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Video: Kontraste | 16.03.2021 | Simone Brannahl, Jo Goll und Lisa Wandt | Quelle: www.imago-images.de

Kontraste und rbb24 Recherche

Berliner Zick-Zack-Posse bei den Luftfiltern

Obwohl sich das Land Berlin seit November für Luftfiltergeräte ausspricht, sind diese in Schulen bislang rar gesät. Der Grund: Der Senat haderte zu lange und bizarre bürokratische Hürden bremsten Schulleiter aus. Von Simone Brannahl, Jo Goll und Lisa Wandt

Bislang wurden für die Berliner Schulen rund 3.900 mobile Luftreinigungsgeräte bestellt, die derzeit an die Schulen verteilt werden. Sie sollen für Klassenzimmer genutzt werden, die aufgrund ihrer baulichen Situation schlecht belüftet werden können. Denn sie können "eine weitere Ausbreitung von Covid-19 stark verringern", heißt es Anfang Februar von der Senatsverwaltung für Bildung.

Wie mühsam der Weg zu dieser Erkenntnis war, hat Schulleiter Jens Otte von der Bruno H. Bürgel Grundschule in Tempelhof erleben müssen. Im Herbst letzten Jahres wollten Eltern an seiner Schule Luftfilter für die Klassenzimmer spenden. Doch dieser Plan wurde durchkreuzt. "Das wurde vom Stadtrat untersagt, weil unklar ist, ob die Stromleitungen das aushalten", sagt Schulleiter Jens Otte gegenüber Kontraste.

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Einsatz erst nach Sicherheitsüberprüfung

Die Entscheidungsgewalt über bauliche Belange in den Berliner Schulen liegt bei den Bezirken. Stadtrat Oliver Schworck (SPD) begründet seine Entscheidung im Interview mit Kontraste damit, dass private elektrische Geräte in einem öffentlichen Gebäude erst betrieben werden dürften, wenn eine Prüfung der Geräte aus Sicherheitsgründen stattgefunden habe. An Jens Ottes Schule hatte es bereits mehrfach gebrannt, womöglich wegen überlasteter Stromkreise. Auf eine Überprüfung der Stromkreise durch den Bezirk wartet der Schulleiter aber nun seit Monaten vergebens.

Allein wegen der Anschaffung von Luftfiltergeräten könnten nicht alle Stromleitungen im Bezirk untersucht werden, sagt Stadtrat Schworck dazu. "So viele Leute haben wir gar nicht, um solche Untersuchungen machen zu können." Die Frage sei vielmehr: "Welche Geräte passen an welche Stromkreise."

Abstruse bürokratische Hürden für saubere Luft

Der Fall der Bruno H. Bürgel Grundschule in Tempelhof zeigt beispielhaft, mit welchen bürokratischen Hürden Lehrer in der Pandemie zu kämpfen haben, wenn etwas politisch gerade nicht wirklich gewollt ist. Im Sommer hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) noch auf so genannte CO2-Ampeln gesetzt, die an regelmäßiges Lüften erinnern. Zu Luftfiltern sagte sie im August: "Wir haben hier einen entsprechenden Facharbeitskreis gegründet, wo wir in den Austausch gehen mit den Bezirken und der Hochschule", kündigte Scheeres damals an.

Erneut auf Luftfiltergeräte angesprochen, entgegnete die Schulsenatorin dann Anfang Oktober, dass vor allem auch auf die Lautstärke der Luftfiltergeräte geachtet werden müsse. "Wenn so ein Hepa-Filter dann in der höchsten Stufe so laut ist wie ein alter Kühlschrank, da hat dann die Klasse auch nichts von", so die Senatorin damals. Das werde getestet.

Späte Entscheidung für die Anschaffung

Erst im November beschloss der Senat schließlich die Anschaffung von Luftfiltern im Wert von 4,5 Millionen Euro - zunächst über die Bezirke. Und die taten sich mit der Prüfung und Beschaffung von 1.200 Geräten schwer. Ein heilloses Durcheinander war die Folge. Mancher Bezirk bestellte sehr teure und wirkungsvolle Geräte und konnte deshalb nur wenige anschaffen. Andere Bezirke mussten bis Ende Januar auf die Auslieferungen warten.

Auch Bezirksstadtrat Oliver Schworck hatte damit anfangs Probleme. Er habe erst im November erfahren, dass er selbst für die Anschaffung zuständig sei und nicht der Senat. Darauf sei man im Bezirk Tempelhof-Schöneberg nicht vorbereitet gewesen, so Schworck. So hatte Schulleiter Jens Otte pünktlich zum Schulstart am 22. Februar kein einziges Luftfiltergerät für seine Klassenzimmer. Er sollte zu dem Zeitpunkt dem Bezirk noch auflisten, welche seiner Klassenräume sich besonders schlecht belüften ließen – und daher ein Luftfiltergerät nötig wäre.

Im Januar entschied wohl auch deshalb der Senat die Anschaffung der Geräte in eine Hand zu geben. Das Land Berlin beauftragte die landeseigene Immobilienmanagment GmbH, kurz BIM. In einer zweiten Charge wurden für weitere 4,5 Millionen Euro 2.700 Geräte beschafft. Davon seien bislang ca. 30 Prozent ausgeliefert, die restlichen 70 Prozent würden in den nächsten zwei Wochen erwartet, heißt es auf Anfrage von der Senatsverwaltung für Bildung. In einem nächsten Schritt würden weitere 3.500 Geräte für die Berliner Schulen angeschafft.

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Schulsenatorin Scheeres: "Weltmarkt ist abgegrast"

Bildungssenatorin Scheeres begründete das langsame Vorankommen Mitte Februar nicht etwa mit dem langen Zögern des Senats, sondern verwies in der rbb-Abendschau auch auf wirtschaftliche Zusammenhänge. Der Weltmarkt sei "abgegrast", deshalb sei man in eine "zentrale Anschaffung" übergegangen. Optimistisch verkündete Scheeres, dass Berlin bis zum nächsten Sommer sukzessive weitere Geräte anschaffen werde, so "dass wir um die 8.000 Luftfilter haben."

Neue Idee des Stadtrats: Eltern sollen an den Bezirk spenden

Stadtrat Oliver Schwork hat jetzt eine Idee, wie sich Eltern in den Bezirken finanziell engagieren und bei der Anschaffung der Filter doch noch helfen können. Er habe den Schulleitern das Angebot gemacht, dass Eltern zweckgebundene Spenden an den Bezirk überweisen können – und der Bezirk dann die Geräte anschafft. Das erspare "Überlegungen zu Wartung, Bewirtschaftung und Stromkreislauf", so Schworck.

Doch der Tempelhofer Schulleiter Jens Otte ist von diesem Vorschlag nicht überzeugt. Die Geräte, die der Bezirk anschaffen will, kosten laut seiner Aussage 2.000 bis 3.000 Euro. Jens Otte glaubt, dass die Eltern so viel Geld nicht spenden werden, weil sie es gar nicht können.

Immerhin ein bisschen was hat sich getan: inzwischen sind sechs Luftfiltergeräte an der Bruno H. Bürgel Grundschule angekommem. Aber Schulleiter Otte wird sich wohl noch eine ganze Weile damit abfinden müssen, dass nicht in jedem Klassenzimmer seiner Schule ein Luftfilter steht.

Sendung: Kontraste, die Reporter "Generation Schulchaos“, 16.03.2021, 21.15 Uhr

Beitrag von Simone Brannahl, Jo Goll und Lisa Wandt

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