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Quelle: Paul Mosebach

Interview | Paludikultur

"Moorböden tragen zur Verbesserung des regionalen Klimas bei"

Seit Jahrhunderten schon werden Moorböden in Deutschland entwässert, um die Flächen landwirtschaftlich zu nutzen. Jetzt sollen viele Flächen wiedervernässt werden. Warum das nicht nur Vorteile für das Klima hat, erklärt der Ökologe Paul Mosebach.

In Brandenburg gibt es etwa 260.000 Hektar an organischen Böden, Mooren und Moorfolgeböden, bei denen der Torfkörper schon weitgehend abgebaut ist. Nur noch 9.000 Hektar kann man als naturnahe Moore bezeichnen und auf weiteren etwa 14.000 Hektar sind die Wasserstände so hoch, dass der Torf gerade noch erhalten oder nur gering zersetzt wird. Auf dem Rest der Böden findet zum größten Teil Landwirtschaft statt, wozu die Moore mehr oder minder stark entwässert werden. Das Problem: Die Moore speichern riesige Mengen an Kohlenstoff und die niedrigen Wasserstände führen zum Abbau organischer Substanz und großen Emissionen an klimarelevanten Gasen.

rbb|24: Herr Mosebach, jetzt sollen vermehrt Moore aus Klimaschutz-Gründen wiedervernässt werden. Gibt es noch andere Argumente für die Wiedervernässung der Moorböden?

Paul Mosebach: Auch wenn der Klimaschutz immer herausgestellt wird, so ist er neben dem Erhalt wertvoller Biotope und der Bodengesundheit nicht das alleinige Argument für die Wiedervernässung. Der Erhalt der landwirtschaftlich genutzten Moorböden, der nur durch einen Stopp der Entwässerung realisierbar ist, trägt auch zur Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts bei. Bei einer Zunahme von sich abwechselnden Wetterextremen, wie Starkregen und langen Trockenperioden brauchen wir Wasserspeicher als Ausgleich. Die Moorböden erfüllen dabei eine wichtige Funktion, sie nehmen Wasser auf und tragen dann durch Verdunstung zur Verbesserung des regionalen Klimas bei.

Wie muss sich die Landwirtschaft dafür umstellen?

Da muss man unterscheiden zwischen landwirtschaftlicher Produktion auf wiedervernässten Flächen mit Erhalt des Torfkörpers, der sogenannten Paludikultur - dazu sollte der Wasserspiegel nicht tiefer als zehn Zentimeter unter die Bodenoberfläche sinken - und der feuchten bis sehr feuchten Moorbewirtschaftung mit Wasserständen von 10 bis 45 Zentimetern unter Flur. Das ist der Bereich, in dem der Torf nur schwach zersetzt wird.

Wasserbüffel kommen gut mit Feuchtwiesen klar | Quelle: Franz Wenzel

Je nach Wasserstand können beispielsweise Schilf und Rohrkolben in Paludikultur angebaut werden oder Nasswiesen zum Anbau oder zur Ernte von Biomasse für stoffliche, energetische oder auch tiergebundene Verwertungen genutzt werden. Sogar Tierhaltung ist möglich. Wasserbüffel kommen auch mit hohen Wasserständen zurecht und bei eher feuchter Bewirtschaftung kommen auch andere robuste Rinderrassen, wie Galloways oder Fjäll-Rinder in Frage. Auch an Gatter-Haltung unseres einheimischen Rotwilds ist zu denken. Milchviehhaltung ist eher schwierig, da reichen die Energiegehalte der dort vorkommenden Pflanzen in der Regel nicht aus.

Ist die Umstellung auf neue Bewirtschaftungsformen für die Landwirtschaft überhaupt leistbar?

Da müsste man auch immer fragen, ist die Beibehaltung der aktuellen Nutzung leistbar? Um die Flächen ackerbaulich zu bewirtschaften ist eine tiefe Entwässerung nötig. Durch die anschließende Bodenbearbeitung wird der Torf belüftet und Mikroorganismen können die Torfe zersetzen, der Torfkörper sackt zusammen. All dies führt zu Höhenverlusten im Bereich von etwa zwei Zentimetern pro Jahr. Auch bei der entwässerungsbasierten Nutzung als Grünland betragen die Höhenverluste immer noch gut einen Zentimeter. Die Entwässerung wird in der Folge immer schwieriger und auch die Befahrbarkeit kann leiden, weil sich beispielsweise lückige Grasbestände bilden. Die Bewirtschaftung wird auch dadurch erschwert, dass der degradierte Torf vermulmt. Teilweise fühlt er sich dann so an, als ob man Kohlenstaub in den Händen hätte. Diese Substanz kann dann weder Nährstoffe noch Wasser gut leiten oder speichern.

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Eine Herausforderung der Wiedervernässung ist natürlich die verminderte Tragfähigkeit der Standorte. Das heißt, ich muss mit anderer Technik bewirtschaften und ich muss die Verwertung des Aufwuchses anpassen. Es wachsen auch andere Pflanzen als im trockenen Zustand. Das sind große Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaftsbetriebe stehen. Wir haben aber auch mit Landwirten gesprochen, die berichteten, dass sie in Trockenperioden Vorteile durch die hohen Wasserstände hatten: höhere Erträge, weil die Bestände aufgrund der hohen Wasserverfügbarkeit widerstandsfähiger waren.

Wie muss die Technik umgerüstet werden, um auf wiedervernässten Böden arbeiten zu können?

Im Zeitraum 2020 bis 2023 gab es die Pro-Moor-Richtlinie, eine Förderung des Landes Brandenburg zur Anschaffung moorschonender Technik für Landwirtschaftsbetriebe. Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde hat den Einsatz dieser Technik wissenschaftlich begleitet. Um die Herausforderung der verminderten Tragfähigkeit zu lösen, gibt es nun zwei Ansätze: den Einsatz möglichst leichter Technik oder Technik mit einer möglichst großen Aufstandsfläche, also der Kontaktfläche zwischen Fahrwerk und Boden.

Raupenbasiertes Spezialfahrzeug zur Ernte auf Moorflächen | Quelle: Paul Mosebach

Bei den leichten Geräten handelt es sich beispielweise um handgeführte Motormäher, an denen auch ein Trittbrett als Standplatz für den Fahrer montiert sein kann. Tatsächlich gibt es auch kleine ferngesteuerte Geräteträger mit Raupenlaufwerken. Das ist aber eher etwas für kleine Flächen, im kommunalen Bereich oder zur Biotoppflege, da die Flächenleistung der Geräte vergleichsweise gering ist.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz raupenbasierter Spezialtechnik. Dabei handelt es sich entweder um Pistenraupen, die zum Einsatz im Moor umgebaut werden. Oder speziell entwickelte Raupenfahrzeuge kommen beispielsweise als Mähraupen zum Einsatz. Aber auch die Standardtechnik kann an die Verhältnisse im Moor angepasst werden. Hier gibt es mittlerweile einige Möglichkeiten. Normale Traktoren, Ladewagen usw. können mit besonders breiten Reifen oder Doppelreifen nachgerüstet werden. Eine Möglichkeit die viele der untersuchten Betriebe genutzt haben.

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Zur Person

Gibt es denn aktuell Fördermittel für die Erhaltung von Moorböden?

Die Umstellung auf eine sehr feuchte oder nasse Bewirtschaftung verursacht natürlich auch Kosten. Dafür stehen in Brandenburg verschiedene Fördermöglichkeiten bereit. So können die Betriebe bei Wiedervernässung von Moorböden eine abgestufte Förderung erhalten. Je nachdem ob sie den Wasserstand auf 10, 20, 30 oder 40 Zentimeter unter die Bodenoberfläche anheben. Auch der Anbau von Paludikulturen und die Anschaffung moorschonender Technik wird weiterhin gefördert. Für Betriebe, die keine staatlichen Subventionen in Anspruch nehmen, gibt es beispielsweise Förderungen vom Nabu.

Wo sehen Sie noch Potential, um die Wiedervernässung für die Landwirtschaft attraktiver zu machen?

Es gibt schon ein breites Angebot an geeigneter Technik. Weiteres Potential sehe ich noch in der Vernetzung der Landwirtschaftsbetriebe untereinander. Hier bieten sich Maschinenkooperationen an, in denen sich die Betriebe teure Technik teilen können und Erfahrungswissen austauschen. Mittlerweile gibt es auch Landwirtschaftsberaterinnen und Berater, mit dem Schwerpunkt Moornutzung. Auch für uns als Wissenschaftler ist der Austausch mit der Praxis immens wichtig. Wir können uns dort die Anforderungen der Landwirtschaft sozusagen direkt abholen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Andreas Heins. Es handelt sich um eine redigierte Fassung.

Sendung: rbb Fernsehen, 21.11.2023, 20:15 Uhr

Beitrag von Andreas Heins

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