Interne Polizeidokumente - Anis Amri war eng mit Islamisten-Netzwerken verbunden

Der Attentäter vom Breitscheidplatz galt als "enge Kontaktperson" von Mitgliedern einer deutschen IS-Gruppe. Das belegen interne Polizeidokumente, die dem rbb vorliegen. Bislang hieß es vom Verfassungsschutz, bei Anis Amri handele es sich um einen "radikalisierten" Einzeltäter. Von S. Adamek, J. Goll und S.-K. Opalka
Der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri, war offenbar deutlich stärker in dschihadistische Gruppierungen eingebunden als bisher angenommen. Laut Recherchen des rbb und der "Berliner Morgenpost" hatte er engen Kontakt zum Netzwerk des wegen IS-Unterstützung mittlerweile festgenommenen Predigers Abu Walaa. Das belegen bislang unveröffentlichte Dokumente des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, die beiden Medien vorliegen.
Abu Walaa, der mit bürgerlichem Namen Ahmad Abdulaziz A. heißt, gilt als Schleuser für den sogenannten "Islamischen Staat" und seine wichtigste Kontaktperson in Deutschland. Laut den Behördendokumenten war Anis Amri eine "enge Kontaktperson" Abu Walaas und habe den Prediger "bei verschiedenen Seminaren in der DIK-Moschee in Hildesheim konspirativ um persönlichen Rat befragt".
Auch die ebenfalls beschuldigten und in Untersuchungshaft befindlichen Prediger Boban S. und Hasan C. (alias Abu Yahia) werden als "enge Kontaktpersonen" Amris geführt. Weitere Mitglieder des Netzwerks gewährten Amri laut Unterlagen in teilweise konspirativen Wohnungen Unterschlupf. Insgesamt standen laut LKA Nordrhein-Westfalen 14 Personen des Abu-Walaa-Netzwerks in Kontakt zu Amri.
Die Dokumente relativieren insoweit öffentliche Aussagen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, wonach es sich bei Amri um einen "radikalisierten Einzeltäter" gehandelt haben soll.
Amri reiste mit späteren Weggefährten ein
In Berlin war Amri eng mit den als gewaltbereit geltenden Islamisten Habib S. und Bilal Ben A. verbunden. Sie waren Ende 2015 zwischenzeitlich festgenommen worden, weil sie im Verdacht standen, einen Sprengstoffanschlag in Dortmund vorzubereiten. Anis Amri stand seinerzeit im Verdacht, seine Weggefährten unterstützt zu haben. Der Verdacht gegen die Gruppe ließ sich allerdings nicht erhärten.
Laut einem internen Dokument des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom Januar 2016 kannte Anis Amri Habib S. und Bilal Ben A. bereits seit ihrer gemeinsamen Einreise nach Deutschland im Sommer 2015. Mit Bilal Ben A. hatte Amri sich zudem noch am Vorabend seiner Todesfahrt am Breitscheidplatz am 19. Dezember in einem Imbiss im Berliner Stadtteil Gesundbrunnen getroffen. Ermittler hatten sich von Bilal Ben A. nach dessen Festnahme weitere Erkenntnisse zu der Tat erhofft. Anfang Februar wurde der Tunesier jedoch in sein Heimatland abgeschoben. Eine Beteiligung an dem Terrorakt hatte der 26-Jährige bis zuletzt abgestritten.
Verbindung zur Fussilet-Moschee
Verbindungen hatte Amri auch zu Mitgliedern des kürzliche verbotenen Trägervereins der Berliner Fussilet-Moschee. Nach Informationen von rbb und "Berliner Morgenpost" zählte er selbst zwar nicht zum engeren Führungszirkel des Dschihadisten-Treffs - zu wichtigen Protagonisten soll er aber gute Kontakte gehabt haben. Dazu sollen auch die kürzlich festgenommenen Islamisten Soufiane A. und Emrah C. gehören. Sie befinden sich zurzeit in Untersuchungshaft, weil sie im Verdacht stehen, eine Ausreise in den "Dschihad" nach Syrien vorbereitet zu haben.
"Hoffentlich war es nicht der Amri"
Detaillierte Erkenntnisse zu Amris Rolle in Islamisten-Netzwerken sollte der Amri-Untersuchungsausschuss des Landtages Nordrhein-Westfalen am Freitag bringen.
Doch den nutzte der Direktor des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes, Uwe Jacob, um scharfe Kritik an den Berliner Kollegen zu üben; vor allem daran, dass die Berliner Polizei die Observation des späteren Attentäters im Juni 2016 eingestellt hat.
Jacob sagte vor dem Untersuchungsausschuss: "Nur weil Amri ein Kleinkrimineller war und Drogendelikte beging, anzunehmen, er sei nicht gefährlich, war ein großer Fehler." Jacob berichtete zudem von dem Tag nach dem Attentat am 19. Dezember, als Amri noch nicht als Täter gesucht wurde. Er habe seine Beamten angerufen. Sie hätten sofort gesagt: "Hoffentlich war es nicht der Amri, an dem wir so lange dran waren."