigenen Ziele in Anspruch nehmen kann.

  7. 20.

    Polizei, Feuerwehr, DRK - alles konservative, ewiggestrige Hasser von Umweltschützern. Tatsächlich?
    Dieses Framing möchte die "Letzte Generation" wohl zu gern erzeugen, um von der eigenen Nötigung der Autofahrer, ihrem praktizierten kunstfeindlichen Vandalismus in Galerien abzulenken.
    Diese Erpressertruppe erweist den echten Umweltschützern mit den bisher gezeigten Aktionen einen schlechten Dienst.
    Es schreckt regelrecht ab!

  8. 19.

    „ Die gesamte Kreuzung, an der sich die Durchgangsstraßen aus Mitte, Friedrichshain, Lichtenberg, Prenzlauer Berg und Kreuzberg treffen, musste zuvor für längere Zeit gesperrt werden, meldete die Verkehrsinformationszentrale (VIZ). Es bildeten sich lange Staus in alle Richtungen.“
    Das war sicher auch sehr klimaschützend, wenn hunderte Autos mit laufendem Motor im Stau stehen.

  9. 18.

    „ CDU wünscht sich Handeln nach bayerischem Vorbild“
    „ "Wer einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr unternimmt, der muss selbstverständlich auch gemeldet und vermerkt werden", sagte der Berliner CDU-Chef Kai Wegner dem rbb, "und bei Wiederholungstaten erwarte ich, dass diese Leute in Gewahrsam genommen werden.“
    Ich bin absolut kein CDU-Fan, aber wo er Recht hat, hat er Recht!

  10. 17.

    Parker in der 2.Reihe gibt es täglich Tausende in Berlin, die blockieren den Verkehr und haben auch ein Problem. Strafrechtliche Verfolgung?

  11. 16.

    „ Ansonsten könnte es bei der Wahlwiederholung in Berlin auch Überraschungen geben.“
    Das denke ich auch, und zurecht!

  12. 15.

    Immer wieder von den Grünen und Linken diese Verniedlichungen und Verhätschelungen dieser Terroristen. Wenn es Rechte oder Querdenker wären volle Härte der Justiz und Gerichte. Dieses zweierlei Denken des Rechtsstaates kotzt einen langsam an.

  13. 14.

    "Über 1,2 Millionen Autofahrer sind doch ein erhebliches Wahlpotential...."

    Und erst die Mehrheit in Berlin die kein Auto fährt! Und welche Überraschung?

  14. 13.

    Ich weiß gar nicht was dieses Geschrei von links soll ???!!! Es werden antisemitische Straftaten registriert, Straftaten von rechts, Straftaten gegen Schwule usw. Warum sollen nicht auch linke Straftaten und solche von Klimaterroristen registriert werden. Und wenn es dem Rettungssanitäter egal ist, dass sie regelmäßig wegen dieser Leute zu spät kommen, dann ist er wohl fehlplatziert in seinem Beruf.
    Nach Auskunft der Polizei sind bis jetzt 17 mal Rettungsfahrzeuge durch diesen Mist nachweislich behindert worden.
    Es ist schon erstaunlich wie dann argumentiert wird, dass auch Falschparker usw, dies verursachen können. Klar, kann sein, aber die Behinderungen durch diese Typen kommen dann eben noch hinzu. Die Politik sollte mal auf die 85 % der Bevölkerung hören, die diese Art von "Protest" kategorisch ablehnen.

  15. 12.

    Haben sich die Kleber schon mal ausgerechnet was ein Krieg für co2 ausstösst? Dann müssten sie sich in die Kriegsgebiete auf die Straße kleben. Ich glaube das ist ein vielfaches was die Autos in Berlin ausstoßen.

  16. 11.

    "Es gebe viele Gründe, weshalb Rettungsfahrzeuge verzögert am Einsatzort ankommen könnten: "Das können Staus sein, das können Falschparker sein. Es gibt auch viele Ursachen dafür, dass es tödliche Unfälle mit Radfahrenden gibt: fehlende Radwege, die schleppende Verkehrswende. Eine Innensenatorin kann dann auch innerhalb ihrer eigenen Zuständigkeit eine Menge dafür tun, dass es besser wird", so Schrader."

    So ist es, wobei die von Autofahrern verursachten Staus an erster Stelle stehen, die durch die nichtgebildeten Rettungsgassen noch verschärft werden. Im Fall der tödlich verunglückten Radfahrerin will die Feuerwehr vom eigenen Versagen ablenken.

    1. Warum gibt es in Berlin nur zwei dieser speziellen Rettungsfahrzeuge?

    2. Warum wurde der Weg über die A 100 gewählt obwohl die schon zugestaut war?

    3. Warum gibt die Feuerwehr nur scheibchenweise zu wie groß die Verzögerung wirklich war?

  17. 10.

    Feindbild Klimaaktivist? Nein. Feindbild Verkehrsteilnehmer. Ohne Rücksicht auf Verluste. Warum werden diese Straftäter mit Samthandschuhen angefasst? Weil sie im Sinne des rot-rot-grünen Senats handeln. Autoverkehr behindern, wo es geht.

  18. 9.

    Passiert tagtäglich im Straßenverkehr:
    Problem: kein Parkplatz, also werden Feuerwehrzufahrten oder Löschwasserentnahmestellen durch Falschparker blockiert. Da wird aber nichts ein Gewese drum gemacht...

  19. 8.

    Ja andere Länder sind im Umgang mit Straftaten beneidenswert. Hier ist ja der Täter der Heilige der zu schützen ist.

  20. 7.

    Feindbild durch die Feuerwehr? Anonymer Hinweisgeber? Das schaffen diese Klima-Terroristen schon von ganz alleine!

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