IHK will helfen - Das langsame Ladensterben in Bad Liebenwerda

Mo 27.02.23 | 18:58 Uhr
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Ein geschlossenes Geschäft in Bad Liebenwerda (Foto: rbb/Pospesch)
Audio: Antenne Brandenburg | 27.02.2023 | Jonas Pospesch | Bild: rbb/Pospesch

Südbrandenburgs Kleinstädte haben herrliche historische Zentren - und ein Problem: Die Geschäfte sterben einen langsamen Tod. Inzwischen trifft es auch Bad Liebenwerda, trotz Kurbetrieb. Jonas Pospesch über mögliche Ursachen - und wie die IHK helfen will.

Simone Thomas räumt ihren Blumenladen in der Bahnhofstraße in Bad Liebenwerda (Elbe-Elster) aus. Nach rund acht Jahren hat sie entschlossen, zu schließen. "Ich habe es immer noch verschoben, auch wegen meiner Stammkunden." Die Arbeit habe ihr auch Spaß gemacht. "Aber es geht einfach nicht mehr", sagt sie nun.

Sie ist nicht die Einzige, die ihren Laden in der Innenstadt räumt - obwohl es wegen des Kurbetriebs in Bad Liebenwerda mehr potenzielle Kunden gibt als in anderen, ähnlich großen Städten. Zwei Blumenläden machen dicht, ein Presse- und Lotto-Geschäft ist bereits geschlossen, genauso ein Sportladen. "Es hat früher viele, viele Geschäfte gegeben", sagt eine Passantin. "Aber jetzt geht eins nach dem anderen kaputt."

Ein Schild an einem Schaufenster macht auf eine Geschäftsschließung in Bad Liebenwerda aufmerksam (Foto: rbb/Pospesch)
| Bild: rbb/Pospesch

"Große Sorgen um den Einzelhandel"

In Simone Thomas' Blumenladen sind zuletzt einfach zu wenig Kunden gekommen, sagt die Inhaberin. Manchmal waren es nur zwei am Tag. Seit Corona sei es deutlich schlimmer geworden. Thomas sieht aber auch noch einen anderen Schuldigen, ein nahes Einkaufszentrum mit großem Supermarkt. "Die haben so ein riesiges Angebot, da kann man nicht mithalten. Zu den Preisen gleich gar nicht." Aus ihrer Sicht sei es ein Fehler für den lokalen Einzelhandel gewesen, diesen Einkaufspark in die Innenstadt zu bauen.

Auch Bad Liebenwerdas Bürgermeister Johannes Berger (Freie Wähler) kennt die Probleme der Läden. "Leider mache ich mir große Sorgen um den Einzelhandel." Er macht für die Probleme aber hauptsächlich etwas anderes verantwortlich. "Gerade in Bezug auf die Pandemie hat der Onlinehandel sehr stark zugenommen, das spüren auch unsere Einzelhändler." Für Berger hat die Stadt nur eingeschränkte Möglichkeiten, Läden wie dem von Simone Thomas zu helfen. "Wir können den Leuten leider nicht die Kunden hintragen."

Neue Perspektiven mit der IHK

In Workshops mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) sollen künftig neue Perspektiven für die Händler erarbeitet werden. Eine Auftaktveranstaltung gab es bereits, die nächsten Treffen sind noch in der Planungsphase.

Wenn sich die Situation nicht verbessert, werden noch weitere Läden schließen, glaubt Susanne Melchior vom Handwerks-, Handels- und Gewerbeverein. Sie betreibt zwei kleine Boutiquen am Markt in Bad Liebenwerda. "Wir haben viele inhabergeführte Geschäfte, die ein gewisses Alter haben, wo auf lange Sicht sicher über eine Schließung nachgedacht werden muss, weil sich kein Nachfolger findet."

Auch Susanne Melchior hofft auf den Austausch mit der IHK. Für Simone Thomas kommt diese Initiative zu spät. "Ich habe meine Entscheidung getroffen. Das andere müssen wir dann sehen."

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.02.2023, 16:10 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.
    Antwort auf [Opa Klaus ] vom 28.02.2023 um 10:03

    Staatliche Anreize zögern das Sterben nur hinaus. Der "alte" Einzelhandel in seiner bisherigen Form hat weitgehend ausgedient. Bis auf Lebensmittel und Kleidung, die man lieber vor Ort betrachtet, gibt es praktisch für Kunden keinen Anreiz mehr, sich eine begrenzte Auswahl im Geschäft anzusehen und davon etwas zum Kauf auszusuchen. Einziger Grund, dies doch zu tun, ist eine persönliche, auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnittene Beratung. Denn dies kann weder der Online-Handel, noch der Discounter leisten. Ja nicht einmal große Ketten wie MediaMarkt oder Saturn; auch diese verzeichnen längst deutliche Rückgänge und kämpfen ums Überleben. Örtlicher Einzelhandel hat nur eine Überlebenschance, wenn er sich von der reinen Verkaufsstelle zum örtlichen Beratungscenter wandelt und sich quasi diese Beratung vergüten lässt, entweder über einen höheren Preis oder vielleicht über Vermittlungsgebühren. Auf alle Fälle wird er sich massiv wandeln müssen.

  2. 8.

    Der Online-Handel ist genau so wenig aufzuhalten, wie seinerzeit die Supermärkte. Seit es die dafür nötigen technischen Möglichkeiten gibt, wird der Online-Handel vom Kunden genutzt und dieser Trend wird sich nicht wieder umkehren. Der lokale Handel kann dem in vielen Bereichen schlicht nichts entgegen setzen, weil er nicht die schier unendlichen Auswahlmöglichkeiten bieten kann. Dafür fehlt es an Lager- und Ausstellungsfläche. Der örtliche Einzelhandel abseits von Lebensmitteln kann daher langfristig nur überleben, wenn er den Trumpf der persönlichen Beratung konsequent ausspielt. Leider sehen sich viele Verkäufer eben immer noch als Verkäufer und nicht als Kundenberater. Verkaufen können die Online-Riesen aber wesentlich besser und professionelle, kundenorientierte Beratung ist vor Ort oft noch Mangelware. Einfach nur Plunder ins Geschäft stellen und hoffen, dass jemand vorbei kommt und genau das haben will, funktioniert nur noch in den seltensten Fällen.

  3. 7.
    Antwort auf [Opa Klaus ] vom 28.02.2023 um 10:03

    >"Mit den Discountern auf der grünen Wiese können die nicht mithalten."
    Doch schon. Es gibt bei Discountern und Supermärkten nicht alle Warengruppen.
    Der Vorteil am Discounter und Supermarkt ist aber: Die haben mind. bis 20 Uhr offen. Die Lebenswelt hat sich geändert. Die Ladenöffnungszeiten der kleinen Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt nicht. Die machen um 18 Uhr zu. Genau dann, wenn die meisten Arbeitnehmer zum Feierabend von der Arbeit in die Heimat zurück kommen.
    Es verlangt auch keiner, dass die Geschäfte von 9 bis 20 Uhr offen haben. Wenn die um 10 oder 11 Uhr aufmachen, reicht das im Alltag völlig.

  4. 6.

    Der online-Handel macht viel kaputt, die Bequemlichkeit der Leute. Ein schneller Klick, anstatt sich aufzuraffen und in mehrere Geschäft zu eilen. Man hat auch keine Zeit für ausgiebige Shoppingtouren, geht mir jedenfalls so (kaufe aber nicht online). Auch sehe ich nicht ein, in Boutiquen z.B. das Doppelte für eine Bluse zu bezahlen, als bei C&A, H&M, Tchibo, Esprit usw.
    Die allgemeine Geldknappheit wird sich erst noch in der Zukunft auswirken. Wer hat Geld für sowas Vergängliches wie Blumen übrig? Eigentlich alles sehr schade!

  5. 5.

    Schade, Bad Liebenwerda ist ein liebenswertes Städtchen.
    Was funktionieren kann, ist die Verknüpfung von Offline- und Online-Handel und eine Spezialisierung und Vorauswahl. Den "Plunder und Schrott" weglassen. Dann spart man viel Zeit, die man sonst in Internet-Shops und mit der Rücksendung verbringt. Stattdessen Qualität zu vernüftigen Preisen.

  6. 3.

    Er hätte besser sagen sollen, "um den lokalen Einzelhandel."

    Analog wie es fachlich korrekt wäre zu sagen, dass es ein Graphit-Ton-Stift und kein Bleistift ist oder dass allmorgendlich sich die Erde der Sonne zudreht, anstatt vom Sonnenaufgang zu reden.

    Sie wissen, worauf ich hinaus will. ;-

  7. 2.

    "Leider mache ich mir große Sorgen um den Einzelhandel."
    Das Einkaufszentrum und der große Supermarkt dort sind ebenso Einzelhandel. Einzelhandel ist nicht Einzelhandel, weil es einzelne Geschäfte sind, sondern weil er an Einzelne verkauft. Das Gegenstück ist der Großhandel.

  8. 1.

    Im Prinzip ist das Ganze weit mehr ein kulturelle Angelegenheit, als dass das als etwas vordergründlich Wirtschaftliches gesehen werden kann: Wem der Plausch mit einem Wesen aus Fleisch & Blut wichtig ist, geht in den Laden, auch wenn er etwas teurer ist. Menschen, für die ausschließlich das Produkt zählt und es darum auch keine Anschauung braucht, die wenden sich von solchen kleinen Läden ab.

    Das Dumme ist nur, dass beim Lebensmittel-Einzelhandel die kleinen Läden am Ende der Kette hängen, will sagen: kürzere Haltbarkeit bei höherem Preis. Da hört dann die Liebe tatsächlich auf.

    Ansonsten aber sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt - ob nun mit, ohne oder ggf. sogar gegen die IHK.

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