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Audio: Antenne Brandenburg | 15. August 2022 | Stefanie Fiedler u. Michel Nowak | Quelle: Patrick Pleul/dpa

Ausmaße der Rhein-Katastrophe von 1986 erreicht

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke "verärgert" über Polens Infopolitik

Die Suche nach der Ursache für das Fischsterben in der Oder geht weiter. Das gefundene Quecksilber allein scheint nicht ursächlich zu sein. Der Vorfall in der Oder sei mittlerweile mit der Sandoz-Katastrophe von 1986 vergleichbar.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich angesichts der Naturkatastrophe an der Oder erschüttert gezeigt. Bei einem Besuch am Montag in Lebus (Märkisch-Oderland) dankte er den vielen freiwilligen Helfern, die in den vergangenen Tagen tausende Fischkadaver eingesammelt haben. Allein am Standort Lebus seien es seinen Angaben zufolge am Wochenende vier Tonnen gewesen, die auch auf dem Gelände der PCK-Raffinierie in Schwedt verbrannt werden.

Umweltkatastrophe in der Oder

Suche nach Ursache für Fischsterben geht weiter - Polen schließt Quecksilber-Theorie aus

Nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder wird weiter nach der Ursache gesucht. Polen glaubt nicht an Quecksilber als Auslöser. In Mecklenburg-Vorpommern wurden laut Umweltministerium bisher noch keine Kadaver gesichtet.

Schwerwiegender sei es aber, dass aus Polen lange keine Informationen gekommen seien. "Ich bin persönlich verärgert über das, was wir in den letzten Wochen erlebt haben über die Informationspolitik, die eben keine war, sondern dass Informationen nur kleckerweise gekommen sind oder aber überhaupt nicht", erklärte Woidke. Das müsse dringend aufgearbeitet werden. Jetzt stehe aber erst einmal die Suche nach den Ursachen für das Fischsterben im Vordergrund. "Es ist existenziell wichtig zu wissen, was genau passiert ist", unterstrich Woidke.

Polen sieht Quecksilber nicht als ursächlich

Giftiges Quecksilber ist nach polnischen Angaben nicht die Todesursache der Fische, die seit Tagen tonnenweise aus dem deutsch-polnischen Grenzfluss geborgen werden. Was hinter dem Desaster steckt, ist immer noch unklar.

Vogel sprich bei Quecksilberfund von "Ausreißer"

Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne), der Woidke bei seiner Oder-Stippvisite am Montag begleitete, sprach von einem möglichen "Ausreißer" bei dem Quecksilberfund im Oderwasser. Es sei die erste Probe gewesen, die das Landeslabor ausgewertet habe. "Es kann sein, dass es sich um eine Anomalie handelt, dass es ein lokales Ereignis ist", so Vogel. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand sei das Schwermetall somit als Grund für das Geschehen auszuschließen, sagte Vogel. Es sei nicht in solchen Mengen in die Oder gelangt, um "schockartig" das Fischsterben auszulösen.

Polen fahndet nach 300 Stoffen - auch nach Insektiziden

In Brandenburg werde derzeit eine "Breitbanduntersuchung" des Wassers durchgeführt, um herauszufinden, welcher Stoff für die Vergiftung gesorgt hat, sagte Vogel. In Polen werde derzeit nach 300 Stoffen im Wasser und in den toten Fischen gefahndet. Am Dienstag soll es ein Expertentreffen von Deutschen und Polen geben und in zehn Tagen werde sich der deutsch-polnische Umweltrat treffen.

Seit rund einer Woche gebe es in der Oder eine hohe Salzfracht und einen hohen PH-Wert, sagte Vogel weiter. Das sei beides toxisch für Fische und könne die unmittelbare Todesursache sein. Man wisse aber nicht, wie die hohen Salzfrachten ins Wasser gelangt seien und welche Stoffe sonst noch im Fluss sind. Dazu sei der Sauerstoffgehalt im Wasser hoch trotz einer hohen Wassertemperatur und niedrigem Wasserstand. Das ist ungewöhnlich und hebt sich von anderen Flüssen in Deutschland ab.

Bundesumweltministerin traf sich mit polnischer Seite

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte am Montagmorgen im ARD-Morgenmagazin, sie hoffe auf belastbarere Laborergebnisse noch am Montag oder am Dienstag. Dies sei auf einem Krisentreffen von deutschen und polnischen Politikerinnen und Politikern am Wochenende in Stettin besprochen worden.

BUND zieht Vergleich zur Sandoz-Katastrophe

Der BUND-Gewässerexperte Sascha Maier schätzt die Menge der in den vergangenen Tagen verendeten Fische in der Oder auf bis zu 100 Tonnen. Das sei eine Hochrechnung auf Grundlage der Meldungen über einzelne Sammelaktionen, sagte der Experte der Umweltorganisation am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die Umweltkatastrophe betreffe die Oder auf etwa 500 Kilometer Länge. Zuvor hatte die Publikation "Riffreporter" darüber berichtet. Seit Freitag hätten Feuerwehrleute aus dem Fluss rund 80 Tonnen tote Fische geborgen, sagte der Pressesprecher des Leiters von Polens Berufsfeuerwehr am Montag.

Die Dimension sei vergleichbar mit der Sandoz-Katastrophe von 1986, sagte Maier. Damals war beim Chemiekonzern Sandoz (heute Novartis) ein Brand in einem Schweizer Lager ausgebrochen. Große Mengen verunreinigten Löschwassers gelangten in den Rhein und verursachten ein großes Fischsterben. Das Unglück damals sei Anlass für internationale Alarm- und Meldepläne von Flussanrainern gewesen - und genau diese seien jetzt an der Oder nicht eingehalten worden, sagte Maier.

Er geht davon aus, dass es auf polnischer Seite "eine illegale Einleitung von Chemikalien" in die Oder gegeben habe. "Wir können davon ausgehen, dass es eine Verunreinigungswelle gab, die durch die Oder geflossen ist."

Umweltkatastrophe in der Oder

Suche nach Ursache für Fischsterben geht weiter - Polen schließt Quecksilber-Theorie aus

Nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder wird weiter nach der Ursache gesucht. Polen glaubt nicht an Quecksilber als Auslöser. In Mecklenburg-Vorpommern wurden laut Umweltministerium bisher noch keine Kadaver gesichtet.

Polnischer Regierungschef geht von ähnlichem Szenario wie BUND aus

"Es ist wahrscheinlich, dass eine riesige Menge an chemischen Abfällen in den Fluss gekippt wurde, und das in voller Kenntnis der Risiken und Folgen", sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki am Freitag. Die polnische Polizei hat eine Belohnung von umgerechnet 210 000 Euro für die Aufklärung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Auch andere Tierarten in der Oder betroffen

Während die Ursachenforschung noch Zeit braucht, wird klar, dass neben den Fischen, die seit Tagen in riesigen Mengen tot auf der Oder treiben, auch andere Tiere von der Naturkatastrophe betroffen sind. "Tatsächlich ist das gesamte Ökosystem der Oder beschädigt worden", sagt Axel Vogel und gibt eine düstere Prognose ab: "Wir haben hier eine Katastrophe, die nicht durch eine Wiederbesiedlung mit Fischen in einem halben Jahr gelöst werden kann. Das braucht lange Zeiträume."

Schifffahrt auf der Oder eingestellt

Mit Ölsperren werde laut Lemke jetzt versucht, dass sich Fischkadaver im Stettiner Haff nicht ausbreiten. Deshalb ist die Schifffahrt auf der Oder am Sonntag eingestellt worden.

Allerdings sollen laut Vogel in der Oder bereits wieder kleinere Fische entdeckt worden sein, die vermutlich aus der Warthe oder der Neiße eingeschwommen seien. Daher könne man davon ausgehen, dass die Giftwelle nun vorbei sei.

Sendung: Antenne Brandenburg, 15.08.2022, 14:10 Uhr

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