EU-Außengrenze Polen zu Belarus - Geflüchtete unternehmen weiteren Versuch, Grenze zu durchbrechen

Do 11.11.21 | 12:48 Uhr
Auf diesem vom Staatlichen Grenzkomitee Belarus veröffentlichten Foto wärmen sich Migranten aus dem Nahen Osten und anderen Ländern an einem Feuer an der belarussisch-polnischen Grenze (Bild: dpa/The State Border Committee of the Republic of Belarus/AP)
Bild: dpa/The State Border Committee of the Republic of Belarus/AP

Die Lage der Geflüchteten zwischen Polen und Belarus bleibt angespannt. Erneut soll es einen Durchbruch-Versuch gegeben haben. Der Brandenburger Innenminster erklärt, eine Schließung der Grenze von Deutschland zu Polen würde nicht helfen.

Eine größere Gruppe von Geflüchteten hat polnischen Behördenangaben zufolge in der Nacht zum Donnerstag versucht, die Grenze von Belarus nach Polen "gewaltsam" zu durchbrechen. Es handelte sich um etwa 150 Menschen, sagte Polens stellvertretender Innenminister Bartosz Grodecki am Morgen dem Sender Polsat News. Grenzschutzbeamte, Soldaten und etwa 20 Polizisten seien bei Bialowieza im Einsatz gewesen, als sich auf der belarussischen Seite der Grenze eine große Menschengruppe ansammelte, zitierte das Portal Onet.pl Polizeisprecher Tomasz Krupa.

Provisorische Camps an der EU-Außengrenze

An der östlichen EU-Außengrenze zu Belarus haben Tausende Geflüchtete eine weitere Nacht zu Donnerstag in provisorischen Camps in der Kälte verbracht. Staatsnahe belarussische Medien veröffentlichten in der Nacht Videos von hustenden und blutenden Menschen und warfen der polnischen Seite Einschüchterungsversuche durch Schüsse vor. Die EU hingegen spricht von einem Angriff durch den autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, der gezielt Geflüchtete aus Krisenregionen einfliegen und dann in Richtung polnischer Grenze drängen lassen soll.

Weitere Sicherheitskräfte an Grenze verlegt

In der Nähe des mittlerweile geschlossenen Grenzübergangs Kuznica blieb es demnach in der Nacht ruhig. Am Montag hatten dort laut polnischen Behörden größere Gruppen von Geflüchteten vergeblich versucht, die Zaunanlage zu durchbrechen.

Insgesamt registrierte der polnische Grenzschutz am Mittwoch 468 Versuche des illegalen Grenzübertrittes, wie die Behörde am Donnerstag twitterte. Das Innenministerium sei auf verstärkte Einsätze an der Grenze vorbereitet, sagte Grodecki. Nach Sicherung eines großen Marsches zum Unabhängigkeitstag in Polen sollten am Abend weitere Sicherheitskräfte aus Warschau an die Grenze verlegt werden.

Lage weiterhin angespannt

Auf der belarussischen Seite der Grenze beobachteten polnische Behörden viel Bewegung, sagte Grodecki weiter. Die Menschen kämen bei Kuznica an und würden dann von belarussischen Kräften an andere Orte gebracht.

Unabhängigen Journalisten Zutritt verwehrt

Viele Angaben aus dem Grenzgebiet lassen sich nicht abschließend überprüfen, weil unabhängigen Journalisten bislang der Zutritt verwehrt wurde. Für Aufsehen sorgte zuletzt eine belarussische Ministeriumsmitteilung, der zufolge die Bereitschaft bestehe, polnische Journalisten auf die belarussische Seite zu lassen. Unter welchen Bedingungen das geschehen könnte und wie es umgesetzt werden würde, war aber zunächst völlig offen.

Dramatische Situation für Geflüchtete

Die Lage für Geflüchtete an der polnisch-belarussischen Grenze hat sich seit Wochenbeginn dramatisch verschlechtert, als Tausende sich von belarussischer Seite aus auf den Weg in Richtung EU machten. Bereits mehrfach versuchten größere Gruppen vergeblich, die Zaunanlage zu durchbrechen, mit der Polen sie von einem Grenzübertritt abhalten will. Die EU hat neue Sanktionen gegen Belarus auf den Weg gebracht, die Anfang nächster Woche formell beschlossen werden könnten.

Die EU wirft Lukaschenko vor, absichtlich Migranten an die Grenzen der EU-Staaten Lettland, Litauen und Polen zu bringen, um Vergeltung für bisherige EU-Sanktionen zu üben.

Stübgen: Grenzschließungen würden uns nicht helfen

Angesichts steigender Zahlen von Grenzübertritten durch Geflüchtete auch nach Deutschland hat der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) eine Schließung der deutsch-polnischen Grenze als "ultima ratio" bezeichnet. "Das würde uns nicht sehr helfen", sagte Stübgen am Mittwochabend im rbb-spezial. Das Problem müsse in Minsk, Moskau und Istanbul gelöst werden.

Momentan könne man den Zugang noch managen und durch die Hilfe von Bundespolizei und Bundesamt für Migration sei die Zentrale Aufnahmestelle noch nicht überlastet, sagte Stübgen. Dennoch müsse jetzt stärker vorgesorgt und härter eingegriffen werden, damit sich die Migrationszahlen von 2015 nicht wiederholten.

Stübgen zeigte sich überzeugt, dass der belarussische Machthaber Lukaschenko ein lukratives Geschäftsmodell auf dem Rücken der Geflüchteten betreibe. Dass die Menschen gerade jetzt, da die deutsche Regierung nur noch geschäftsführend im Amt ist, an der deutsch-polnischen Grenze ankämen, sei eine bewusste Strategie, die in Moskau ausgetüftelt worden sei, so Stübgen.

In diesem Jahr sind an der Brandenburger Ostgrenze bisher rund 9.000 Geflüchtete aus Belarus gelandet.

Sendung: rbb Spezial, 10.11.2021, 20:15 Uhr

Nächster Artikel