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Quelle: JR Berliner Ensemble

Liederabend am Berliner Ensemble

Brecht light

Bertolt Brechts berühmte Lieder beruhen allesamt auf seinen Gedichten, er schrieb sie wie verrückt. Als autobiografisch angelehnten musikalischen Abend bringt das Berliner Ensemble sie nun in "Fremder als der Mond" auf die Bühne – mit der Starsängerin Katharine Mehrling. Von Barbara Behrendt  

Den melancholischen Ton des Abends setzen schon die ersten Verse:

"Und ich war alt, und ich war jung zu Zeiten
War alt am Morgen und am Abend jung
Und war ein Kind, erinnernd Traurigkeiten
Und war ein Greis ohne Erinnerung.
War traurig, wann ich jung war
Bin traurig, nun ich alt
So, wann kann ich mal lustig sein?
Es wäre besser bald"

Dieses Gedicht "Wechsel der Dinge" hat Brecht mit etwa 50 Jahren geschrieben und es klingt, als erahne er darin schon seinen Tod wenige Jahre später. Der alternde Brecht schaut in der Inszenierung "Fremder als der Mond", der Titel ist ebenfalls eine Gedichtzeile, am Berliner Ensemble also auf sein Leben zurück. Beziehungsweise zwei Brechts tun das, denn der Schauspieler Paul Herwig wird gespiegelt von der Sängerin Katharine Mehrling, eine Art Alter Ego.

Quelle: JR Berliner Ensemble

Zwei Brecht-Figuren stehen im Guckkasten herum

Gemeinsam stehen sie in grünen Brecht-Overalls im grauen Guckkasten-Bühnenbild und scheinen nicht recht zu wissen, wohin mit sich. Szenisch ist dem Regisseur Oliver Reese wahrlich wenig eingefallen, um das vielversprechende Skript aus Brechts Gedichten und autobiografischen Schriften auf die Bühne zu bringen.

In drei Akte ist das Stück gegliedert: Da sind die frühen Jahre Brechts, die Zeiten des Expressionismus und Nihilismus. Gefolgt von den langen Jahren im Exil in Skandinavien und Amerika, das er verachtete für seine Waren-Mentalität. Und zuletzt die Rückkehr Brechts nach Berlin, wo er endlich glücklich war – aber nur noch kurze Zeit zu leben hatte: "Im Übrigen plane ich für nächste Saison in Berlin ein Theater aufzumachen. Ich bin also sehr zufrieden", schreibt er 1953, drei Jahre vor seinem Tod.

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Ein zarter, nachdenklicher Brecht soll gezeigt werden

Entstanden ist eine Collage, in der jedes Wort von Brecht stammt und die die unbekannteren, zarteren Seiten des Schriftstellers zeigen möchte. Paul Herwig spielt ihn nachdenklich, voller Selbstzweifel, mitunter etwas selbstmitleidig – und leider auch arg affektiert. Wenn Katharine Mehrling das Einheitsfrontlied singt, steht Herwig staunend daneben, als sei der Klassenkampf unabsichtlich über ihn hereingebrochen. Oft ist kaum zu unterscheiden, was Brecht sagt und was seine Figuren – das verkompliziert die autobiografische Erzählung.

Im Zentrum des Abends steht jedoch ohnehin die Musik. Unbekanntere Lieder sind dabei, doch auch die großen politischen Hymnen, vor allem die Vertonungen von Hanns Eisler, hier und da ist auch Paul Dessau und Kurt Weill zu hören. Ein Höhepunkt ist das Lied von der Moldau – ein Lied über die die Hoffnung auf politischen Umbruch, das Katherine Mehrling wunderbar kraftvoll und glockenklar singt.

Katharine Mehrling klingt stets perfekt, glockenklar, hell und rein

Adam Benzwi hat alle 24 Lieder neu arrangiert und für vier Musiker dezent und doch wirkungsvoll angelegt. Mit weiteren drei Musiker:innen sitzt er im Orchestergraben, hier und da jauchzt die Klarinette, ab und an schlägt die Posaune auch Jazzklänge an. Sogar die Mutter Courage gibt Katharine Mehling in diesem Arrangement, in der historischen Kostüm-Nachbildung von Helene Weigel, die ihren berühmten Planwagen zuerst über dieselbe Bühne gezogen hat.

Das schwere Erbe der großen Brecht-Sängerinnen wie Gisela May und Lotte Lenya zu tragen, kann man Mehrling durchaus zutrauen. Ihre interpretatorische Vielfalt von rau und lasziv zu puristisch und hell hat sie schon in Kurt-Weill-Abenden an der Komischen Oper unter Beweis gestellt und es ist eigentlich ein Coup, sie nun endlich auch ans Berliner Ensemble zu holen. Und natürlich brilliert sie in allen Rollen: als verwöhntes Soldatenweib mit Champagnerglas, als abgerissene Mutter Beimlein im Clownskostüm, als Geliebte im Blumenkleid. Ihr grandios wandelbares Stimmrepertoire bekommt man an diesem Abend allerdings selten zu hören. Immer klingt sie perfekt, hell, rein, wie aus dem Ei gepellt. Handwerklich großartig, aber oft dann doch erwartbar intoniert.

Quelle: JR Berliner Ensemble

Einfallslose Regie

Geradezu einfallslos nimmt sich dazu die Regie von Oliver Reese aus. Alles wird doppelt illustriert: Ist von einem Baum die Rede, wird die Projektion eines Baums eingeblendet, in den USA-Texten blicken wir auf Wolkenkratzer, wenn von Appetit gesprochen wird, muss auf der Bühne leibhaftig gegessen werden, beim Lied vom achten Elefanten trampeln Herwig und Mehrling tatsächlich wie die Dickhäuter über die Bühne. Und wenn Brecht stirbt, zieht Herwig ein Krankenhaushemdchen an – als wäre sein Tod sonst völlig an uns vorbei gegangen…

Es ein guter Move des Intendanten Reese, einen Brecht-Liederabend mit einer Star-Sängerin wie Katharine Mehrling auf den Spielplan des Brecht-Theaters zu setzen, der garantiert sein Publikum finden wird. Der Regisseur Reese aber lässt es bei einer Nummern-Revue bewenden, die Brecht als Charakter eher schwächlich zeichnet.

Beitrag von Barbara Behrendt

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