Kommentar l AfD scheitert vor Verfassungsgericht - Verdächtig öffentlich

So 22.05.22 | 09:43 Uhr | Von Hanno Christ
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Birgit Bessin, Brandenburger AfD. (Quelle: dpa/C. Soeder)
Bild: dpa/C. Soeder

Die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag darf vom Verfassungsschutz öffentlich als Verdachtsfall bezeichnet werden. Statt daraus Lehren zu ziehen, wettert die AfD abermals gegen die Behörde. Die Partei ist unbelehrbar, kommentiert Hanno Christ.

Mit Gerichtsverfahren gegen die Sicherheitsbehörden kennt sich die AfD bestens aus. Mehrfach ist sie gegen ihre Beobachtung vorgegangen, nun in Brandenburg auch gegen ihre Nennung als rechtsextremer Verdachtsfall. Das ist ihr gutes Recht.

Parteien haben in Deutschland eine herausgehobene Stellung, genießen ein sogenanntes Parteienprivileg. Die Exekutive hat den Parteien nicht ins Handwerk zu pfuschen. Der Weg bis hin zu einem Verbot ist aus historischen Gründen mit hohen verfassungsrechtlichen Hürden versehen. Und die Nennung als Verdachtsfall ist ein Makel im fairen Wettbewerb der Parteien.

Frühzeitige Informationen benötigt

Doch Parteien, die nicht verboten sind, sind deswegen nicht unantastbar. Das Landesverfassungsgericht hat diese Gratwanderung zwischen Stigmatisierung und wehrhafter Demokratie sehr wohl gesehen und begründet. Im Falle der AfD sieht es keinen Widerspruch zwischen Verfassungsschutzregeln in Brandenburg und dem Parteienprivileg. Wenn es der Verfassungsschutz gut begründet, dann dienen seine Erkenntnisse über eine Partei der Information mündiger Bürger – gerade wenn es Anhaltspunkte der Verfassungsfeindlichkeit gibt.

Die Bürger benötigten frühzeitig Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Auch von Sicherheitsbehörden.

Verfassungsschutz als "Diskursmotor"

Das Urteil des Landesverfassungsgerichts ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Es unterstreicht zum einen die Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes, bezeichnet ihn sogar als "Diskursmotor".

Bemerkenswert ist auch, dass das Gericht sagt, Parteien müssten es aushalten, wenn sie in einem begründet kritischen Fokus der Behörden sind. Das Urteil kümmert sich nicht um die Substanz der Befunde des Verfassungsschutzes. Es gibt ihm nur die entsprechende Beinfreiheit.

Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu

Die AfD muss das Urteil nun erstmal sacken lassen, lästert aber bereits über die "fadenscheinigen" Argumente des Verfassungsschutzes. Wirklich überraschen dürfte sie das Urteil nicht. Der Landesverband und seine Organisationen geben reichlich Anlass für einen kritischen Blick.

Die Landtagsfraktion etwa führt mit Hans-Christoph Berndt ein Mann, den der Verfassungsschutz als Rechtsextremisten sieht. Die Fraktion beschäftigt mehrere Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu und stört sich offenbar auch nicht daran, dass darüber öffentlich berichtet wird. Und in den vergangenen Wochen haben sich immer wieder politische Weggefährten von Andreas Kalbitz in Abstimmungen durchgesetzt – jener Kalbitz, der zusammen mit Thüringens Landesvorsitzendem Björn Höcke noch immer den äußersten rechten Rand der Partei markiert.

Das Urteil könnte für die AfD eine Signalwirkung haben und als Appell verstanden werden, ihren radikalen Kurs mäßigend zu korrigieren. Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Für jenen Teil der AfD, der den Verfassungsschutz als verlängerten Arm der Regierung sieht, fügt sich das Urteil nur ins Bild einer Verschwörung sogenannter Alt-Parteien gegen die AfD. Speziell in Brandenburg hat sich die Partei ihre eigene mediale Blase geschaffen. Und in der sind nur die anderen die Geisterfahrer.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20.05.2022, 21:00 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

20 Kommentare

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  1. 20.

    Dann schauen Sie mal hier:

    https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/afd-leaks-die-geheimen-chats-der-bundestagsfraktion-video-100.html

  2. 19.

    "Es ist eigentlich ein rechtsstaatliches Prinzip, Verdächtigungen so lange nicht öffentlich zu machen, bis stichhaltige Beweise vorliegen. Dieses Prinzip wird hier aus meiner Sicht tatsächlich mit fadenscheiniger Argumentation umgangen."

    Da haben Sie aber etwas gehörig missverstanden und dann einfach in Ihrem Sinne interpretiert...

  3. 18.

    "Es ist eigentlich ein rechtsstaatliches Prinzip, Verdächtigungen so lange nicht öffentlich zu machen, bis stichhaltige Beweise vorliegen. "

    Wieviele stichhaltige Beweise möchten sie eigentlich noch haben?

  4. 17.

    "Auf das Benennen dessen durch den VS hat der Bürger ein Anrecht, um seine Wahlentscheidung mittels so vieler Infos zu den Kandidaten wie möglich abwägen zu können."

    Es ist eigentlich ein rechtsstaatliches Prinzip, Verdächtigungen so lange nicht öffentlich zu machen, bis stichhaltige Beweise vorliegen. Dieses Prinzip wird hier aus meiner Sicht tatsächlich mit fadenscheiniger Argumentation umgangen.

  5. 16.

    Zitat: "Einige AfD-Forderungen decken sich mit der sozialdemokratischen Regierungspolitik von Dänemark . . ."

    Und einige Forderungen decken sich mit denen der Die Linke in Deutschland. Und nun, Steffen? Das hat doch nichts damit zu tun, dass sich die AfD seit ihrer Gründung immer weiter nach rechts entwickelt hat und schon häufiger mit nationalistischen und auch demokratiefeindlichen Tönen aufgefallen ist, wie Sie sicher zugestehen werden. Auf das Benennen dessen durch den VS hat der Bürger ein Anrecht, um seine Wahlentscheidung mittels so vieler Infos zu den Kandidaten wie möglich abwägen zu können.

  6. 15.

    Und aufgrund dieses Versprechers bezweifeln Sie Annalena Baerbocks Qualifikation als Aussenministerin? Ich finde ja, dass sie ihren Job bisher sehr gut macht, gestehe Ihnen aber natürlich zu, alles Grüne irgendwie Mist zu finden, auch wenn dafür kein objektiver Grund vorliegt.

    Hier mal was zur Entspannung für Sie:

    https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/erzgebirge-kobalt-abbau-begriff-verwandschaft-kobold-100.html

  7. 14.

    "Sollte mal eine andere Partei an Zuspruch gewinnen, wird sie ganz einfach mit perfiden Mitteln platt gemacht."

    Haben Sie dafür auch Beispiele?

  8. 13.

    "Es bringt eh nichts, die da oben machen, was sie wollen. Sollte mal eine andere Partei an Zuspruch gewinnen, wird sie ganz einfach mit perfiden Mitteln platt gemacht. So geht halt Demokratie!"

    Verschwörungstheorien der dümmsten Art. Die Mittel sind rechtsstaatlich und nicht perfide.

  9. 12.

    "Die Dummen sind halt die Wähler. Aber das waren sie ja auch vorher schon."
    Wie wahr! Darum gehen auch immer weniger Wähler zur Wahl, wie zuletzt in NRW mit 55% Wahlbeteiligung!
    Es bringt eh nichts, die da oben machen, was sie wollen. Sollte mal eine andere Partei an Zuspruch gewinnen, wird sie ganz einfach mit perfiden Mitteln platt gemacht. So geht halt Demokratie!

  10. 11.

    "Vielleicht sind die AfD`ler auch nur ganz normale Menschen in einer ganz normalen Partei."

    Wenn man Fremdenhass und verfassungsfeindliche Bestrebungen sowie die Abkehr von der Wissenschaft normal fände, könnte man Ihren Satz so stehen lassen...

  11. 10.

    Ihre Analyse über die AFD ist falsch.Siehe letzte Landtagswahlen in Schleswig Holstein und Nordrhein Westfalen. Sehr schlechte Wahlergebnisse für die AFD.Und der Vergleich mit Sozialdemokraten in Dänemark ist wirklich eine Frechheit.Diese Partei ist für die Demokratie in Deutschland genau so Überflüssig wie ein Kropf bei einem Menschen.

  12. 9.

    Mag sein. Trotzdem ist eine abhängige Behörde immer dem Vorwurf ausgesetzt. So kritisch manche Aussagen aus der AfD sind, einige der Vorwürfe der Verfassungsfeindlichkeit erscheinen schon arg konstruiert und würden in anderen EU-Ländern nur ein müdes Lächeln auslösen und dabei rede ich nicht von Polen oder Ungarn. Einige AfD-Forderungen decken sich mit der sozialdemokratischen Regierungspolitik von Dänemark und dann fragt man sich verwundert, warum die Sozen dort so erfolgreich sind und die Bevölkerung ein viel höheres Vertrauen in die Regierung hat. Die hiesigen AfD-Wähler holt man ganz sicher nicht zurück, indem man die AfD beobachtet. Wenn der Steuerzahler aber nur noch Melkkuh für die halbe Welt ist, fehlen halt die besseren Argumente. Nicht, dass die AfD die Lösung hätte, aber sie spricht offenbar vielen aus dem Herzen. Diese müssen endlich von der Realpolitik wieder überzeugt werden, nicht deren Wahl bekämpft.

  13. 8.

    "Diese Partei scheint mir mittlerweile kaum mehr als eine ABM-Maßnahme für anderswo gescheiterte und kaum an Gestaltung interessierte Politikerdarsteller zu sein."

    Und mir scheint, dass der höchste Posten im Auswertigen Amt Ihrer o.g. Stellenbeschreibung hundertprozentig entspricht (gescheiterte Studentin, die Kobolde nicht vom Kobalt unterscheiden kann; gescheiterte Kanzlerkandidatin....).
    Vielleicht sind die AfD`ler auch nur ganz normale Menschen in einer ganz normalen Partei.

  14. 7.

    Da bin ich doch überrascht."
    Kann man auch sein.
    Wenn die Wirklichkeit so rein gar nix mit den Gleichschaltungsfantasien aus unseligen Zeiten zu tun hat.

  15. 6.

    Und trotzdem bewegen sich in der AfD nicht wenige Menschen mit einem Weltbild, dass verfassungsfeindlich, rückständig, menschenverachtend und und und ist. Bin bei Weitem kein CDU-Fan, aber was sollen diese Spitzfindigkeiten?

  16. 5.

    Typisch AfD: Keine Selbstreflexion, aber heulen, wenn sie getroffen werden...

  17. 4.

    "Für jenen Teil der AfD, der den Verfassungsschutz als verlängerten Arm der Regierung sieht" Da bin ich doch überrascht. Ein Blick in das Organigramm des Innenministeriums der Brandenburger Regierung unter der Leitung des CDU Innenministers Stübgen weist aus, dass die "Abt. 5" des Herrn Stübgen der Verfassungsschutz ist. Mehr noch, der Verfassungsschutz in Brandenburg ist noch nicht einmal eine eigenständige Behörde, wie das sonst wohl üblich ist, der VS ist hier einfach eine Abteilung der insgesamt sechs Abteilungen des Innenministeriums.

    https://mik.brandenburg.de/mik/de/ministerium/aufbau-und-organisation/

  18. 3.

    "Diese Partei scheint mir mittlerweile kaum mehr als eine ABM-Maßnahme für anderswo gescheiterte und kaum an Gestaltung interessierte Politikerdarsteller zu sein."
    Dann gibts da noch die erlebnisorientierten Pensionäre, denen der sommerliche Sprung in den Badesee als Kick nicht reicht und diejenigen, deren sicherer Beamtensessel auf Dauer etwas langweilig geworden ist. Was nicht heisst, das man sich denselben nicht gerne als Sicherheitsnetz im Hintergrund hält.
    Die Dummen sind halt die Wähler. Aber das waren sie ja auch vorher schon.

  19. 2.

    "Diese Partei scheint mir mittlerweile kaum mehr als eine ABM-Maßnahme für anderswo gescheiterte und kaum an Gestaltung interessierte Politikerdarsteller zu sein."

    Erst "mittlerweile"? ;-)

  20. 1.

    Ich kann Hanno Christs Kommentar nur zustimmen. Die AfD wirbt doch mit dem Slogan: Mut zur Wahrheit! - hat es aber offensichtlich nicht so gerne, wenn für sie unbequeme Fakten an die Öffentlichkeit gelangen. Dann begibt man sich sofort wieder in den bequemen zänkischen Opfermodus und bemüht Verschwörungserzählungen, um seine, gerade auch in Brandenburg, zunehmend radikalisierte Basis auf eine Wagenburg-Mentalität einzuschwören. Diese Partei scheint mir mittlerweile kaum mehr als eine ABM-Maßnahme für anderswo gescheiterte und kaum an Gestaltung interessierte Politikerdarsteller zu sein.

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