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Quelle: imago images/M.Raedlein

Interview | Klimaforscher nach Starkregen-Tagen

"Trockener Boden braucht fünf Monate, bis er sich erholt"

Ist es jetzt besser? Der Klimaforscher Andreas Marx sagt, welche positiven Effekte die Regenschauer der letzten Tage hatten, aber auch, wo sie nicht helfen. Und er erklärt, inwiefern das alles mit dem Klimawandel zu tun hat.

rbb|24: Herr Marx, mit dem Dürremonitor zeichnen Sie auf, wie trocken es in Deutschland ist. Nach den Regenfällen der letzten Tage müsste es jetzt in Berlin und Brandenburg eigentlich entspannt sein, oder?

Andreas Marx: Zumindest für die oberen Bodenschichten stimmt das tatsächlich. Hier ist es nass und das ist für die Landwirtschaft ein gutes Zeichen.

Aber in den tieferen Bodenschichten ist es nach wie vor ungewöhnlich trocken in der Region Berlin-Brandenburg. Das sieht man an unseren Karten sehr gut, da ist alles dunkelbraun. Und das Braun, das bedeutet: Hier ist es so trocken, wie es eigentlich nur alle 50 Jahre zu erwarten wäre.

Aber wieso kommt das Wasser nicht weiter unten im Boden an? Oben sind die Straßen doch teils überflutet, weil es so viel Regen gibt.

Eben darum. Das klingt immer absurd, wenn man die Wassermassen sieht. Aber wenn wir mit Regenstiefeln in den Fluten stehen, läuft das Wasser oberflächlich weg. Es geht eben nicht in den Boden. Die tieferen Bodenschichten bleiben trocken, weil der Regen schneller vom Himmel fällt als das Wasser sich im Boden nach unten bewegen kann. Darum hat man jetzt in den letzten Tagen eine Flutwelle durch Bäche und Flüsse fließen sehen.

Wer ist das?

Wie genau messen Sie denn überhaupt die Trockenheit im Boden? Haben Sie in ganz Deutschland haufenweise Sonden im Boden verbuddelt?

Nein, das geht in der Form leider nicht. Denn Messgeräte können immer wieder kaputt gehen und müssen dann ausgetauscht werden. Bei einer normalen Wetterstation ist das auch kein Problem. Da tauschen sie die Sonde aus und können direkt weitermessen. Wenn aber ein Messgerät im Boden ist, müssen sie es mit viel Aufwand es ausbuddeln. Und dann kommt noch hinzu, dass Sie dabei die Bodenstruktur verändern. Sprich wenn sie das wieder vergraben, können sie die Messwerte vorher eigentlich nicht mit denen danach vergleichen.

Wie machen Sie es also dann?

Wir haben ein komplexes Computermodell Deutschlands mit Bergen, Flussverläufen, Bodentypen, Landnutzung und so weiter. Das füttern wir mit Wetterdaten von den rund 2.500 Messstationen und berechnen, wie der Regen in den Boden einsickert und wie die Flüsse reagieren. Und damit wir sicher sein können, das wir da nicht irgendetwas unrealistisches berechnen, vergleichen wir die Ergebnisse unseres Modells mit Messungen an 40 Standorten, die über Deutschland verteilt sind.

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Wieso ist es überhaupt ein Problem, wenn der Boden in tiefen Schichten so trocken ist? Die Kartoffeln, die auf dem Acker wachsen, haben doch keine Wurzeln, die mehrere Meter in die Tiefe reichen. Und Erdbeeren auch nicht.

Aber die Wurzeln von Bäumen reichen natürlich so tief, und da liegt der Unterschied. Ein starker Regen, ein paar Tage nass, das kann für Landwirte die ganze Lage entspannen. Für den Wald ist das aber anders.

Wie ist denn die Lage in den Wäldern?

Die Wälder haben 2018 schon unter dem extrem trockenen Sommer gelitten. Richtig sichtbar geworden ist das aber erst nach einem weiteren trockenen Sommer 2019. Und seitdem treten in den Wäldern trockenheitsbedingt regelmäßig Schäden auf. Das ist im Grunde das Vertrackte. Einerseits dauert es mindesten fünf trockene Monate, bis ein normallfeuchter Boden bis in 2 Meter Tiefe völlig ausgetrocknet ist. Andererseits, wenn der Boden erstmal trocken ist, dann dauert es auch mindestens fünf Monate, bis sich das erholt.

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Also fünf regenreiche Monate im Sommer und Herbst sollten jetzt kommen?

Nein, im Sommer kann selbst das zu wenig sein, weil Pflanzen mit den Wurzeln permanent Wasser aus dem Boden ziehen und weil bei höheren Temperaturen mehr Wasser verdunstet. Wirklich Feuchtigkeit aufbauen kann sich bis in die tieferen Bodenschichten daher eher über das Winterhalbjahr. Wenn es da mal dauerhaft Nieselregen gebe, das würde helfen. Oder einfach gesagt: 100 Liter Niederschlag sind prinzipiell gut pro Monat. Aber die sollten eben nicht nur an zwei Tagen fallen, sondern über den Monat verteilt.

Sind das alles schon Effekte des Klimawandels?

Ich finde das teils müßig darüber zu streiten, welche Dürre vom Klimawandel kommt und welcher Regenguss nicht. Fakt ist, dass es in Mitteleuropa so trocken ist, wie seit 250 Jahren nicht mehr. Und Fakt ist, dass alle gängigen Klimamodelle vorhersagen, dass es mehr Extremereignisse gibt. Und darum müssen wir in Deutschland im Umgang mit Wasser umdenken.

Was heißt das denn genau?

Momentan sind zum Beispiel unsere Städte darauf ausgelegt, dass Regenwasser möglichst schnell Richtung in die Kanalisation fließt und dann aus der Stadt. Nur mitunter ist damit die Kanalisation überfordert. Besser wäre es, das Wasser würde vor Ort versickert oder in Zisternen gespeichert. Damit hätte man zwei positive Effekte: Bei längeren Trockenphasen können wir den Regen in der Stadt effektiver nutzen und würde so der Trockenheit entgegenwirken. Gleichzeitig hätten wir auch einen Schutz vor Überschwemmungen bei starkem Gewitterregen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Haluka Maier-Borst, rbb|24.de

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