Rot-Grün-Rot will Bürger entlasten - Eine Milliarde und eine Verlängerung für das Neun-Euro-Ticket?

Fr 26.08.22 | 06:12 Uhr
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Ein Neun-Euro-Ticket des VBB (Bild: imago images / A. Friedrichs)
Audio: Antenne Brandenburg | 26.08.2022 | Jan Menzel | Bild: imago images / A. Friedrichs

Der jüngste Milliarden-Überschuss in der Landeskasse hat die Phantasie der Koalition beflügelt. Rot-Grün-Rot will wie in der Corona-Krise ein Hilfspaket schnüren. Einig sind sich die drei Koalitionspartner aber nur in einem, während die SPD beim Neun-Euro-Ticket vorprescht. Von Jan Menzel

Vier Stunden Zeit haben sich die drei Parteien gegeben. In diesen vier Stunden soll zumindest in Grundzügen feststehen, wie die Antwort von Rot-Grün-Rot auf die noch die dagewesenen Preissteigerungen insbesondere für Energie aussehen könnte. Dass am Ende des Koalitionsausschusses ein in allen Einzelheiten fix und fertig geschnürtes Berliner Hilfspaket auf dem Tisch liegen wird, ist aber eher unwahrscheinlich.

Die Berliner Koalitionäre wollen zunächst abwarten, welche Hilfen die Bundesregierung beschließt. "Wir wollen den Bund nicht aus der Pflicht nehmen", merkt Linken-Landeschefin Katina Schubert an. SPD, Grüne und Linke werden deshalb ausloten, wo das Land Lücken stopfen bzw. Gruppen unterstützen kann, die der Bund mit seinen Programmen nicht berücksichtigt. Doch spätestens an dieser Stelle dürfte es mit der Einträchtigkeit von Rot-Grün-Rot vorbei sein.

Giffey und Saleh wollen Neun-Euro-Ticket bis Jahresende

Nach Informationen des rbb wird die SPD in der Koalitionsrunde mit einem sehr konkreten Vorschlag aufwarten. Die beiden Landesvorsitzenden, die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, wollen Grünen und Linken ein Angebot machen, dass diese nur schwer ablehnen können: Die Verlängerung des Neun-Euro-Tickets.

Der SPD-Plan sieht vor, das Ticket für den Tarifbereich AB bis zum Jahresende anzubieten. Damit soll die Zeit bis zum Jahresanfang 2023 überbrückt werden. Dann könnte - so die Hoffnung der Berliner Sozialdemokraten - der Bund in die Finanzierung einsteigen oder einen Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket anbieten. Die Berliner Sozialdemokraten wollen sich dem Vernehmen nach dafür bei der Ampel-Koalition einsetzen.

Mit ihrer Forderung nach einer Weiterführung des günstigen Bus- und Bahntickets überholt die Berliner SPD alle anderen Parteien. Die Grünen sprechen sich laut einem Positionspapier, das dem rbb vorliegt, für ein monatliches 29-Euro-Ticket in der Region aus. CDU-Chef Kai Wegner hatte kürzlich lediglich gefordert, die Ticketpreise einzufrieren.

Entlastung für die Steuerzahler

Weitere Diskussionen wird es über die Höhe von Entlastungen geben und darüber, ob es klug ist, von vornherein eine pauschale Summe festzulegen. Als der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Raed Saleh in den Sommerferien forderte, insgesamt eine Milliarde Euro zu mobilisieren und an die Steuerzahlerinnen und -zahler zurückzugeben, blieben insbesondere die Grünen stumm.

Zwar hat Berlin zur Jahresmitte einen Überschuss in Höhe von 2,3 Milliarden Euro verzeichnet. Der grüne Finanzsenator Daniel Wesener warnt jedoch, dass die Steuereinnahmen in den nächsten Monaten zurückgehen und dem Land millionenschwere Belastungen durch Gesetzesänderungen des Bundes ins Haus stehen. Bei den Ausgaben erwartet er zudem "Nachholeffekte" von mindestens einer halben Milliarde Euro. Geld "mit der Gießkanne" zu verteilen, sei daher nicht angemessen, ließ Wesener durchblicken.

Grüne und Linke für "zielgenaue" Hilfen

SPD-Fraktionschef Saleh hat die Einschätzung des Finanzsenators, dass der Milliardenüberschuss zum Jahresende zusammengeschmolzen sein könnte, mit dem Wort "Quatsch" beiseite gewischt. Grünen-Fraktionschef Werner Graf warnte Saleh davor, jetzt schon Summen zu nennen. Das sei unseriös. "Für uns geht immer Inhalt vor Zahl", so der Grüne in Anspielung auf die Salehsche Milliarde.

Die Linke will sich an diesen Zahlenspielen nur bedingt beteiligen. Katina Schubert nennt die Dimension aber realistisch. Für die Linken-Vorsitzende kommt es vor allem darauf an, dass das Land "zielgenau" Bedürftige unterstützt. Dazu zählt sie Transferleistungsbezieher, die von den gestiegenen Lebenshaltungs- und Stromkosten hart getroffen werden, weil diese aus den Regelsätzen bezahlt werden müssen. Aber auch "Familien mit Kindern wie die Polizistin und der Altenpfleger" drohten abzurutschen.

Grünen-Fraktionschef Werner Graf sorgt sich insbesondere um Alleinerziehende und Familien mit niedrigen Einkommen. Für sie brauche es einen Härtefall-Fonds, um Strom- und Gassperren zu verhindern. 10 bis 20 Millionen nennt Graf hier als realistische Größenordnung. Für einen Härtefallfonds - wenn auch deutlich größer - hatte sich auch SPD-Fraktionschef Saleh vor einigen Wochen ausgesprochen. Er sieht mit den jüngsten Steuerüberschüssen die Politik quasi in der Pflicht, die Mehreinnahmen "zur Entlastung der Bevölkerung zurückzugeben".

CDU will Energiegeld für alle

Ähnlich wie Saleh will auch die Berliner CDU die Bürgerinnen und Bürger schnell und umfangreich entlasten. Landes- und Fraktionschef Wegner schlägt dafür ein Energiegeld in Höhe von 300 Euro pro Kopf vor. Diese Hilfe könne schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden und käme allen zu Gute, argumentiert er. Auch Rentner und Studierende, die bislang eher leer ausgegangen seien, würden profitieren.

Linken-Landeschefin Katina Schubert zeigt sich von einem pauschalen Energiegeld für alle jedoch maximal unbeeindruckt. Die Idee, dass jeder, vom Transferleistungsbezieher bis zum Chefarzt, 300 Euro bekomme, nennt sie "konzeptlos". Vom Koalitionsausschuss von SPD, Grünen und Linken erwartet Schubert einen "Fahrplan" für mögliche Szenarien, um darauf reagieren zu können, welche Entlastung vom Bund kommt und welche nicht. Ein Teil dieses "Fahrplans" könnte ein verlängertes Berliner Neun-Euro-Ticket werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2022, 07:05 Uhr

45 Kommentare

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  1. 45.

    Ich hoffe sehr das , dass 8 Euro Ticket " NUR " in der eigenen Stadt zur Verfügung steht.
    Es ist der Horror für jeden diesen Bundesweit zu nutzen.
    Kein Autofahrer Bundesweit würde das Ticket gegen sein Auto stehen lassen um das Ticket zu nutzen.
    Es ist die Hölle hier , wer alles anreist um an die Ostsee günstig zu erleben.
    Nein Danke........es hilft niemanden , ausser die Busse und Bahnen werden genutzt um 1 Station zu nutzen die man hätte laufen können.
    Wir brauchen das hier nicht.

  2. 44.

    Ich meinte mit der EIGENEN GELDBÖRSE nicht die der Steuerzahler,
    sondern die PRIVATE GELDBÖRSE DES BERLINER SENATS, die das 9-Euro-Ticket unbedingt weiterführen wollen.

  3. 43.

    Bei vielen Standpunkten haben Sie recht. Arbeiten lohnt sich nicht mehr. Wenn Menschen weniger arbeiten, zahlen sie auch weniger Steuern, ist auch weniger Geld zum Verteilen da. Das Mehr Geld wird einem zumindest in Berlin sowieso geneidet. Reduziert die Arbeitszeit, oder hört ganz auf!

  4. 42.

    Na ja, auch die" Berliner Geldbörse" ist fast ausschließlich mit Steuergeldern gefüllt, sollte das 9 Euro- AB -Ticket kommen, dann finaziert der Steuerzahler das vom Senat bevorzugte Klientel in der Innenstadt.

  5. 41.

    Da bin ich zu 100 Prozent bei Ihnen.
    Es ist nicht mehr hinnehmbar was der Berliner Senat noch alles auf Kosten der Steuerzahler finanzieren will. Die Herrschaften benutzen ja auch nicht den ÖPNV sondern haben ihre steuerfinanzierten Dienstwagen, deshalb können sie sich auch kein Bild von dem Chaos machen und wissen nicht was sie den NUTZERN des ÖPNV damit antun - oder es ist ihnen auch völlig egal.
    Kein Politiker des Senats spricht mal ein Wort darüber, dass die Schulen renoviert werden !!!

  6. 40.

    Jede Leistung hat ihren Preis. Es ist richtig, den ÖPNV günstiger und bezahlbarer für Berliner u n d Brandenburger zu machen. Wenn man 100 € nur dafür benötigt, um zur Arbeit zu kommen, ist das schon sehr heftig. Für die bessere Akzeptanz sind jedoch Zuverlässigkeit und gute Rahmenbedingungen sehr wichtig. Hier gibt es noch große Reserven, die nicht viel zusätzlich kosten. Funktionierende Zug-WC, Pünktlichkeit, mehr Sitzmöglichkeiten auf Fernbahnsteigen sind hier nur einige Faktoren. Wenn die arbeitende Bevölkerung immer älter wird, werden auch hier andere Rahmenbedingungen für Pendler unabdingbar, besonders bei Hitze. Zumindest bei den Abonnenten sollte hier kein preislicher Unterschied zwischen Berlin und Brandenburg gemacht werden. Das ärgert mich schon lange und würde bei der Einschränkung des 9€-ticket auf AB für extreme Verärgerung und noch mehr Unruhe in den Zügen sorgen. Berlin und Brandenburg, setzt euch bitte an einen Tisch.

  7. 39.

    Ich hoffe nur, dass die Bundesregierung bei ihrem kategorischen NEIN zur WEITER-Finanzierung des Schwachsinns welchen der Berliner Senat sich wieder hat einfallen lassen.
    Wenn der Berliner Senat das 9-Euro-Ticket unbedingt weiterführen will soll er es gerne aus der EIGENEN GELDBÖRSE übernehmen aber NICHT mit Steuergeldern.
    Das Geld wird dringendst benötigt zur Renovierung der maroden Schulen aber anscheinend sind dem Berliner Senat unsere Kinder völlig egal.

  8. 38.

    Oh bitte nicht. Ich zähle die Tage, bis dieses blöde Tricket endlich seine Gültigkeit verliert und ich wieder entspannt zur Arbeit fahren kann, ohne zwischen dem Fahrrad und dem Zelt eines anderen zu klemmen.

  9. 37.

    Energiegeld für alle konzeptlos …. so so …. es bekommt ja auch (Achtung, neues Feinbild !!!) ein Chefarzt. Der Chefarzt ist jetzt sozusagen, der SUV der Angestellten. Na ja…. Polemik muss sein. Spaltung und Hass säen Pflicht. Lassen wir das. Aber was ist mir dem 9 Euro-Ticket ? Auch Chefärzte, Millionäre, Investmentbanker, Grünen-Politiker, Linken-Politiker, Grafen, Könige, Millionenerben, Playboys …….. alle können sich am 9 Euro-Ticket erfreuen. Was für ein beklopptes Gelaber. Von wegen Gerechtigkeit. Pure Ideologie, das ist der wahre Grund.

  10. 36.

    Statt Umweltkarte im AB 9 Euro, vielleicht ABC 15 Euro - klingt zunächst gut. Freude kommt nicht auf in den proppevollen Fahrzeugen. Und man ist ja nicht gefeit vor weiteren "umlagen" (Gasumlage, Wasserumlage, Ukraie-Umlage) >klingt alles gut und günstig zum Wählerstimmenfang. Ist das Geld erstmals in der Kasse, kann es (egal welcher Name dransteht) das Geld hemmungslos (etwa für den nächsten BER) verballert werden. Dieser Vorschlag https://www.berliner-kurier.de/berlin/nach-dem-9-euro-ticket-kommt-jetzt-die-flatrate-auf-taxifahrten-ein-berliner-professor-weiss-alles-ueber-die-geniale-idee-li.258923 klingt auch nur auf den ersten Blick gut. Für flächendeckendes E-Autofahren muß als erstes Lithium für die Akkus her. Woher nehmen?

  11. 35.

    Das 9 Euro Ticket ist ohne massive Bundeszuschüsse nicht zu finanzieren. Wenn der Senat das Ticket für Berlin möchte, muss er es finanzieren oder die Finanzierung der BVG/VBB übertragen.

  12. 34.

    Ja, leider haben Sie völlig recht.
    Für Berlin bleibt leider nur die 2. Wahl übrig.

  13. 33.

    Da sollte sich Berlin mal ein Beispiel dran nehmen.
    Aber Berlin verteilt trotz hoher Schulden das Geld der Steuerzahler ohne mit der Wimper zu zucken. Dafür hält es die Hände auf beim Finanzausgleich.

  14. 32.

    Das entsetzt immer wieder!
    Die veröffentlichten Zeiten des Einstellens von Beiträgen und des Schließens der Kommentarfunktion sind sehr sportlich ambitioniert.
    Warum ein Beitrag zum 9-Euro-Ticket, initiiert von Frau Giffei, schon nach wenigen Kommentaren geschlossen wird.....?
    Mein Kommentar zum Thema:
    Sobald die Umfragewerte nach untengehen, kommen fragwürdige Versprechen/ Geschenke.
    Bin klar gegen derartige Geschenke.
    Na, ob das freigeschaltet wird?

  15. 31.

    Einen festen Betrag für jeden ist tatsächlich nicht die dümmste Idee,auch wenn davon manche profitieren,die es nicht nötig haben. Immerhin fällt aber auch keiner hinten runter. Die Energiepreise treffen schließlich alle. Wenn die Leute das Geld dann woanders einsparen,ist das für die hiesige Wirtschaft auch schädlich.
    Die Frage ist nur,ob das einfach umsetzbar ist.

  16. 30.

    Was bezweckt der linke Senat mit dem 9€-Ticket? Damit sich die Menschen, wenn die Bude kalt ist, in S/U/Straßenbahnen aufwärmen können? Welch Nonsens. Geld sinnlos (um)verteilen konnten die Linken schon immer...

  17. 29.

    Es wäre schön wenn das 9euro weiter geht aber nur
    Berlin/Brandenburg

  18. 28.

    Dann sollte aber auch IC/ICE in diesem Preis dabeisein nicht wahr?
    Die Schulen sind renovierungsbedürftig und die Berliner Schulden häufen sich aber das macht ja nichts.
    Ich habe den Eindruck, dass Ihnen das alles gleichgültig ist. Hauptsache ist es anscheinend für Sie, dass Sie mit dem 9-Euro-Ticket durch Berlin und Brandenburg fahren können.
    Wie kann man nur annehmen, dass auf Kosten der Steuerzahler dieser Luxus finanzierbar ist. UNMÖGLICH

  19. 27.

    Ja klar mit dem 9.- € Ticket die Bürger entlasten, damit mehr für Lebensmittel und Energie übrig bleibt. Aber vielleicht sollte jeder auch mal sein eigenes Ausgabeverhalten reflektieren. Keiner braucht wenn überhaupt mehr als einen Streamingdienst, 3 und mehr Handyverträge und für die Kinder reicht vermutlich auch ein Sport- oder Musikverein. Von Ausgaben für übermäßigen Zigaretten- und Alkoholkonsum ganz zu schweigen. Aber Fordern ist natürlich immer einfacher als sich einzuschränken.

  20. 26.

    Vielleicht fahren Sie nie im Berufsverkehr im ÖPNV, denn anders kann ich mir Ihre Aussage nicht erklären.

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