Fünf Jahre "Fridays for Future" - Wie die Klimabewegung das Leben von drei Aktivisten beeinflusst hat
Streik statt Schule: Vor fünf Jahren löste in Schweden die damals 15-jährige Greta Thunberg eine globale Klimaprotest-Bewegung aus. Auch in Berlin gingen Tausende freitags auf die Straße. Wie haben sich ihre Sichtweisen seitdem verändert?
Katharina Fischer ist 27 Jahre alt und studiert in Berlin "Technischen Umweltschutz". Sie war bei vielen Demos von "Fridays for Future" dabei. Irgendwann habe ihr das aber nicht mehr ausgereicht, sagt sie. Deshalb engagiert sie sich seit zweieinhalb Jahren bei den Grünen in Berlin-Mitte und ist Delegierte für den Ortsverband auf dem Landesparteitag.
Bei "Fridays for Future" fand ich gut, dass das eine Schülerbewegung war, die von jungen Menschen kam. Es sind ja die folgenden Generationen, die die Folgen des Klimawandels auch erleben müssen. Ich fand es genial, sich freitags selbst von der Schule zu befreien, weil das ein klarer Appell war: Bitte unternehmt etwas!
Ich liebe die Natur. Ich bin schon als Kind immer durch Felder und Wälder gerannt und habe alles akribisch beobachtet. Während des Studiums habe ich gemerkt, wie schlecht es um die Natur steht, aber auch, was man alles verbessern kann. Den Klimawandel spüre ich auch in Berlin: Die Sommer sind in den letzten Jahren trockener geworden und die Regengüsse intensiver.
Von der Straße in die Politik
Ich dachte früher immer, Demos bringen nichts, aber ich finde, es ist die friedlichste Art zu zeigen: Wir sind hier, wir sind laut, wir wollen was ändern. "Fridays for Future" wollten einige vielleicht überhören, übersehen konnte man uns aber nicht. Und es wird darüber berichtet. So kann man etwas bewegen. Als Greta so wahnsinnig populär war, stiegen auch bei uns an der Uni im Fachbereich "Technischer Umweltschutz" die Studentenzahlen. Ich finde, es hat auf jeden Fall etwas gebracht, und ich würde mich freuen, wenn der Druck der ersten beiden Jahre wieder aufgebaut werden könnte.
Ich gehe nach wie vor auf die Straße, aber ich bin auch in die Politik gegangen, weil ich in vielen Gesprächen erlebt habe, wie machtlos sich Menschen manchmal fühlen. Die Politik aber hat die Macht und kann entscheiden. Da dachte ich mir: Ich gehe in die Politik, arbeite mit beiden Seiten und schaue, was ich selbst verändern kann. Manchmal motiviert mich mein Frust, dass sich die Dinge nicht so schnell verändern, wie ich es gerne hätte. Für mich bleibt es aber wichtig, dass künftige Generationen einen Planeten haben, auf dem sie gut leben können.
Ob ich Hoffnung habe? Eigentlich habe ich die Hoffnung verloren, dass wir es hinkriegen. Ich hoffe aber, dass ich mich täusche und dass wir es zumindest schaffen, den Schaden so gut wie möglich zu begrenzen.
Helene ist 38 Jahre alt, lebt in Berlin-Mitte, ist verheiratet und hat zwei Kinder, die in den Hort beziehungsweise in die Schule gehen. Die Diplom-Biologin arbeitet als Finanzmanagerin für eine Non-Profit-Firma. Weil ihr der Klimawandel Sorgen macht, war und ist sie bei den Klima-Streik-Demos dabei.
Bei "Fridays for Future" finde ich super, dass die Initiative von Schülern ausgegangen ist. Wir waren auch mit Kollegen auf den Demos und es war eine tolle Mischung: junge und ältere Menschen, Schüler und Wissenschaftlerinnen. Das fand ich faszinierend. Gemeinsam kämpft man in friedlicher, aber fordernder Stimmung für eine gute Sache.
Ich habe mich schon immer für Umweltthemen interessiert. Mein Leben hat sich seit "Fridays for Future" nicht wesentlich geändert. In der DDR haben wir auch ohne ein Auto Ausflüge gemacht, waren viel mit den Rädern unterwegs. Ich fahre zwar schon gerne Auto, aber wenn man wie wir in Mitte lebt, kann man Ausflüge auch gut mit der Bahn machen.
Klima-Streik aus der Mitte der Gesellschaft
Ich glaube, dass sich durch "Fridays for Future" in den vergangenen Jahren in der Gesellschaft durchaus etwas verändert hat. Früher interessierte man sich für Politik oft erst, wenn man 15 oder 16 Jahre alt war. Inzwischen ist das anders: Klimawandel ist schon für die Kleinsten ein Thema. Das zieht dann auch eine ganz andere mediale Aufmerksamkeit auf sich, von der das Signal ausgeht: Der Klima-Streik kommt direkt aus der Gesellschaft. Da hat Greta für meine Begriffe Großes geleistet. Aber wir brauchen einfach mehr Tempo im Kampf gegen den Klimawandel.
Wenig Zuversicht
Sorgen bereiten mir vor allem die immer knapper werdenden Ressourcen und die schwindende Artenvielfalt. Es kommt mir so vor, als würden wir den Ast, auf dem wir sitzen, absägen. Und unsere Kinder werden dann die Folgen am stärksten spüren. Am Ende stellt sich die Frage: Wie anpassungsfähig sind wir?
Meine Hoffnung, dass wir politisch die richtigen Maßnahmen ergreifen, ist gering. Das Tempo ist einfach zu langsam. Aber das lasse ich meine Kinder nicht spüren, ich will sie ja nicht depressiv machen. Dabei wären wir technologisch in der Lage, dem Klimawandel zu begegnen. Es wird aber zu viel geredet, und zu wenig und zu langsam gehandelt, da hat Greta völlig Recht. Und dann kommt noch hinzu, dass viele Menschen sehr bequem sind und alles gleich als "Verbot" auffassen. Sie denken nicht an Übermorgen und setzen ihre Prioritäten anders. Eigentlich heißen wir ja "homo sapiens sapiens" - der "Vernünftige", aber das sehe ich nicht mehr.
Corvin Drößler hat die Ortsgruppe in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) mitgegründet. Gerade hat der 24-Jährige seinen Master im Lehramtsstudium gemacht und beginnt demnächst sein Referendariat. Er hat das Entstehen der Bewegung miterlebt. Weil er sich schon immer für das Klima interessiert hatte, sah er die Notwenidigkeit, damals aktiv zu werden.
Das Echo war am Anfang ganz interessiert, weil es sehr neu war. Plötzlich sind junge Menschen auf die Straße gegangen. Das Echo war erst mal: Was möchten diese Leute überhaupt? Deswegen sind auch viele Leute gekommen. Es war relativ erfolgreich im ersten Jahr. Wir haben es geschafft, 2019 auch zu unserem größten Streik etwa 1.000 Leute auf die Straße zu bringen.
Ich möchte das auf jeden Fall beibehalten, und ich werde das auch beibehalten. Ich bin auch in der Klimawissenschaft aktiv, beispielsweise in meinem Studium. Ich habe Geografie studiert und bin dort auch in verschiedensten Forschungsbereichen tätig, schreibe wissenschaftliche Arbeiten auch zum Klima.
"Ich würde mich nicht auf die Straße kleben"
Ich nehme auch weiter an Demos teil und organisiere Projekte. Es muss nicht immer unbedingt eine Demo sein. Workshops können es auch sein, wie Bildungsprojekte, Bildungsveranstaltungen, Vorträge und Lesungen.
Ich lebe inzwischen vegan und nehme natürlich öfter die Öffis. Aber dazu muss erst einmal die Infrastruktur geschaffen werden. Ich komme vom Dorf und habe das Glück, dass hier ein Bahnhof ist. Aber dieses Glück haben nicht alle. Ich würde mich - Stand jetzt - nicht auf die Straße kleben. Man weiß aber nie, was die Zukunft bringt. Im Moment sehe ich meine Art von Aktivismus woanders.
Die Gespräche führten Wolf Siebert und Lisa Steger.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2023, 7:25 Uhr