Die Gurke muss knackig sein. Und saftig sowieso. Und natürlich muss der Biss stimmen. Gurkenliebhabern läuft allein bei der Erwähnung des Spreewalds das Wasser im Mund zusammen: Sie denken nur noch an die Gurke. Doch ihr Name kann auch missbraucht werden.
24 kleine Geschichten über die großen Errungenschaften und kleinen Niederlagen der Brandenburger und Berliner in Sachen "Essen und Trinken". Alle Türchen auf einen Blick finden Sie hier.
Es ist 2019 und wir befinden uns im Jahr der Gurke. Und da dieses "2019" so wunderbar gurkig war, ist auch das nächste Jahr noch einmal ein Jahr der Gurke geworden. Diese doppelte Jahresüberschrift ist keine Order des Gurkenverbands (gibt's nicht) sondern des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt.
Der Verein ist in Sorge um diese wunderbare landwirtschaftliche Frucht und hat darum die Gurke für zwei Jahre zu ihrem aktuellen Botschafter der kulinarischen Vielfalt gemacht. Wir helfen dabei und haben darum auch die Gurke in dieses Kalendertürchen eingelegt.
Deutschland ist weltwelt nicht gerade ein Bigplayer im Gurkenanbau. China produziert laut der Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen etwa 300 Mal so viele Gurken. Deutschland bewegt sich rein mengenmäßig auf dem Weltrang 19 - etwa auf einem Gurkenniveau zwischen Weißrussland und dem Sudan.
... | Quelle: dpa/Jochen Zick
Die Gurke als Einzelexemplar aus der Dose
Qualitativ gesehen gibt es allerdings gurkenmäßig weltweit nur ein Spitzenprodukt - und zwar die Spreewaldgurke. Entscheidend dabei ist genau auch dieser Namen. Die Spreewaldgurke reagiert nicht, wenn man sie so ein bisschen angeenglischt mit "cucumber" oder "gherkin" anspricht, auch "Cornichon" trifft es nicht. "Essiggurke" wäre eine kulinarische Verkürzung, und die Bezeichnungen "Gommern", "Gümmerle", oder "Umurke" mögen in anderen Regionen Deutschlands oder der Nachbarn die Gurke meinen. Im Spreewald und rundrum ist die einzig erlaubte Bezeichnung der Spreewaldgurke eben "die saure Gurke", also die in der Salzlake, - und dann noch die Spreewälder Gewürzgurke in Branntweinessig.
Die Spreewaldgurke aber ist nicht nur ein Fall für den Duden, sondern auch für Gourmets. Restaurants können die Spreewaldgurke mittlerweile einzeln und vakuumverpackt in Minidöschen ordern. Die Gurke kommt dann in ganz verschiedenen Variationen etwa mit Dill, Piment, Basilikum, Senf, Meerrettich, Kirschblättern, Lorbeer, Salz, Essig, Zwiebel, Knoblauch, Senfkörnern, Pfeffer, Chili und mit vielen großen und kleinen teils sehr geheimen anderen Zutaten feinstens abgeschmeckt. Klar dürfte dabei auch sein, dass die Spreewaldgurke nicht einfach nur im Spreewald eingelegt wird: Die später sauren Gurken müssen auch schon als Rohprodukte aus der Region kommen, also angebaut werden.
Denn sie trägt saure Liebe in sich
Sicherstellen, dass die Spreewaldgurke auch im und rund um den Spreewald gewachsen ist und hier versauert wurde, soll ein regionales Qualitätssiegel, das sogenannte "EU-Gemeinschaftszeichen". "Spreewaldgurke" ist darum nun eine geschützte geographische Angabe und festgehalten in der EWG-Verordnung 628/2008. Ein amtliches Siegel des besonderen Geschmacks.
Außerdem gibt es bei der Spreewaldgurke noch eine Art Detailstreit: die große Frage nach Eimer, Fass und Glas - also nach dem genau richtigen Behältnis für die Gurke. Freddy von "Freddys Gurkenfass" aus Lübbenau klärt dazu genauestens auf: "Die Einlegegurken aus dem Spreewald werden mit frischen Kräutern und Gewürzen im Fass eingelegt. Um die Frische und die Qualität zu erhalten, müssen die Fassgurken gekühlt werden. Um die Kühlkette nicht zu unterbrechen, ist der Versand nur in der kalten Jahreszeit von Oktober bis April möglich. Die Fassgurken sind gekühlt circa drei Wochen haltbar und die Mindestbestellmenge beträgt sechs Eimer." Erst also im Fass, dann noch für ein paar Tage im Eimerchen und wer es haltbarer will, holt sich die Gurke im Glas.
Keine Antwort allerdings bekommt man im Spreewald auf die Frage, warum "du Gurke" ein Schimpfwort ist. Eigentlich ist die Gurke knackig, und sie ist würzig und sogar spritzig und hat damit ja Eigenschaften, die dem Wort "Gurke" den Rang eines Ehrentitels einräumen. Doch trotzdem nutzt niemand die Worte "du Gurke!" als Liebesbeweis. Die passgenaue Antwort einer als "Gurke" bezeichneten Gurke lautet natürlich artgerecht: "Jetz' bin ich sauer!"