Rot-Grün-Rot will Bürger entlasten - Eine Milliarde und eine Verlängerung für das Neun-Euro-Ticket?
Der jüngste Milliarden-Überschuss in der Landeskasse hat die Phantasie der Koalition beflügelt. Rot-Grün-Rot will wie in der Corona-Krise ein Hilfspaket schnüren. Einig sind sich die drei Koalitionspartner aber nur in einem, während die SPD beim Neun-Euro-Ticket vorprescht. Von Jan Menzel
Vier Stunden Zeit haben sich die drei Parteien gegeben. In diesen vier Stunden soll zumindest in Grundzügen feststehen, wie die Antwort von Rot-Grün-Rot auf die noch die dagewesenen Preissteigerungen insbesondere für Energie aussehen könnte. Dass am Ende des Koalitionsausschusses ein in allen Einzelheiten fix und fertig geschnürtes Berliner Hilfspaket auf dem Tisch liegen wird, ist aber eher unwahrscheinlich.
Die Berliner Koalitionäre wollen zunächst abwarten, welche Hilfen die Bundesregierung beschließt. "Wir wollen den Bund nicht aus der Pflicht nehmen", merkt Linken-Landeschefin Katina Schubert an. SPD, Grüne und Linke werden deshalb ausloten, wo das Land Lücken stopfen bzw. Gruppen unterstützen kann, die der Bund mit seinen Programmen nicht berücksichtigt. Doch spätestens an dieser Stelle dürfte es mit der Einträchtigkeit von Rot-Grün-Rot vorbei sein.
Giffey und Saleh wollen Neun-Euro-Ticket bis Jahresende
Nach Informationen des rbb wird die SPD in der Koalitionsrunde mit einem sehr konkreten Vorschlag aufwarten. Die beiden Landesvorsitzenden, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, wollen Grünen und Linken ein Angebot machen, dass diese nur schwer ablehnen können: Die Verlängerung des Neun-Euro-Tickets.
Mit ihrer Forderung nach einer Weiterführung des günstigen Bus- und Bahntickets überholt die Berliner SPD alle anderen Parteien. Die Grünen sprechen sich laut einem Positionspapier, das dem rbb vorliegt, für ein monatliches 29-Euro-Ticket in der Region aus. CDU-Chef Kai Wegner hatte kürzlich lediglich gefordert, die Ticketpreise einzufrieren.
Entlastung für die Steuerzahler
Weitere Diskussionen wird es über die Höhe von Entlastungen geben und darüber, ob es klug ist, von vornherein eine pauschale Summe festzulegen. Als der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Raed Saleh in den Sommerferien forderte, insgesamt eine Milliarde Euro zu mobilisieren und an die Steuerzahlerinnen und -zahler zurückzugeben, blieben insbesondere die Grünen stumm.
Zwar hat Berlin zur Jahresmitte einen Überschuss in Höhe von 2,3 Milliarden Euro verzeichnet. Der grüne Finanzsenator Daniel Wesener warnt jedoch, dass die Steuereinnahmen in den nächsten Monaten zurückgehen und dem Land millionenschwere Belastungen durch Gesetzesänderungen des Bundes ins Haus stehen. Bei den Ausgaben erwartet er zudem "Nachholeffekte" von mindestens einer halben Milliarde Euro. Geld "mit der Gießkanne" zu verteilen, sei daher nicht angemessen, ließ Wesener durchblicken.
Grüne und Linke für "zielgenaue" Hilfen
SPD-Fraktionschef Saleh hat die Einschätzung des Finanzsenators, dass der Milliardenüberschuss zum Jahresende zusammengeschmolzen sein könnte, mit dem Wort "Quatsch" beiseite gewischt. Grünen-Fraktionschef Werner Graf warnte Saleh davor, jetzt schon Summen zu nennen. Das sei unseriös. "Für uns geht immer Inhalt vor Zahl", so der Grüne in Anspielung auf die Salehsche Milliarde.
Die Linke will sich an diesen Zahlenspielen nur bedingt beteiligen. Katina Schubert nennt die Dimension aber realistisch. Für die Linken-Vorsitzende kommt es vor allem darauf an, dass das Land "zielgenau" Bedürftige unterstützt. Dazu zählt sie Transferleistungsbezieher, die von den gestiegenen Lebenshaltungs- und Stromkosten hart getroffen werden, weil diese aus den Regelsätzen bezahlt werden müssen. Aber auch "Familien mit Kindern wie die Polizistin und der Altenpfleger" drohten abzurutschen.
Grünen-Fraktionschef Werner Graf sorgt sich insbesondere um Alleinerziehende und Familien mit niedrigen Einkommen. Für sie brauche es einen Härtefall-Fonds, um Strom- und Gassperren zu verhindern. 10 bis 20 Millionen nennt Graf hier als realistische Größenordnung. Für einen Härtefallfonds - wenn auch deutlich größer - hatte sich auch SPD-Fraktionschef Saleh vor einigen Wochen ausgesprochen. Er sieht mit den jüngsten Steuerüberschüssen die Politik quasi in der Pflicht, die Mehreinnahmen "zur Entlastung der Bevölkerung zurückzugeben".
CDU will Energiegeld für alle
Ähnlich wie Saleh will auch die Berliner CDU die Bürgerinnen und Bürger schnell und umfangreich entlasten. Landes- und Fraktionschef Wegner schlägt dafür ein Energiegeld in Höhe von 300 Euro pro Kopf vor. Diese Hilfe könne schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden und käme allen zu Gute, argumentiert er. Auch Rentner und Studierende, die bislang eher leer ausgegangen seien, würden profitieren.
Linken-Landeschefin Katina Schubert zeigt sich von einem pauschalen Energiegeld für alle jedoch maximal unbeeindruckt. Die Idee, dass jeder, vom Transferleistungsbezieher bis zum Chefarzt, 300 Euro bekomme, nennt sie "konzeptlos". Vom Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und Linken erwartet Schubert einen "Fahrplan" für mögliche Szenarien, um darauf reagieren zu können, welche Entlastung vom Bund kommt und welche nicht. Ein Teil dieses "Fahrplans" könnte ein verlängertes Berliner Neun-Euro-Ticket werden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2022, 07:05 Uhr