Ukrainer auf den Arbeitsmarkt - "Die meisten Arbeitgeber sind aufgeschlossen, anders als in der Flüchtlingswelle 2015"

Di 31.01.23 | 15:22 Uhr
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Krystyna Zhuk (Foto: rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 31.01.2023 | Nico van Capelle | Bild: rbb

Fast ein Jahr ist es her, dass russische Truppen in die Ukraine marschierten. Seitdem sind fast 40.000 Menschen allein nach Brandenburg geflohen. Nur ein Teil hat dort schon Arbeit gefunden. Integration dauert. Doch die Chancen stehen gut. Von Aline Lepsch

Kartoffeln schälen und Essen vorbereiten - das kennt Krystyna Zhuk noch aus ihrer Ausbildung. Die Ukrainerin ist gelernte Köchin. Im März 2022 floh sie mit ihrer Tochter nach Deutschland, seit August arbeitet sie in einem Restaurant am Hafen in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz).

"Als ich hierher kam, habe ich eine Familie kennengelernt. Sie leben hier und das Mädchen, Yulia, hat hier gearbeitet und mir erzählt, wie sehr sie die Küche liebt", sagt Krystyna Zhuk. "Und so bin ich ganz schnell ihr hierhergekommen."

Die Ukrainerin hat es einfach probiert, ohne ein Wort Deutsch zu können und ohne Hilfe vom Amt. Krystyna Zhuk wollte unbedingt arbeiten. Ein Glücksfall für das Restaurant. "Sie war wirklich super, ich bin so zufrieden, dass sie überhaupt zu uns gekommen ist", sagt Teamleiterin Raisa Kruglakova. "Sie macht alles schnell."

Bei der Zusammenarbeit hilft die gemeinsame Sprache. Kruglakova ist selbst vor 18 Jahren aus Kasachstan nach Deutschland gekommen, kann Russisch und auch etwas Ukrainisch.

"Bunte Mischung an Integrationen"

Fleißig und flexibel - so werden die Ukrainer oft beschrieben. Doch einen Job hat das noch lange nicht allen gebracht. Rund 2.600 "erwerbsfähige Leistungsbezieher" sind in Südbrandenburg gemeldet. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen ist laut Marion Richter von der Arbeitsagentur Cottbus zurzeit in Integrationsmaßnahmen wie Sprachkursen. "Das sind sehr motivierte Menschen. Viele von ihnen sind sehr engagiert, sich die Sprache anzueignen und die Abschlüsse anerkennen zu lassen", so Richter.

Insgesamt 155 Ukrainerinnen und Ukrainer haben bisher einen Arbeitsplatz gefunden - und das in ganz unterschiedlichen Branchen, unter anderem in den Bereichen Gaststätte, Pflege, Erziehung und Unterricht. Marion Richter spricht von einer "bunten Mischung an Integrationen."

Aufgeschlossene Arbeitsgeber - anders als 2015

155 von 2.600 konnten vermittelt werden - das klingt nach einem trägen Prozess. Doch die Zahl ist laut Marion Richter nicht weiter verwunderlich. So viele Menschen könne man nicht auf einmal in einen Sprachkurs schicken, da brauche es Platzkapazitäten und Dozenten.

Darüber hinaus dauert ein Integrationskurs neun Monate - "die sind im Normalfall noch gar nicht um", so Richter. Die meisten Ukrainer würden diese Kurse ungefähr Mitte März beenden. "Gen Sommer wird das peu à peu mehr."

Der große Run komme also erst noch und die Vermittlung sollte dann kein Problem sein, dank vieler offener Stellen und einem Umdenken bei den Arbeitgebern. "Die große Mehrheit der Arbeitgeber ist da ohnehin aufgeschlossen, anders als in der Flüchtlingswelle 2015", sagt Marion Richter. Damals sei eine große Zurückhaltung und Skepsis zu spüren gewesen. "Das ist jetzt hier gar nicht der Fall."

Damit Ukrainerinnen und Ukrainer vermittelt werden können, seien ein "Mindestmaß an Deutsch und auch gewisse Qualifikationen erforderlich", sagt Richter. Das bekomme sie von den Arbeitgebern gesagt.

Learning by Doing

Im Restaurant in Senftenberg, in dem Krystyna Zhuk arbeitet, setzt man eher auf Learning by Doing - mit einer wilden Mischung aus Russisch, Ukrainisch, Deutsch und guter Laune. "Sie fragt manchmal, aber versteht auch viele Wörter schon", sagt Teamleiterin Raisa Kruglakova. "Und alle Leute bestellen auch auf Deutsch. Deswegen muss sie das irgendwie verstehen."

Um noch besser zu werden, geht Krystyna Zhuk drei Mal pro Woche nach der Arbeit zum Deutschkurs. Auch darum hat sie sich selbst gekümmert. Doch ob sie überhaupt in Deutschland bleiben will oder mit ihrer Tochter zurück zu ihrem Mann - das weißt sie noch nicht, wie sie sagt.

Mit Informationen von Nico van Capelle.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 31.01.2023, 19:30 Uhr

4 Kommentare

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  1. 4.

    Dem Beitrag , der die hiesige Realität beschreibt, ist wenig hinzuzufügen.
    Doch noch eins, um so hörer die Zahl der Langzeitarbeitslosen im einzelnen Bundesland ist, um so höher die Anzahl derer, die eine Eingliederung in die Arbeitswelt verweigern.

    Das Bürgergeld ändert nichts, es schafft eher Anreize für eine Auszeit.

  2. 3.

    Ich glaube, dass da schon viel dran ist, was Sie schreiben.
    Ich habe viele Jahre mit den im "unerschütterlichen Sockel Befindlichen im Hartz-IV-Bezug" gearbeitet. Wenn man 5 Personen bei einem sog. "Personendurchlauf" von 100 in eine Sozialversicherungspflichtige Arbeit vermitteln konnte, dann war das leider das Höchste "der Gefühle". Trotz eines tollen Betreuerteams, die alles dafür gaben, diesen Menschen zu helfen. Nur waren & sind die Maßnahmen verpönt, obwohl keiner der sog. Zugewiesenen auch nur einen Point der geforderten persönlichen & Ausbildungsqualitäten erfülllt hätte(mehrere Berufs-Abschlüsse). Das Team hatte alles gegeben, aber nur, bei denen, bei denen der Druck "von außen", was immer der Leser darunter verstehen möchte, derart groß war, dass es nicht anders ging, es doch mit einer geregelten Arbeit zu versuchen, - Sesam öffne dich! - gelang die Vermittlung! Ja, die Ukrainer, sind aus anderem "Holz geschnitzt"!

  3. 2.

    "155 von 2.600 konnten vermittelt werden"
    na das ist doch ein unglaublicher Erfolg !!! - wahrscheinlich dennoch eine höhere Quote als bei anderen Nationen.

  4. 1.

    Schnellere Ausbildungsanerkennung und dann "loslaufen lassen" kann die "Erfolgsquote" von 6% (155 in Job/2600) (Von 40.000 sind 2600, also 6,5% nur vermittelbar?)
    Kurse parallel zur Arbeit, wie an den Volkshochschulen für Einheimische auch, bringt Zeitgewinn. Und nur Gewinner...

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