rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport
Video: rbb24 | 22.03.2023 | Torsten Michels | Quelle: IMAGO / Revierfoto

Vor dem Saison-Endspurt

Darauf wird es für Hertha im Kampf um den Klassenerhalt ankommen

Bei der TSG Hoffenheim hat Hertha BSC alle im Abstiegskampf benötigten Qualitäten vermissen lassen. Um den Klassenerhalt zu erreichen, müssen sich die Berliner in den letzten neun Ligaspielen in mehreren Disziplinen deutlich verbessern. Von Marc Schwitzky

Sandro Schwarz nutzte eine Medienrunde zu Beginn der Länderspielpause für eine Energieleistung, die er sich am vergangenen Samstag von seiner blutleer aufgetretenen Mannschaft gewünscht hätte. Im so wichtigen Abstiegskampfduell hatte sich Hertha fast ohne Gegenwehr von kriselnden Hoffenheimern abschießen lassen.

Herthas Trainer sagte, er wolle bei aller berechtigten Kritik - "wir haben scheiße gespielt, echten Schrott" - jedoch nicht das Spiel mitmachen, bei seiner Mannschaft "grundsätzlich" zu werden und ihr die richtige Mentalität abzusprechen. "Kein Mensch hat hier das Gefühl, das kriegen wir schon irgendwie hin. Wir sind uns der Gefahr total bewusst und total klar", so Schwarz deutlich. Seine Spieler wüssten, "was Abstiegskampf bedeutet."

Nach 25 Spieltagen ist die "alte Dame" mit 21 Punkten auf dem Relegationsrang 16 in die letzte Länderspielpause der Saison eingelaufen. Der Abstiegskampf ist dabei so offen wie selten zuvor: Platz 18 und 14 trennen aktuell fünf Punkte. Für Hertha ist trotz des Rückschlags gegen Hoffenheim noch nichts verloren. Damit die Berliner erneut im Endspurt den Abstieg verhindern können - im Vorjahr gelang das in der Relegation - müssen sie sich in einigen Aspekten signifikant verbessern.

Sandro Schwarz nach Hertha-Niederlage in Hoffenheim

"So wollen wir nicht auftreten, das ist Zeitverschwendung"

Hertha BSC ist seit nunmehr neun Auswärtsspielen ohne Sieg. Selbst bei der kriselnden TSG Hoffenheim waren die Berliner chancenlos. Ein emotionaler Sandro Schwarz kritisierte am Tag nach der Pleite insbesondere die Art und Weise der Niederlage.

Mit der Einstellung kommt die Konkurrenzfähigkeit

"Ich glaube, dass wir nach Frankfurt ganz klar den Beweis angetreten haben, dass wir wissen, wie unser Spiel auszusehen hat und dass wir das auch in Ergebnisse umgemünzt haben", so Schwarz. In der Tat zeigte Hertha nach jener herben 0:3-Niederlage bei Eintracht Frankfurt Anfang Februar ein deutlich anderes Gesicht. Die darauffolgenden Heimspiele gegen Borussia Mönchengladbach und den FC Augsburg wurden überzeugend gewonnen, gegen Borussia Dortmund war es trotz des deutlichen Ergebnisses (1:4) eine ordentliche Auswärtsleistung.

Die Kehrtwende nach zuvor vier erschreckenden Niederlagen in Serie hatte zum einen mit der Systemumstellung auf ein 3-5-2 zu tun, zum anderen aber auch mit einer anderen Mentalität: Intensität, Emotionalität, Konzentration – die von Schwarz stets geforderten Attribute waren deutlich zu erkennen. Auch beim 1:1 vor zwei Wochen gegen Mainz trat Hertha zumindest im ersten Abschnitt sehr kämpferisch wie wach auf und wurde mit einem Punkt belohnt. Als Hertha das vermissen ließ, setzte es hingegen deutliche Niederlagen in Leverkusen und eben bei Hoffenheim.

Hertha muss Auswärtsschwäche in den Griff bekommen

Es ist klar zu erkennen: Immer dann, wenn die Blau-Weißen mit der benötigten Emotionalität und Disziplin in die Partien gehen, sind sie konkurrenzfähig und ein echtes Problem für ihre Gegner. Diese Einstellung braucht es in jedem Spiel, allerdings lässt Hertha sie besonders in Auswärtsspielen vermissen. In der Fremde sind die Hauptstädter das ligaweit schlechteste Team. Lediglich vier Punkte haben die Berliner nach zwölf Spielen in der Fremde geholt – und keinen davon im neuen Jahr.

Unerwartetes Karriereende | Fußballer Vincent Rabiega

Vom Knie bezwungen

In der Jugend bei Hertha BSC und der polnischen Nationalauswahl, später bei RB Leipzig: Die Anfänge von Vincent Rabiegas Fußballkarriere sind vielversprechend. Doch immer wieder kommen die Verletzungen. Mit 25 ist Schluss. Von Lynn Kraemer

"Es ist doch sonnenklar, dass wir in den Heimspielen ein anderes Gesicht zeigen. Dass wir dieses Gesicht haben, ist schon mal die gute Nachricht", sagt Schwarz, der die Auswärtsblockade seiner Spieler in der Länderspielpause klar thematisieren will. "Diese Diskrepanz ist Woche für Woche ein Thema. Das ist der Grund dafür, warum wir in dieser Tabellenregion sind."

Eingespielte Dreierkette wäre defensiver Schlüssel

Besonders die Defensive hat in den Auswärtspartien des neuen Jahres enttäuscht. Hertha hat 2023 kein Spiel auf fremden Rasen mit weniger als drei Gegentoren beendet, mittlerweile stellen die Berliner die zweitschlechteste Defensive der Liga – was auch Konsequenzen für das im Abstiegskampf durchaus bedeutsame Torverhältnis hat. Zwar hat die Systemumstellung die Abwehr etwas stabilisiert, doch auch hier gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsauftritten.

In den letzten drei Heimspielen hat Hertha nur zwei Gegentore kassiert, hier stimmte die Arbeit gegen den Ball. Finden die Herthaner in ihren Rhythmus – hohes Attackieren, Gegenpressing, ausgemachte Pressingzonen – sind sie schwer zu knacken, da sie den Gegner zu langen, ungenauen Bällen zwingen. Geht jener Plan jedoch nicht auf, bricht die letzte Abwehrlinie zu oft auseinander. Oftmals steht und fällt Herthas Defensivplan mit der Dichte im Zentrum. Haben Tolga Cigerci, Suat Serdar und Lucas Tousart Zugriff auf das Spiel, steht Hertha im Allgemeinen sicher und kompakt. Wenn nicht, läuft der Gegner auf eine nicht allzu sichere Abwehrkette zu und hat oftmals leichtes Spiel.

Herthas Innenverteidigung ist aufgrund der neuen Formation und verletzungsbedingter Rotation nicht eingespielt, wodurch im schnellen, flachen Spiel die fehlende Abstimmung fatale Folgen hat. Um defensive Souveränität zu erlangen, braucht es eine eingespielte Dreierkette – etwas, das das Trainerteam nur bedingt beeinflussen kann.

Vor dem Saison-Endspurt

Darauf wird es für den 1. FC Union im Kampf um die Champions-League-Plätze ankommen

Der Sieg gegen Frankfurt zeigt auf, was Union braucht, um sich in den Champions-League-Rängen zu halten. Besseres Kombinationsspiel und Stürmertore könnten den herausragenden Torwart und die psychische Fitness ergänzen. Von Till Oppermann

Hertha fehlt ein knipsender Mittelstürmer

Auch im Sturmzentrum hat sich keine Besetzung aus Leistungsgründen wirklich etablieren können. Zuletzt haben Jessic Ngankam und Florian Niederlechner die Gunst des Trainers gehabt, doch ungeachtet ihrer leidenschaftlichen Arbeit gegen den Ball ist ihre Torausbeute deutlich zu gering. Ngankam steht nach zehn Spielen bei zwei Treffern, Winterneuzugang Niederlechner hat in seinen acht Partien für Hertha noch gar nicht getroffen. Doch auch die Konkurrenz aus Wilfried Kanga, Stevan Jovetic und Derry Scherhant drängt sich kaum auf. Einzig Dodi Lukebakio hat sich mit zehn Saisontoren als recht verlässlicher Angreifer bewiesen, doch im 3-5-2-System findet sich der Belgier als zentraler Stürmer kaum zurecht.

Das Fehlen eines Torjägers macht sich bei Hertha, das unglaublich viel für einen Treffer arbeiten muss, deutlich bemerkbar. Nur drei Bundesliga-Teams haben weniger Tore als die alte Dame geschossen. Es ist Schwarz' Aufgabe, aus den insgesamt sechs Optionen für den Sturm ein funktionierendes Duo zu bilden, das Hertha endlich mehr Torgefahr verleiht.

Klassenerhalt ist möglich, aber ...

Wie bereits angeklungen ist, hat Hertha in den letzten Wochen bewiesen, punkten zu können. Seit der Niederlage gegen Frankfurt haben sich die Blau-Weißen mit Leverkusen (1:4) und Hoffenheim (0:3) nur zwei indiskutabel schlechte Leistungen erlaubt, mit der Heimserie von zuletzt zwei Siegen und einem Unentschieden kann Hertha zufrieden sein.

BAK-Präsident vor Benefizspiel gegen Hertha

"Ich wünsche mir einfach, dass alles so wird wie früher"

Am Freitag treffen im Poststadion der Berliner AK und Hertha BSC erstmals in ihrer Historie aufeinander. Beim Benefizspiel steht der Sport allerdings im Hintergrund. Der Erlös wird den Betroffenen des Erdbebens in der Türkei zu Gute kommen.

Das größte Problem ist die erhebliche Auswärtsschwäche und die dadurch fehlende Konstanz, die große Verunsicherung in den Köpfen der Spieler hinterlassen hat. Unabdingar ist es für Hertha, bei den Spielen in der Fremde beim FC Schalke 04 und 1. FC Köln Punkte mitzunehmen. Darüber hinaus trifft Hertha zu Hause unter anderem noch auf Werder Bremen, den VfB Stuttgart und VfL Bochum. Treten die Berliner in jenen Begegnungen wie in den letzten Heimspielen auf, sind Siege eindeutig möglich – und damit auch der Klassenerhalt.

Für Herthas Trainer Sandro Schwarz ist daher eine Botschaft von zentraler Bedeutung: "Die Situation ist so, dass du sie immer noch lösen kannst. Das darf keiner vergessen." Der so offene Abstiegskampf wird wohl bis zum letzten Spieltag anhalten – und Hertha ist mittendrin. Das macht einen Klassenerhalt möglich, aber noch lange nicht wahrscheinlich. Klar ist: Um den Abstieg zu verhindern, muss Hertha im Vergleich zu den Vorwochen nochmals einen Schritt nach vorne machen.

Sendung: rbb24, 22.03.2023, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

Artikel im mobilen Angebot lesen