Vor dem Saison-Endspurt - Darauf wird es für Hertha im Kampf um den Klassenerhalt ankommen

Mi 22.03.23 | 15:10 Uhr | Von Marc Schwitzky
  11
Herthas Spieler bilden einen Kreis. (Foto: IMAGO / Revierfoto)
Video: rbb24 | 22.03.2023 | Torsten Michels | Bild: IMAGO / Revierfoto

Bei der TSG Hoffenheim hat Hertha BSC alle im Abstiegskampf benötigten Qualitäten vermissen lassen. Um den Klassenerhalt zu erreichen, müssen sich die Berliner in den letzten neun Ligaspielen in mehreren Disziplinen deutlich verbessern. Von Marc Schwitzky

Sandro Schwarz nutzte eine Medienrunde zu Beginn der Länderspielpause für eine Energieleistung, die er sich am vergangenen Samstag von seiner blutleer aufgetretenen Mannschaft gewünscht hätte. Im so wichtigen Abstiegskampfduell hatte sich Hertha fast ohne Gegenwehr von kriselnden Hoffenheimern abschießen lassen.

Herthas Trainer sagte, er wolle bei aller berechtigten Kritik - "wir haben scheiße gespielt, echten Schrott" - jedoch nicht das Spiel mitmachen, bei seiner Mannschaft "grundsätzlich" zu werden und ihr die richtige Mentalität abzusprechen. "Kein Mensch hat hier das Gefühl, das kriegen wir schon irgendwie hin. Wir sind uns der Gefahr total bewusst und total klar", so Schwarz deutlich. Seine Spieler wüssten, "was Abstiegskampf bedeutet."

Nach 25 Spieltagen ist die "alte Dame" mit 21 Punkten auf dem Relegationsrang 16 in die letzte Länderspielpause der Saison eingelaufen. Der Abstiegskampf ist dabei so offen wie selten zuvor: Platz 18 und 14 trennen aktuell fünf Punkte. Für Hertha ist trotz des Rückschlags gegen Hoffenheim noch nichts verloren. Damit die Berliner erneut im Endspurt den Abstieg verhindern können - im Vorjahr gelang das in der Relegation - müssen sie sich in einigen Aspekten signifikant verbessern.

Mit der Einstellung kommt die Konkurrenzfähigkeit

"Ich glaube, dass wir nach Frankfurt ganz klar den Beweis angetreten haben, dass wir wissen, wie unser Spiel auszusehen hat und dass wir das auch in Ergebnisse umgemünzt haben", so Schwarz. In der Tat zeigte Hertha nach jener herben 0:3-Niederlage bei Eintracht Frankfurt Anfang Februar ein deutlich anderes Gesicht. Die darauffolgenden Heimspiele gegen Borussia Mönchengladbach und den FC Augsburg wurden überzeugend gewonnen, gegen Borussia Dortmund war es trotz des deutlichen Ergebnisses (1:4) eine ordentliche Auswärtsleistung.

Die Kehrtwende nach zuvor vier erschreckenden Niederlagen in Serie hatte zum einen mit der Systemumstellung auf ein 3-5-2 zu tun, zum anderen aber auch mit einer anderen Mentalität: Intensität, Emotionalität, Konzentration – die von Schwarz stets geforderten Attribute waren deutlich zu erkennen. Auch beim 1:1 vor zwei Wochen gegen Mainz trat Hertha zumindest im ersten Abschnitt sehr kämpferisch wie wach auf und wurde mit einem Punkt belohnt. Als Hertha das vermissen ließ, setzte es hingegen deutliche Niederlagen in Leverkusen und eben bei Hoffenheim.

Hertha muss Auswärtsschwäche in den Griff bekommen

Es ist klar zu erkennen: Immer dann, wenn die Blau-Weißen mit der benötigten Emotionalität und Disziplin in die Partien gehen, sind sie konkurrenzfähig und ein echtes Problem für ihre Gegner. Diese Einstellung braucht es in jedem Spiel, allerdings lässt Hertha sie besonders in Auswärtsspielen vermissen. In der Fremde sind die Hauptstädter das ligaweit schlechteste Team. Lediglich vier Punkte haben die Berliner nach zwölf Spielen in der Fremde geholt – und keinen davon im neuen Jahr.

"Es ist doch sonnenklar, dass wir in den Heimspielen ein anderes Gesicht zeigen. Dass wir dieses Gesicht haben, ist schon mal die gute Nachricht", sagt Schwarz, der die Auswärtsblockade seiner Spieler in der Länderspielpause klar thematisieren will. "Diese Diskrepanz ist Woche für Woche ein Thema. Das ist der Grund dafür, warum wir in dieser Tabellenregion sind."

Eingespielte Dreierkette wäre defensiver Schlüssel

Besonders die Defensive hat in den Auswärtspartien des neuen Jahres enttäuscht. Hertha hat 2023 kein Spiel auf fremden Rasen mit weniger als drei Gegentoren beendet, mittlerweile stellen die Berliner die zweitschlechteste Defensive der Liga – was auch Konsequenzen für das im Abstiegskampf durchaus bedeutsame Torverhältnis hat. Zwar hat die Systemumstellung die Abwehr etwas stabilisiert, doch auch hier gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsauftritten.

In den letzten drei Heimspielen hat Hertha nur zwei Gegentore kassiert, hier stimmte die Arbeit gegen den Ball. Finden die Herthaner in ihren Rhythmus – hohes Attackieren, Gegenpressing, ausgemachte Pressingzonen – sind sie schwer zu knacken, da sie den Gegner zu langen, ungenauen Bällen zwingen. Geht jener Plan jedoch nicht auf, bricht die letzte Abwehrlinie zu oft auseinander. Oftmals steht und fällt Herthas Defensivplan mit der Dichte im Zentrum. Haben Tolga Cigerci, Suat Serdar und Lucas Tousart Zugriff auf das Spiel, steht Hertha im Allgemeinen sicher und kompakt. Wenn nicht, läuft der Gegner auf eine nicht allzu sichere Abwehrkette zu und hat oftmals leichtes Spiel.

Herthas Innenverteidigung ist aufgrund der neuen Formation und verletzungsbedingter Rotation nicht eingespielt, wodurch im schnellen, flachen Spiel die fehlende Abstimmung fatale Folgen hat. Um defensive Souveränität zu erlangen, braucht es eine eingespielte Dreierkette – etwas, das das Trainerteam nur bedingt beeinflussen kann.

Hertha fehlt ein knipsender Mittelstürmer

Auch im Sturmzentrum hat sich keine Besetzung aus Leistungsgründen wirklich etablieren können. Zuletzt haben Jessic Ngankam und Florian Niederlechner die Gunst des Trainers gehabt, doch ungeachtet ihrer leidenschaftlichen Arbeit gegen den Ball ist ihre Torausbeute deutlich zu gering. Ngankam steht nach zehn Spielen bei zwei Treffern, Winterneuzugang Niederlechner hat in seinen acht Partien für Hertha noch gar nicht getroffen. Doch auch die Konkurrenz aus Wilfried Kanga, Stevan Jovetic und Derry Scherhant drängt sich kaum auf. Einzig Dodi Lukebakio hat sich mit zehn Saisontoren als recht verlässlicher Angreifer bewiesen, doch im 3-5-2-System findet sich der Belgier als zentraler Stürmer kaum zurecht.

Das Fehlen eines Torjägers macht sich bei Hertha, das unglaublich viel für einen Treffer arbeiten muss, deutlich bemerkbar. Nur drei Bundesliga-Teams haben weniger Tore als die alte Dame geschossen. Es ist Schwarz' Aufgabe, aus den insgesamt sechs Optionen für den Sturm ein funktionierendes Duo zu bilden, das Hertha endlich mehr Torgefahr verleiht.

Klassenerhalt ist möglich, aber ...

Wie bereits angeklungen ist, hat Hertha in den letzten Wochen bewiesen, punkten zu können. Seit der Niederlage gegen Frankfurt haben sich die Blau-Weißen mit Leverkusen (1:4) und Hoffenheim (0:3) nur zwei indiskutabel schlechte Leistungen erlaubt, mit der Heimserie von zuletzt zwei Siegen und einem Unentschieden kann Hertha zufrieden sein.

Das größte Problem ist die erhebliche Auswärtsschwäche und die dadurch fehlende Konstanz, die große Verunsicherung in den Köpfen der Spieler hinterlassen hat. Unabdingar ist es für Hertha, bei den Spielen in der Fremde beim FC Schalke 04 und 1. FC Köln Punkte mitzunehmen. Darüber hinaus trifft Hertha zu Hause unter anderem noch auf Werder Bremen, den VfB Stuttgart und VfL Bochum. Treten die Berliner in jenen Begegnungen wie in den letzten Heimspielen auf, sind Siege eindeutig möglich – und damit auch der Klassenerhalt.

Für Herthas Trainer Sandro Schwarz ist daher eine Botschaft von zentraler Bedeutung: "Die Situation ist so, dass du sie immer noch lösen kannst. Das darf keiner vergessen." Der so offene Abstiegskampf wird wohl bis zum letzten Spieltag anhalten – und Hertha ist mittendrin. Das macht einen Klassenerhalt möglich, aber noch lange nicht wahrscheinlich. Klar ist: Um den Abstieg zu verhindern, muss Hertha im Vergleich zu den Vorwochen nochmals einen Schritt nach vorne machen.

Sendung: rbb24, 22.03.2023, 18 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

11 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 11.

    Wenn man so verschuldet ist, ist alles schwierig. Und Charakter gibt es auch nicht an der Straßenecke. Dieses ganze BCC-Theater und Herr
    Windhorst haben alle gierig gemacht. Das ist Zeitgeist aber völlig unproduktiv und unprofessionell. So macht man einen Traditionsverein kaputt. Ich verfolge die Kapriolen von HBSC seit vielen Jahren. So schlimm wie jetzt war es selten.
    HaHoHe Hertha BSC. Viel Glück!!




  2. 10.

    Felix Magath :)

    Ich sehe das wie Sie, aber einen Feuerwehrmann würde man schon noch finden, der sich das antut. Reichen wird es sowieso nur, wenn zwei Mannschaften noch schlechter sind als Hertha und diese Vorstellung fällt angesichts der besser werdenden Leistungen der Konkurrenz immer schwerer. Wenn die Hertha weiterhin so grottenschlechte Auswärtsspiele abliefert, geht es dieses Jahr dann wirklich direkt runter.

  3. 9.

    .. und jährlich grüßt das Murmeltier. Auch der HSV zeigt zum Saisonende wieder schwächen...na wie geht's weiter?

  4. 8.

    Sponsoring im Fußball ist ein weites Feld..........
    Text der Unionshymne ist ehrenhaft und auch nachvollziehbar, deshalb heißt es ja auch EISERN UNION
    und trotzdem bitte auch Fußball SPIEL ein SPIEL sein lassen und Stadtmeister ist geschafft, hätte ich halt gerne auch nächste Saison bestätigt gehabt
    U.N.V.E.U.

  5. 7.

    Klingt wie Pfeifen im dunklen Wald.
    Ich persönlich finde es schon beachtlich, wieviel Humor man doch als BCC-Fan haben muss, solche Rechnung aufzumachen.
    Der BCC777 scheitert an sich selbst und an seiner realitätsfremde.
    17 Niederlagen der letzten Saison sind noch zu toppen. Auch da reichen die "Schlüsselspiele" und für die Punkte für Freiburg, Schalke, Bremen, Stuttgart, Köln, Bochum, Wolfsburg sorgt letztlich der Absteiger dann auch.

  6. 6.

    Gegen FC Franchise 777 aus Miami kann es gar kein Derby geben.
    Wer 50+1 so ecklig aushebelt bzw umgeht und somit fairen Wettbewerb mit Füßen tritt, verdient kein "Derby" in der Stadt!

  7. 5.

    Klingt wie Pfeifen im dunklen Wald.
    Ich persönlich finde es schon beachtlich, wieviel Humor man doch als BCC-Fan haben muss, solche Rechnung aufzumachen.
    Der BCC777 scheitert an sich selbst und an seiner realitätsfremde.
    17 Niederlagen der letzten Saison sind noch zu toppen. Auch da reichen die "Schlüsselspiele" und für die Punkte für Freiburg, Schalke, Bremen, Stuttgart, Köln, Bochum, Wolfsburg sorgt letztlich der Absteiger dann auch.

  8. 4.

    Welcher Trainer soll sich denn hertha antun? Er kann doch nur verlieren bei der Konstellation der letzten 9 Spiele. Hertha sollte, so sehr ich es wegen dem fehlenden derby bedauern würde, in die 2. Liga absteigen und sich von Grund auf erneuern. Sonst ist nächste Saison dieselbe Misere und die gleichen Sprüche über Mannschaft, Trainer und Vorstand.

  9. 3.

    21 Punkte hat Hertha und 9 Spiele sind noch offen. Eher optimistisch gerechnet, wird man 35 Punkte brauchen, um nicht abzusteigen. Vielleicht reichen 33 zur Relegation. Aus den 9 Partien kann man Leipzig und Bayern streichen. Das bedeutet, das Hertha aus den verbleibenden 7 Partien etwa 14 Punkte holen muss. Also z. B. 4 Siege und 2 Remis. Die Bilanz einer Spitzenmannschaft. Man kann selbst ausrechnen, ob Hertha dazu fähig ist. Die 7 "Punktelieferanten" wären dann:
    Freiburg, Schalke, Bremen, Stuttgart, Köln, Bochum, Wolfsburg. Die Schlüsselspiele sind klar. Schalke (A), Stuttgart (H),
    Bochum (H). Das Problem ist nur, selbst wenn man ALLE Schlüsselspiele gewinnt, wird das nicht reichen. Man muss auch extra was holen. Sollte Hertha in Freiburg nicht punkten, muss Schwarz weg. SOFORT !!!!

  10. 2.

    Es ist einfach beschämend das man Profis noch daran erinnern muss zu kämpfen. Nur wenn die Vorstands Etage schon den Weg in die 2. Liga vorgibt und ambitonslos den Berliner Weg propagiert um dann nur noch mit Spielern die für Hertha brennen zu spielen. Das hatte schon Bobic propagiert. So ein Quatsch Hertha braucht Spieler mit Charakter nichts anderes. Was hat Bernstein bisher gebracht, Nichts. Auch nur gequatsche, persönliche Eitelkeiten stehen im Vordergrund und Hertha verkauft. Nein Danke.

  11. 1.

    guter Artikel, mir fällt als Antwort spontan ein : Tore schießen und das wünsche ich der Hertha sehr !!!!
    Grüße aus Köpenick mit Sehnsucht nach neuem Stadtderby !!!!!
    (merk grad, äschta Bääärlina äbbnn)
    U.N.V.E.U.

Nächster Artikel