Konzertkritik | Sarah Connor in der Waldbühne - Mädelsabend mit Sarah

Sa 26.08.23 | 10:43 Uhr | Von Hendrik Schröder
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Sarah Connor live auf "Sommer Open Air 2023" Tour in der Waldbühne, Berlin (Quelle: dpa/Ben Kriemann)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.08.2023 | Hendrik Schröder | Bild: dpa/Ben Kriemann

Sarah Connor singt in der Waldbühne einige belanglose Songs – doch die Künstlerin ist absolut nicht zu unterschätzen, meint Hendrik Schröder. In einem bewegenden Moment reißt sie ihn vom Hocker, und die Fans drehen sowieso vor Freude durch.

So ein Sarah Connor-Konzert fühlt sich zunächst mal an, wie eine Daueranimation in einem sehr freundlichen Urlaubsresort. Oder mit anderen Worten: Das Publikum möchte offenbar sehr gerne ein bisschen geführt werden.

Und so gibt Sarah Connor in Hotpants und Oversize Hemd den geschätzten 20.000 Fans in der nahezu ausverkauften Waldbühne ordentlich Verhaltenshinweise mit. In jedem Song mehrfach. Hier mitklatschen, da winken, jetzt singen, jetzt alle aufstehen. Jetzt mal nur die Kinder. Und überhaupt: "Wer ist denn heute Abend mit der Mädelsclique da?" "Yeahhhhhh", schallt es aus zahllosen Kehlen. Mädels-Abend beim Sarah Connor Konzert. Das scheint das Ding zu sein.

Mädelsabend-Mädels on fire

Dann covert sie Paradise City von Guns n' Roses und man fragt sich: Warum? Die Frau hat neun Studioalben gemacht und ein Dutzend Hits rausgebracht. Aber nun gut, den Leuten gefällt es. Und Connors Gitarrist darf so auch mal zeigen, was er eigentlich alles kann.

Und während im Folgenden ein belangloser Connor-Song nach dem anderen so von der Bühne schallt und man sich umschaut und die Leute, die Mädelsabend-Mädels, tanzen und lachen und singen sieht und hört, da denkt man: Mensch, wie sehr müssen die Musik eigentlich verachten, um sowas gut zu finden? Aber das ist ein fürchterlich arroganter und böser Gedanke, besser gleich wieder verwerfen. Die Leute haben Freude, sie lieben ihre Sarah da vorne, sie kennen jede Zeile und sie haben die beste Laune der Welt an diesem Abend. Was kann daran falsch sein?

Kraftausdrücke und Selbstironie

Und Sarah Connor hat ja auch eine Stimme! Ganz früh schon nahm sie Gesangsunterricht, dann Klavierunterricht, sang im Chor, wollte nie etwas anderes sein, als Sängerin. Allerdings passen Stimmlage und Tonalität nicht zu jedem Song an diesem Abend. Manche versanden ohne große Wirkung, andere knallen tierisch. Bei all dem ist Sarah Connor in ihrer natürlich authentischen, hemdärmeligen Prolligkeit ja aber ganz schön sympathisch.

Wer singt schon in Radiopopsongs Sachen wie "Titten", "Scheiße" und "kriegt keinen hoch"? Und selbstironisch ist sie auch. Als völlig durchdrehende Fans in den ersten Reihen anfangen, Liebesbekundungen und offenbar diverse Unzüchtigkeiten auf Transparenten hochzuhalten, da kichert sie und sagt: "hört auf damit, sonst macht ihr mich nervös und dann verbasel ich den Text und ihr wisst ja, was dann passiert". Eine Anspielung auf ihr legendäres "Brüh im Lichte dieses Glückes" beim öffentlichen Vortragen der Nationalhymne 2005 in der Münchner Allianz-Arena.

Feuchte Augen

Und dann kommt nach der ganzen Dampfplauderei in den endlosen Ansagen und den vielen irgendwie egalen Liedern mit dem Song "Stark" der bewegendste Moment des Abends. Ein Lied über Depressionen und Panikattacken. Unter denen auch Connor immer wieder leidet, wie sie in der Ansage zu dem Song erzählt.

Es wird ganz still in der Waldbühne und Sarah Connor legt alles was sie hat in dieses Lied: Schmerz, Leid, Hoffnung, Liebe, Mitgefühl. Augen werden feucht, hunderte, tausende Augen. Inklusive die der Sängerin. Was für ein Moment. Was für eine Kraft. Was für eine Stimme. "Ihr seid nicht allein", meint die Stimme, "hier ist Wärme, hier ist Gemeinschaft, hier wird keiner liegen gelassen". Wie fragil und ehrlich und doch stark. Ganz stark. Man sollte Sarah Connor nicht unterschätzen. Sie hat die Fähigkeit, Menschen mitzureißen und tief zu berühren. Sich zu zeigen. Trost zu spenden. Das ist viel.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.08.2023, 06:39 Uhr

Beitrag von Hendrik Schröder

13 Kommentare

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  1. 13.

    Vielleicht sollte Helene mal schauen wie ein Konzert auf "Augenhöhe" mit den Fans geht.....
    Sarah ist zwar auch nicht unbedingt mein Ding, aber ich war gestern doch begeistert. War cool.

  2. 12.

    Herr Schröder schreibt negativ und aber sehr viel positives . Denn Sarah Connor ist einfach super. Immer alles zu Ende lesen.

  3. 11.

    Es hat nichts mit dem verachten anderer Musik zu tun, da ich viele andere Musik höre, aber sie hat nun mal Power die Frau.

  4. 10.

    Was wichtig ist, ist doch die Stimme. Und die ist bei Sarah Connor gut!
    Nicht jeder Titel ist jedermanns Geschmack. Das ist bei anderen Künstlerinnen auch der Fall.
    Wer zum Konzert geht, weiß was man bekommt.
    Schlecht kann es nicht gewesen sein.

  5. 9.

    Der Herr Schröder ist wohl nicht bis zum Ende geblieben. Er hat den bewegendsten Moment offenbar verpasst, nämlich den Song „Augen auf“. Was bewegt die Menschen mehr, als der Krieg in der Ukraine? Und wie kann man solche Texte als belanglos abwerten? Sie singt über Themen, die bewegen und nebenbei hat sie zwei ukrainische Familien bei sich aufgenommen. Große Stimme, großes Herz. Was will Frau mehr?

  6. 8.

    Genauso ist es wohl, wenn man solch Groß-Konzerte besucht…

  7. 7.

    Schade das es so negativ geschrieben ist. Es war ein wunderschönes Konzert!!!!! Lasst den Artikel von einer Frau noch einmal schreiben!!!!!!

  8. 6.

    Ich war gestern live dabei und es war atemberaubend,auch Zoe Wees die als voract auftrat hat es toll gemacht.
    22.000 Menschen haben eine gigantische Sarah Connor erlebt .

  9. 5.

    Ich begleite Sarah Connor seit dem sie angefangen hat zu singen. Eine fantastische Stimme tolle Frau. Konzert gestern war wieder spitze,aber der letzte Song mit dem Krieg der hatte nicht sein müssen,damit werden wir schon jeden Abend mit konfrontiert. Man soll ja mit einer guten Stimmung nach Hause gehen.Mir ist aufgefallen viele ältere Leute sind dann gegangen. Ich denke viele müssen sich die Karte vom Munde ansparen um auf dieses Konzert gehen zu können.Man weiß das das alles jetzt schwer ist,aber für viele Menschen in Deutschland auch.

  10. 4.

    jaja ne Dama auf Linie die wird hoch gelobt!

  11. 3.

    ich fahr ein 30 Tonner Diesel u.so, worauf evtl. der halbwegs leidende Rez. wohl abfährt oder 'Null Rhesus Negativ' sind natürlich Songs wie 'Du bist schön' oder 'Vincent' weit überlegen - aber da war er gerade Bier holen - denn 'Richtige Kerle wie wir ...' ;-)

  12. 2.

    Ganz hübscher Artikel mit einem doch recht versöhnlichen Fazit, Hr. Schröder. Sarah Connors Musik ist nun auch nicht mein Fall, aber sie ist einfach 'ne gute, sehr nahbare Type.

  13. 1.

    Sarah ist eine einzigartige Sängerin und hat tiefgründige Texte, die jeden bewegen.

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