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Voxhaus in Berlin: Geburtsort des Deutschen Radios | Quelle: RRG/DRA

100 Jahre Radio

Wie der Hörfunk Deutschland eroberte

Das Radio ist immer dabei – ob in der Küche, unter der Dusche oder im Auto. Vor 100 Jahren, genauer am 29. Oktober 1923, wurde die erste Radiosendung in Deutschland ausgestrahlt. Ein Rückblick auf die Meilensteine des Hörfunks. Von Sebastian Hampf

Radio hören, wo und wann man will - heutzutage ist das völlig normal. Radio einschalten oder App starten, schon beginnt die Unterhaltung. Zugegeben, man hat die Qual der Wahl, welches Programm es sein soll – Pop, Kultur oder Information – aber das lässt sich mit ein paar Handgriffen regeln. Vor 100 Jahren war das in Deutschland undenkbar.

Die Radiotechnik, also das Übertragen von Funkwellen, gab es zwar bereits schon einige Jahre und erste Radiosendungen liefen unter anderem in England oder den USA. Dennoch war Radio in der Frühphase ein großes Experimentierfeld. Viele Zuhörer:innen hatten die Programme in den ersten Jahren auch nicht – die Reichweite der Sendemasten war nicht sehr hoch, dazu kam, dass kaum jemand ein Empfangsgerät besaß.

Die erste Radioansage

Dennoch begann am 29. Oktober 1923 die Erfolgsgeschichte des Hörfunks in Deutschland. Die "Funk-Stunde Berlin" sendete aus den Räumlichkeiten einer Plattenfirma: "Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin im Voxhaus. Auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführung auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt."

Die erste offizielle Radioansage Deutschlands ging in die Geschichte ein, wenngleich die Ansprechhaltung aus heutiger Sicht eher steif war. Vorbilder, an denen man sich hätte orientieren können, gab es aber kaum.

Schon vor dieser ersten Hörfunksendung hatten Versuchsanlagen auf dem Gebiet der Radioübertragung experimentiert. 1919 sendete die Versuchsfunkstelle Eberswalde erste Konzerte "An alle". Ein Jahr später, im Jahr 1920, wurde vom Funkerberg in Königs Wusterhausen ein Weihnachtskonzert übertragen. Immerhin 120 Menschen sollen damals zugehört haben.

Rundfunk in Ost und West

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Hören nur gegen Gebühr

Deutschlandweit gründeten sich in den 1920er Jahren Rundfunkstationen. Wollte man zuhören, musste auch damals schon eine Gebühr entrichtet werden. Schnell entdeckten die Programmmacher unterschiedliche Interessen und Zielgruppen: So wurden neben Musik bald auch Sportübertragungen, Nachrichten und Unterhaltungsprogramme übertragen.

Technisch wurde auf Hörerseite zügig aufgerüstet: Gab es 1923 nur wenige hundert Empfangsgeräte, wurden zwei Jahre später bereits gut eine halbe Million Radioempfänger in Deutschland registriert. 1924 fand in Berlin die erste Funkausstellung statt. Rund 270 Aussteller präsentierten ihre Produkte, in erster Linie Röhrenempfänger und Detektorempfänger. Zwei Jahre später wurde der Funkturm eingeweiht. Die Zahl der Radiohörer stieg kontinuierlich: 1932, zum Ende der Weimarer Republik, hörten etwa vier Millionen Haushalte dem täglichen Radioprogramm in den Wohnzimmern zu.

Der Radio-Pionier Hans Bredow sagte dem Radio damals eine große Zukunft voraus: "Weit über die Grenzen der Länder hinaus wird Radio einst Bedeutung haben. Es wird die Völker zu einer großen Gemeinde zusammenschließen, und ihnen durch tägliches gemeinsames Erleben die Erkenntnis vermitteln, dass sie alle Glieder einer einzigen großen geistigen Gemeinschaft sind."

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Haus des Rundfunks

Das Voxhaus in der Potsdamer Straße unweit des Potsdamer Platzes reichte schnell nicht mehr aus, um die Radioprogramme zu produzieren. Also wurde eigens für den Rundfunk ein neuer Gebäudekomplex durch die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft beauftragt. Acht Jahre nach der ersten deutschen Radiosendung wurde das Haus des Rundfunks am 22. Januar 1931 in Berlin-Charlottenburg eröffnet. Das Gebäude an der Masurenallee wurde in nur 19 Monaten erbaut und ist eines der ältesten Funkhäuser Europas. Lediglich das Funkhaus in München ist älter.

Obwohl es kaum Vorbilder für ein Rundfunkgebäude dieser Art gab, waren die baulichen Planungen sehr klug. Der große Gebäudekomplex mit der fast 200 Meter langen Front beherbergte an den Außenseiten und zur Straße Büro- und Redaktionsräume, innenliegend befanden sich Aufnahmestudios und das Herzstück - der große Sendesaal für Konzerte, Veranstaltungen und Aufnahmen großer Orchester.

Propaganda und Nachkriegszeit

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten erlebte auch der Rundfunk eine der dunkelsten Phasen. Die Nationalsozialisten erkannten das Potential des Radios und missbrauchten den Rundfunk zu ihren Propagandazwecken. Der Volksempfänger, auch Goebbels Schnauze genannt, brachte die Nazi-Propaganda in die Wohnzimmer Deutschlands.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs besetzte die russische Armee das Haus des Rundfunks, ehe es 1957 an die West-Alliierten überging. Vor der Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1949 wurden durch die Alliierten die Grundlagen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geschaffen.

1950 gründeten die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Westdeutschland die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD). Im November 1953 wurde der Sender Freies Berlin (SFB) gegründet und sendete seit 1954 in der geteilten Stadt aus dem geschichtsträchtigen Haus des Rundfunks für das damalige West-Berlin, aber immer auch für die Menschen auf der anderen Seite der Mauer.

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Hörfunk in der DDR

Der Rundfunk in der sowjetischen Besatzungszone brauchte ein neues, eigenes Funkhaus. Der Berliner Rundfunk und der Deutschlandsender wurden nicht mehr im Haus der Rundfunks geduldet, welches die Sowjets besetzt hatten. So wurde Anfang der 1950er Jahre ein neues Funkhaus in Berlin-Oberschöneweide am Spreeufer errichtet. Bereits 1956 konnte das neue Funkhaus Nalepastraße eingeweiht werden. Von dort wurden neben dem Berliner Rundfunk auch alle überregionalen DDR-Sender produziert und gesendet, ab 1964 auch der Jugendsender DT64.

Nach der Wende stellten die staatlich kontrollierten Programme nach und nach den Sendebetrieb ein, Sender wurden abgewickelt oder mit West-Berliner Sendern vereint und an neue Standorte umgezogen. Mit dem Jahresbeginn 1992 begannen die neugegründeten Sender ORB für Brandenburg und MDR für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Programme. Die verbliebenen DDR-Sender wurden zum Deutschlandsender Kultur zusammengeschrumpft, ehe dieser letzte Sender der DDR und RIAS Berlin 1994 zu einem neuen Sender verschmolzen: Deutschlandradio Berlin. Erst im Jahr 2003 wurden Berlin und Brandenburg - zumindest im Rundfunk - vereint: ORB und SFB verschmolzen zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), der seit nunmehr 20 Jahren Programm aus den Funkhäusern in Berlin und Potsdam-Babelsberg für die Region macht.

Der erste private Radiosender startete 1984 in Ludwigshafen. Drei Jahre zuvor urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass der Gesetzgeber den Zugang zum Anbieten privater Rundfunkprogramme regeln muss.

Klingende Geräte

Über die Jahrzehnte veränderten sich nicht nur die Radioprogramme, auch die Empfangstechnik ermöglichte neue Hörgewohnheiten. Saßen die Hörenden zu Beginn vor einer klobigen Kiste im Wohnzimmer, kamen mit der Zeit tragbare Kofferradios, Weltempfänger, Ghettoblaster oder Autoradios in allerlei Formen, Farben und Größen auf den Markt.

Mit dem Siegeszug der Smartphones brauchte man kein separates Empfangsgerät mehr, um Radio zu hören. Dazu reichte nun ein Klick auf die entsprechende App. Immerhin: Der Datenaustausch der Smartphones basiert auf demselben Prinzip, wie zu Zeiten der ersten Radioübertragung vor 100 Jahren: Übertragung von Funkwellen.

Das 100-jährige Jubiläum des Radios wird am Freitag, den 13. Oktober, im rbb mit einer Veranstaltung gefeiert. Im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks findet die "100 Jahre Radio Show" statt. Alle rbb-Radiowellen sind dabei und präsentieren live vor Publikum Nachrichten, Wetter, Verkehr, Jingles und Musik. Beginn ist 19 Uhr.

Beitrag von Sebastian Hampf

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