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Quelle: dpa

Angriffe auf Menschen

Hunde beißen in Berlin deutlich häufiger als in Brandenburg

Bei Hunde-Attacken wurden in Brandenburg zuletzt mehrere Menschen schwer verletzt. Eine Zunahme solcher Vorfälle lässt sich statistisch nicht belegen. Dafür zeigen die Zahlen einen auffälligen Unterschied zwischen Berlin und Brandenburg. Von Roberto Jurkschat

Gleich zwei gefährliche Hundebisse wurden am Anfang der Woche der Brandenburger Polizei gemeldet. In Burg (Spreewald) attackierten demnach drei Labrador-Terrier-Mischlinge eine 61-jährige Radfahrerin. Ein Rettungshubschrauber musste die Frau mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus bringen.

In Perleberg (Prignitz) wurde ein 53-jähriger Passant von einem Schäferhund in den Oberschenkel gebissen. Als der Mann um eine Hausecke bog, soll sich das Tier nach Angaben des Hundehalters erschrocken und zugebissen haben. Auch er kam in ein Krankenhaus.

Nur zwei Wochen zuvor, Anfang Juli, meldete die Polizei, dass ein Hund zweijähriges Mädchen in Falkenhagen (Märkisch-Oderland) in den Kopf gebissen und schwer verletzt hatte. Ein besonders schwerer Fall ereignete sich außerdem im April: Ein 81-jähriger Mann starb in einem Krankenhaus bei Seelow (Märkisch-Oderland), nachdem er laut Staatsanwaltschaft von vier englischen Bulldoggen attackiert wurde.

Bei Seelow in Märkisch-Oderland

Mann wird von vier Hunden gebissen und stirbt

300 gebissene Menschen pro Jahr

Verletzungen durch Hundebisse sind nach Angaben des Brandenburger Innenministeriums keine Seltenheit: Der Behörde zufolge ereignen sich jährlich rund 300 Hunde-Attacken in Brandenburg - also beinahe eine pro Tag. Die Zahl ist seit 15 Jahren relativ stabil.

Im vergangenen Jahr gingen die meisten Angriffe zurück auf Mischlinge (72), Schäferhunde (64), Golden Retriever (43), Boxer (24) und Rottweiler (18) - allerdings ist unklar, wie groß der zahlenmäßige Anteil dieser Hunderassen an den 126.000 in Brandenburg registrierten Vierbeinern ist.

Aus einer früheren Auswertung des Ministeriums geht hervor, dass nur ein kleiner Teil der Angriffe die fünf Hunderassen betrifft, die in Brandenburg als "unwiderleglich gefährlich" gelten. In diese Kategorie fallen American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier, Staffordshire Terrier und Tosa Inu.

Die Haltung dieser Arten ist an verschiedene Auflagen gebunden, unter anderem müssen die Hunde in der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen. 2020 waren in Brandenburg laut Innenministerium lediglich 24 solcher Hunde registriert. Insgesamt waren in diesem Jahr 273 Menschen durch Hundebisse verletzt worden.

Hunde in Berlin beißen häufiger zu

In Berlin waren nach Angaben der Finanzverwaltung im Mai 2022 insgesamt 126.300 Hunde registriert - das sind fast genau so viele wie in Brandenburg. Allerdings ist die Zahl der gemeldeten Hundebisse in der Hauptstadt fast doppelt so hoch. Auf Anfrage von rbb|24 erklärte die Justizverwaltung, dass durch Hundeangriffe im vergangenen Jahr 489 Menschen leicht und 87 schwer verletzt wurden. 35 dieser Verletzungen gingen dabei auf Bisse von Hunden zurück, deren Arten in Berlin als "gefährlich" gelten.

Wenn Geschädigte wegen einer Bissverletzung Anzeige bei der Polizei oder beim Ordnungsamt erstatten, kann das für Hundehalter teuer werden: Neben den Kosten für die medizinische Behandlung sieht das Gesetz zum Teil hohe Schmerzensgelder vor. Ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft sagte rbb|24, im Bundesdurchschnitt koste ein Schaden durch einen Hundebiss rund 1.000 Euro. Allerdings gebe es pro Jahr etwa 100 Unfälle, die 50.000 Euro und mehr kosten.

In Berlin sind Hundehalter verpflichtet, eine Hundehaftpflichtversicherung abzuschließen, die Kosten von bis 1.000.000 Euro übernimmt - und einen maximalen Eigenanteil von 500 Euro vorsieht. In Brandenburg gilt eine solche Pflicht nur für die Halter sogenannter "gefährlicher Hunde".

Nach mehreren Biss-Attacken

Verwaltungsgericht weist Klage von Hundebesitzerin gegen Haltungsverbot ab

Hundetrainer: Räumliche Enge kann zu Problemen führen

Dass Hunde in Berlin deutlich häufiger zubeißen, hat nach Auffassung des Hundetrainers und Verhaltenspsychologen Bernd Schetzek vor allem etwas mit den räumlichen Gegebenheiten zu tun. "In urbanen Gebieten kommt es deutlich häufiger zu Begegnungen zwischen Menschen und Hunden, dadurch ergeben sich auch mehr Situationen, in denen es überhaupt zu Hundebissen kommen kann", sagt Schetzek, der in seiner Hundeschule in Blankenfelde-Mahlow (Teltow-Fläming) auch sogenannte "Problemhunde" trainiert, die schon einmal zugebissen haben.

"Es hängt auch immer von der Haltung des Hundes und der Sozialisierung ab", sagt Schetzek. "Wenn ein Hund wenig Umweltreizen ausgesetzt war, entsteht gerade in urbanen Umgebungen Unsicherheit und Angst - und damit auch unter anderem Aggression."

Auch die Erfahrungen eines Hundes seien ausschlaggebend dafür, wie sich das Tier in ungewohnten Situationen verhalte. "Wenn ein Hund geschlagen oder bedroht wurde, wenn er von Menschen schon einmal in die Enge getrieben wurde, kann das Beißreaktionen auslösen."

Zu Konflikten mit anderen Hunden könne es zudem kommen, wenn Hunde Nahrung, einen Liegeplatz oder ein Territorium verteidigen wollten. Hundehalter, gerade an beengten Orten, an denen es wenige Ausweichmöglichkeiten gibt, sollten Hunde deshalb eng an der Leine führen, sagt Schetzek.

Spreewald und Prignitz

Zwei Menschen in Brandenburg durch Hunde-Bisse schwer verletzt

Leinenpflicht und Maulkorbzwang

In Berlin und in Brandenburg ist die Leinenpflicht gesetzlich geregelt. In Berlin etwa gilt eine umfassende Leinenpflicht, die nicht viele Ausnahmen kennt. In Bussen und Bahnen müssen Hunde entweder in einer Transportbox mitgenommen werden oder einen Maulkorb tragen. In öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Bahnhöfen müssen die Tiere zudem immer angeleint sein.

Auf Spielplätzen, in Badeanstalten und an gekennzeichneten öffentlichen Badestellen und Liegewiesen sind Hunde generell verboten, das gilt in Berlin und in Brandenburg gleichermaßen. Hierher dürfen Hunde auch angeleint nicht mitgenommen werden. Die Wälder Berlins unterliegen, ähnlich wie andere Grünflächen, der Auflage, dass die Hundeleine höchstens zwei Meter lang sein darf. Die Pflicht, einen Maulkorb zu tragen, gilt in Berlin für die sogenannten gefährlichen Hunde ab einem Alter von sieben Monaten.

In Brandenburg sind Leinenpflicht und Maulkorbzwang unter Paragraf 3 der Hundeverordnung geregelt. Hunde müssen demnach an einer maximal zwei Meter langen Leine geführt werden, wenn sie sich beispielsweise auf öffentlichen Veranstaltungen, auf Sport- und Campingplätzen, in Garten und Grünanlagen, Einkaufszentren, Fußgängerzonen oder in Verwaltungsgebäuden befinden. Gefährliche Hunde sind außerhalb der Wohnung beziehungsweise des befriedeten Besitztums überall an einer maximal zwei Meter langen Leine zu führen und müssen zusätzlich einen Beißkorb tragen.

Ein Restrisiko bleibt

Hundetrainer Schetzek ist allerdings der Ansicht, dass die Hundehalter bei der Prävention von Bissen eine entscheidende Rolle spielen. "Wenn wir einen Hund bekommen, der gebissen hat, dann schauen wir uns immer als erstes an, wo und wie der Hund lebt. Oft ist die Umgebung zu eng oder die Erziehung des Hundes stimmt nicht." In Hundeschulen lasse sich ein weniger aggressives Verhalten antrainieren, sagt Schetzek. "Eine Garantie ist das aber nicht. Wenn ein Hund einmal zugebissen hat, kann leider nie ganz ausgeschlossen werden, dass das noch einmal passiert."

Sendung: Brandenburg aktuell, 26.07.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Roberto Jurkschat

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