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Video: rbb24 Abendschau | 06.11.2023 | Ulli Zelle | Quelle: rbb

100 Jahre Loriot | Interview Stefan Lukschy

"Beim Film duzen sich eigentlich alle. Er war der große Siezer"

Stefan Lukschy war über viele Jahre Co-Regisseur von Vicco von Bülow alias Loriot. Beide waren aber auch Freunde. Zum 100. Geburtstag Loriots spricht Lukschy darüber, was die Komik von Bülows ausgemacht hat und wie es war, mit ihm zu arbeiten.

rbb|24: Herr Lukschy, wann war Ihre erste persönliche Begegnung mit Loriot?

Stefan Lukschy: Ich glaube, 1975, als ich anfing, mit ihm zu arbeiten. Da war ich aber schon Jahre ein riesiger Fan von ihm.

Zur Person

Wie war Ihre erste Zusammenarbeit mit Loriot?

Das war in Bremen, als wir sechs legendäre Fernsehsendungen gemacht haben mit den ganzen großen klassischen Sketchen, mit der Nudel, mit dem Lottogewinner, mit den Kosakenzipfeln – you name it. Das haben wir alles zusammen gemacht. Ich war sein Extra-Mitarbeiter, sein Regieassistent, sein Cutter, sein Dramaturg und dann relativ bald auch ein guter Freund.

Durften Sie ihn denn duzen?

Selbst, nachdem wir festgestellt haben, dass wir entfernt verwandt sind – sein einer Großvater war verwandt mit meinem Großvater – haben wir uns erst einmal weiter gesiezt. Dann haben meine Freundin und seine Frau bei einem gemeinsamen Essen gesagt, ihr müsst euch jetzt mal duzen, das geht ja nicht so weiter.

Dann wurde angestoßen: Ich heiße Vicco, ich heiße Stefan, Wohlsein – alles schön ironisch. Die beiden Damen verschwanden dann mal kurz. Und dann haben wir uns heimlich wieder gesiezt, weil es so ungewohnt war und er siezte halt alle im Team. Beim Film duzen sich eigentlich alle. Er war der große Siezer. Und zwar sagte er, wenn man sich siezt, sei es komischer. Es gibt einfach mehr komische Situationen.

Was hat seine Komik ausgemacht?

Seine Komik hat ausgemacht, dass er im Grunde genommen kleine, tragische Geschichten erzählt hat, die nur um ein Stück aus der Achse gerückt waren und dadurch wahnsinnig komisch wurden. Es war nie die Komik eines gespielten Witzes, wie es in vielen Sketchen so ist. Es war immer eine Situation. Es war ein kommunikatives Missverständnis, die Gesprächsverknotungen in Beziehungen war natürlich eines seiner Lieblingsthemen. Und dann hat er der deutschen Sprache so wunderbare Sätze oder Worte abgeluchst wie Auslegeware und Sitzgruppe. Plötzlich waren es komische Worte, Worte, die aus der Katalogsprache oder aus der Verkäufersprache kommen.

Der langjährige Unterhaltungschef von Radio Bremen, Jürgen Breest, sagte mal, dass Loriot andere seine adelige Herkunft spüren ließ. Empfanden Sie das auch so?

Loriot hat den Adeligen nicht wirklich raushängen lassen. Er war auch nicht arrogant, sondern er war voller Empathie für Menschen. Aber er hatte natürlich einen sehr exquisiten Geschmack und kannte sich sehr genau in der ganzen Etikette aus. Er war wirklich old-school im besten Sinne.

Er hat es nie benutzt, um plötzlich besser als seine Umwelt dazustehen. Er war eigentlich auch im Privaten relativ bescheiden. Natürlich wohnte er in einem schönen Haus. Aber es war nicht so, dass er protzend rumging und sagte, guck mal hier, ich habe einen tollen Jaguar vor der Tür stehen oder so. Er fand, dass der Jaguar ein schönes Auto war. Also kaufte er sich einen Jaguar, weil er erfolgreich war und das Geld hatte. Aber er hat diese Sachen nie als Statussymbol genutzt.

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Loriot war sehr penibel und akribisch, ließ er dem Regieassistenten oder Cutter freie Hand? Hat er Ihnen nicht immer auf die Finger geguckt?

Loriot brauchte einen Sparringspartner. Ich war eigentlich im technischen Sinne kein guter Regieassistent. Aber ich war ein künstlerisches Gegenüber für ihn, mit dem er seine Zweifel teilen konnte. Und das war eigentlich das Wichtige. Ich habe ihn manchmal dazu gebracht, dass er mich nach meiner Meinung fragte. Er las mir dann Texte vor und ich sagte, das ist schön, das kannst du aber noch besser. Und dann hat er sich Mühe gegeben. Er wollte dann auch, dass es besser wird.

Beim Schneiden war er sehr genau. Das war nicht so, dass man wirklich frei arbeiten konnte. Er hat immer sehr genau draufgeguckt. Wir haben früher ja noch mit Film und Klebepresse geschnitten. Da habe ich einen Schnitt gemacht. Und dann sagte er, also so richtig glücklich bin ich nicht. Und dann haben wir bildweise den Schnitt nach rechts und nach links verschoben. Zum Schluss war der Film wirklich völlig verkrumpelt, aber wir kamen dann zu einer Lösung, und Loriot sagte, so jetzt ist es gut. Am Ende war es genau die Stelle, wo meine erste Schnittmarke war. Darauf war ich schon sehr stolz.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Ulli Zelle für die rbb24 Abendschau. Es handelt sich um eine redigierte Fassung.

Sendung: rbb24 Abendschau, 06.11.2023, 19:30 Uhr

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