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Video: rbb|24 | Material: rbb24 Abendschau | Quelle: Picture Alliance/TT/Hanna Franzén

Fünf Jahre "Fridays for Future"

"Das Thema Klimawandel wurde auf ein Niveau gehoben, wo es vorher nicht stand"

Vor fünf Jahren hat die Klimaaktivistin Greta Thunberg erstmals vor dem schwedischen Parlament protestiert. Welche Rolle das Thema Klimawandel spielt, und wie die "Letzte Generation" wahrgenommen wird, erklärt der Konfliktforscher Vincent August.  

rbb24: Herr August, stiehlt die "Letzte Generation" den Klima-Demonstrierenden der "Fridays for Future"-Bewegung inzwischen die Show?

Vincent August: Die "Letzte Generation" ist auf jeden Fall aktuell der präsentere Spieler der Klimabewegung. Das kann man schon sagen. Das war aber auch im Grunde zu erwarten, weil sich solche Massenproteste, wie "Fridays for Future" sie sehr erfolgreich organisiert hat, selten auf lange Dauer stellen lassen.

Zur Person

Dabei steht immer die Frage im Raum, wie sich die Bewegung weiter entwickelt. Hier haben wir eben auch eine Ausdifferenzierung dieser Klimabewegung in verschiedene Strategien beobachten können.

Was hat "Fridays for Future" denn erreicht?

Sie haben natürlich zum einen erreicht, dass das Thema Klimawandel auf ein Niveau gehoben wurde, wo es vorher nicht stand. Wo es jetzt auch durch andere Krisen nicht mehr in die Randrolle gedrängt werden kann, die es vorher einmal hatte. Das Hauptmittel war dafür natürlich der Massenprotest, den sie eben auch international organisieren konnten. Dass sie international sehr breit aufgestellt sind, unterscheidet sie auch von anderen Bewegungen.

Ein zweiter wichtiger Punkt, der darüber oft vergessen wird, ist, dass sie auch mit strategischer Prozessführung sehr erfolgreich waren und darüber den Rechtsrahmen mit verschoben haben. Das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann man hier als Beispiel nennen.

Die Erfolge haben als Folge sozusagen, dass sich auch die Gegenspieler mobilisiert haben, beziehungsweise, dass der Konflikt dadurch vorangetrieben und teils auch verschärft wurde.

Interview | Protestforscher über "Letzte Generation"

"Die Frage ist sicherlich, ob sich das Festkleben auf Dauer abnutzen wird"

Fast täglich legen die Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" den Verkehr auf Berlins Straßen lahm. Sie kleben sich mit den Händen an Straßen und Autos fest. Was ist von dieser Protestform zu halten? Fragen an den Soziologen Vincent August.

Was ist der größte Verdienst von Greta Thunberg, die auch vor der UN und vielen Regierungschefs gesprochen hat?

Mit dieser Aktion des zivilen Ungehorsams hat sie diese ganze Bewegung angeschoben und das auch stetig vorangetrieben. Über einen relativ langen Zeitraum hat sie es geschafft, diese Massenproteste zu mobilisieren. Gleichzeitig haben sie sich als Repräsentanten bei verschiedenen Organisationen etabliert - dass sie anerkannt sind als diejenigen, die jetzt für Klimawandel sprechen dürfen.

Gleichzeitig hat man das Gefühl, dass sich trotz der Massenproteste in der deutschen Politik gar nicht so viel getan hat. Ist es deswegen quasi folgerichtig, dass sich mit der "Letzten Generation" Leute zu Wort melden, die auf eine andere Art demonstrieren?

Ja, man kann beobachten, dass sich das politische System als ein sehr träges System erwiesen hat. Relativ schnell wieder hat es wieder in das gewohnte Spiel zurückgefunden nach dem durchaus erfolgreichen Druck, den die "Fridays for Future"-Bewegung aufgebaut hat.

Doch Massenproteste erschöpfen sich sozusagen, weil es den Einzelnen sehr viel Energie und auch Zeit abverlangt, was sehr schwer auf Dauer zu stellen ist. Die "Letzte Generation" hat im Grunde eine andere Strategie gewählt, die anstatt auf große Proteste, eher auf kleinere, homogenere Gruppen setzt, die mobiler und auch konfrontativer agieren können.

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Wie die Klimabewegung das Leben von drei Aktivisten beeinflusst hat

Streik statt Schule: Vor fünf Jahren löste in Schweden die damals 15-jährige Greta Thunberg eine globale Klimaprotest-Bewegung aus. Auch in Berlin gingen Tausende freitags auf die Straße. Wie haben sich ihre Sichtweisen seitdem verändert?

Andererseits sagen jetzt viele: Mit denen wollen wir nichts mehr zu tun haben; so toll finden wir Klimaschutz doch nicht. Also vielleicht auch kontraproduktiv?

Die Frage, ob das kontraproduktiv ist, kann man im Moment nicht abschließend beurteilen. Man muss dabei sehen, dass es eben auch widersprüchliche Effekte gibt, weil das ein Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure ist.

Es gibt zum Beispiel so etwas wie den Effekt der radikalen Flanke. Das heißt, dass die Moderaten wie "Fridays for future" davon profitieren könnten, dass es eine radikalere Flanke wie die "Letzte Generation" gibt. Gleichzeitig sieht man auch, dass die Ablehnung gegenüber der "Letzten Generation" natürlich weit verbreitet ist, und dass das aber eben keinen Auswirkungen darauf hat, ob man dadurch jetzt Klimaschutz weniger unterstützen würde.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Vincent August führte Angela Ulrich, rbb24 Inforadio.

Der Text ist eine redigierte Fassung. Das Originalgespräch können Sie über den Audio-Player oben im Artikel nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2023, 07:45 Uhr

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