Berlin & Brandenburg - Was Sicherungsverwahrung für Straftäter bedeutet - und warum es sie gibt

Fr 24.02.23 | 15:45 Uhr
Raum für Sicherungsverwahrte in Berlin (Quelle: dpa/Hannibal Hanschke)
Bild: dpa/Hannibal Hanschke

Die Flucht eines sicherungsverwahrten Straftäters in Berlin sorgt seit Tagen für Aufsehen. Wie viele Menschen sind in der Region überhaupt in Sicherungsverwahrung? Und was sind die Voraussetzungen dafür?

Nachdem ein Mann, der sich in Sicherungsverwahrung in Brandenburg/Havel befindet, Mitte Februar bei einem Ausflug in Berlin geflohen ist, hat sich am Mittwoch Brandenburgs Jusitzministerin zu Wort gemeldet. Der von Justizbediensteten begleitete Ausflug des Mannes sei eine Maßnahme gewesen, um ihn auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. Die Sicherungsverwahrung stellt definitiv keine Strafe für den Täter mehr dar - diese hat er schon verbüßt. Begleitete Ausflüge nach draußen sind von Bundesverfassungsgericht und Justizministerium im Rahmen der Resozialisierung ausdrücklich gewollt.

Was Sicherungsverwahrung ist und warum es sie gibt

Die grundsätzlich unbefristete Sicherungsverwahrung ist die Antwort auf die Frage, wie man mit gefährlichen Straftätern umgeht, die zwar ihre Haftstrafe verbüßt haben, aber nach einem Gerichtsgutachten zu gefährlich (§ 66 Absatz 1 Nr. 4 StGB) [bundejustizsamt.de] sind, um wieder in Freiheit zu leben. Es handelt sich also um eine vorbeugende Maßnahme, um die Bevölkerung zu schützen. Es muss jährlich von einem Gutachter geprüft werden, ob weiterhin Gefahr von der einsitzenden Person ausgeht.

Die Sicherungsverwahrten werden in besonderen Abteilungen oder eigenständigen Anstalten von Justizvollzugsanstalten untergebracht (sogenanntes Abstandsgebot) [bundesrat.de].

Die Sicherungsverwahrung gilt als das schärfste Schwert, das es im deutschen Strafrecht gibt. Weil sie die Grundrechte der Betroffenen beeinträchtigt, darf das Gericht sie nur unter strengen Bedingungen anordnen.

Im Brandenburgischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (BbgSVVollzG) [landesrecht.brandenburg.de] wurden die Vorgaben für Sicherungsverwahrte auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Das Gesetz gibt als Ziel des Vollzugs vor, die Gefährlichkeit der Untergebrachten so zu mindern, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann.

Zimmer für Sicherungsverwahrte in Brandenburg an der Havel (Quelle: dpa/Bernd Settnik)Zimmer für Sicherungsverwahrte im Neubau in Brandenburg an der Havel, der 2014 eröffnet wurde

Welche Straftäter in Sicherungsverwahrung kommen

In Sicherungsverwahrung kommen nur bereits mehrfach verurteilte Straftäter, die dazu neigen, immer wieder schwere Straftaten zu begehen, die für die Allgemeinheit besonders gefährlich sind. Die Straftäter haben eine oder in der Regel mehrere schwere Straftaten (hauptsächlich Gewaltstraftaten und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung) begangen und bei ihnen wurde ein sogenannter Hang zu erheblichen Straftaten festgestellt.

Bei erwachsenen Tätern kann das Gericht bereits im Urteil anordnen, dass sie nach der Haft in Sicherungsverwahrung kommen sollen – oder sich dies vorbehalten. Die Maßregel kann auch nachträglich angeordnet werden. Nach dem Jugendstrafrecht können auch sehr junge Täter in Sicherungsverwahrung genommen werden – für sie darf sie aber nur nachträglich angeordnet werden.

In Deutschland befanden sich nach Angaben des Bundesamtes für Statistik im Jahr 2022 insgesamt 604 Strafgefangene in Sicherungsgewahrsam. Das ist die höchste bislang verzeichnete Anzahl.

In Berlin waren 2022 nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg 37 Sicherungsverwahrte, in Brandenburg acht. Alle davon waren Männer. Insgesamt waren in Berlin im Jahr 2022 3.289 Menschen inhaftiert, in Brandenburg 1.187. [statistik-berlin-brandenburg.de]

Unter den Bedingungen findet Sicherungsverwahrung statt

Die Ausgestaltung des Vollzugs in der Praxis ist Sache der Bundesländer. In einer Reform wurde 2011 bzw. 2013 geregelt, dass die Sicherungsverwahrten eigene Schlaf- und Wohnräume sowie intensivere Therapieangebote bekommen sollen. Das soll den Tätern in Abgrenzung zur "normalen" Haft helfen, irgendwann wieder in das Leben in Freiheit zurückzukehren.

In Berlin [berlin.de] gibt es im Rahmen der JVA Tegel seit 2021 auf dem Gelände der JVA eine neue Einrichtung in einem Neubau für die Sicherungsverwahrten. Kostenpunkt 14 Millionen Euro. Hier gibt es 60 Einzelzimmer in insgesamt sechs Wohneinheiten. Den Sicherungsverwahrten stehen hier unter anderem Wohnküchen, Gemeinschaft- und Sporträume sowie arbeitstherapeutische Werkstätten (Fahrradwerkstatt und Korbflechterei) sowie ein eigenes Freistundengelände mit Tennisplatz, Tischtennisplatten und Verweilmöglichkeiten zur Verfügung. Einzelne der Sicherungsverwahrten in Berlin befinden sich im offenen Vollzug.

In Brandenburg wurde zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel ein Neubau für den Vollzug der Sicherungsverwahrung [mdj.brandenburg.de] errichtet, der 2014 bezogen wurde. Kostenpunkt: 10 Millionen Euro. Der Bau ist auch hier getrennt von der Justizvollzugsanstalt. Auch hier hat jeder Sicherungsverwahrte einen eigenen Wohnbereich mit seperatem Sanitärbereich, den er individuell gestalten kann. Zwischen 6 und 21 Uhr können sich die Strafgefangenen frei in der Einrichtung und dem Außengelände bewegen. Einige der Sicherungsverwahrten arbeiten auch beispielsweise als Gärtner in der Einrichtung. Es stehen den dort Untergebrachten eine Kreativwerkstatt, ein Musik-, ein Sport- und ein PC-Raum zur Verfügung. Auf der Außenanlage kann Obst und Gemüse angebaut werden. Einige der Männer halten auch Haustiere in ihrem Bereich.

Kontakt nach "draußen" halten die Sicherungsverwahrten brieflich, telefonisch oder besuchsweise.

Sendung: rbb24 Abendschau, 24.02.2023, 19:30 Uhr

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