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Audio: rbb 88.8 | 17.02.2023 | Interview mit Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner | Quelle: dpa/C.Soeder

Seit vier Jahren in Berlin vermisst

Was über das Verschwinden der Schülerin Rebecca bekannt ist - und was nicht

Dass Teenager vermisst werden, kommt vor - die meisten tauchen nach wenigen Tagen wieder auf. Nicht so die 15-jährige Rebecca aus Berlin-Neukölln. Die Schülerin verschwand 2019 spurlos aus dem Haus von Familienangehörigen. Was über den Fall bekannt ist.

Der Vermisstenfall Rebecca hielt die Hauptstadtregion 2019 in Atem. Vier Jahre nach dem Verschwinden der damals 15-jährigen Schülerin sucht eine Mordkommission des Landeskriminalamtes Berlin weiter nach einer aussagekräftigen Spur. Rebecca war damals aus dem Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers verschwunden. Die Polizei hat an diesem Freitag mitgeteilt, dass es bis heute kein Lebenszeichen von ihr gibt.

Mehr als 3.000 Hinweise haben die Ermittler seitdem bearbeitet. Nun haben sie verschiedene mit dem Mädchen vermisste Gegenstände auf ihrer Internetseite veröffentlicht und erhofften sich mit einem neuen Aufruf [berlin.de/polizei] weitere Hinweise. Denn die Ermittlungen seien ins Stocken geraten, sagte Sebastian Büchner von der Staatsanwaltschaft.

Interview | Ungeklärte Vermisstenfälle

"Manche hören auch nach Jahrzehnten nicht auf zu suchen"

Seit drei Jahren muss die Familie von Rebecca Reusch damit leben, dass die Berliner Schülerin verschwunden ist. Traumapädagogin Doreen Wilke erklärt im Interview, welche Folgen so eine Erfahrung für Betroffene mit sich bringt und was helfen kann.

Was man über die Umstände des Verschwindens weiß

Der 18. Februar 2019 ist der Tag, an dem Rebecca verschwindet. Die 15-Jährige muss erst um 9.50 Uhr zur Schule und hat nach Darstellung der Familie bei ihrer Schwester Jessica, ihrer Nichte und ihrem Schwager im Neuköllner Ortsteil Britz auf dem Sofa übernachtet.

Die Schwester geht an diesem Tag mit ihrer Tochter schon früh aus dem Haus. Rebeccas Schwager kommt in der Nacht von einer Firmenfeier nach Hause. Er schläft, als seine Frau das Haus verlässt - und zwar nach Angaben von Rebeccas Familie so lange, bis Rebeccas Mutter ihn anruft, weil sie sich Sorgen um ihre Tochter macht. Der Schwager schaut nach und beruhigt seine Schwiegermutter: Rebecca sei nicht mehr da. In der Schule kommt sie jedoch nie an. Ihre Kleider und ihr Rucksack sind weg. Als die Schülerin abends immer noch nicht zu Hause und erreichbar ist, melden Rebeccas Eltern sie bei der Polizei als vermisst. Auch Rebecas Smartphone ist und bleibt aus. Die Polizei kann später feststellen, dass sich das Handy des Mädchens zwischen sechs und acht Uhr morgens am Tag ihres Verschwindens ein letztes Mal in das Wlan des Hauses eingeloggt hatte.

Einige Gegenstände fehlten seit dem Verschwinden Rebeccas: Ein weißer Kapuzenpullover mit der Aufschrift "Rap Monster", ein schwarz-weißer Sportschuh, eine beige-rosafarbene Handtasche, ein Rucksack und eine Fleecedecke.

Was es über die Suche nach dem Mädchen zu wissen gibt

Gleich nach dem Verschwinden Rebeccas suchen Familienangehörige mit Flugblättern und in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #findbecci nach ihr. Ohne Erfolg. Auch die Polizei sucht die Umgebung erfolglos ab. In der Zeit nach dem Verschwinden der Jugendlichen suchen die Ermittler vor allem im Osten Brandenburgs wochenlang mit Hunderten Polizeibeamten, Mantrailer-Hunden, Booten und Tauchern in Wäldern und Seen nach Rebeccas Leiche. Ebenfalls ohne Erfolg.

Nun, vier Jahre nach dem Verschwinden der 15-Jährigen, versucht die Polizei immer noch, den Fall aufzuklären und Hinweise auf den Verbleib des Mädchens zu finden. Bei den Ermittlern heißt es aber, solche Fälle könnten auch nach Jahren gelöst werden, wenn Hinweise oder Spuren auftauchen. Endgültig geschlossen werden die Akten nicht.

Warum vom Tod des Mädchens ausgegangen wird

Schon wenige Tage nach Rebeccas Verschwinden ermittelt eine Mordkommission des Landeskriminalamtes im Fall der Schülerin. Die Begründung: Es gebe seit mehreren Tagen keine Hinweise für den Aufenthaltsort des Mädchens – eine Straftat könne nicht ausgeschlossen werden. Dass Rebecca weggelaufen sein könnte, schließt auch ihre Mutter gegenüber dem rbb aus. Die Eltern hoffen, dass die Tochter noch lebt, sie irgendwohin verschleppt wurde.

Seit dem 1. März 2019 gehen die Ermittler nach eigenen Angaben davon aus, dass die 15-Jährige das Opfer eines Tötungsdelikts wurde. Noch 2020 stellte die Staatsanwaltschaft fest: "Wir gehen weiterhin davon aus, dass Rebecca das Haus der Schwester und des Schwagers nicht lebend verlassen hat. Sämtliche Alternativgeschehen (...) können wir nach den Ermittlungen ausschließen. Für ein freiwilliges Verlassen der häuslichen Umgebung gibt es überhaupt keine Hinweise." Ausgeschlossen werden könne auch eine Entführung aus dem Haus oder auf dem Weg zur Schule. Die Polizei geht nach wie vor von einem Mordfall aus — und Mord verjährt nicht. Auch in Vermisstenfällen werden die Akten nicht endgültig geschlossen.

Sebastian Büchner von der Berliner Staatsanwaltschaft sagte dazu am 17. Februar 2023 im rbb, dass die Erfahrung die Ermittler gelehrt habe, "dass durchaus auch später immer noch Hinweise kommen können. Dass auch später noch Leute ihr Schweigen brechen, die doch etwas gewusst haben. Und auch einfach, dass irgendwelche Gegenstände noch gefunden werden, die sich dann auf einmal als eine neue und ergiebige Spur ergeben. [...] Es wird auch nach diesen vier Jahren ermittelt."

Wer der Tat verdächtigt wird

Unter Verdacht gerät der damals 27-jährige Schwager des Mädchens. Gegen ihn hält die Kriminalpolizei mehrere Indizien für ausschlaggebend [berlin.de]. Die Polizei nimmt im März 2019 den Schwager zwei Mal fest und lässt ihn jedes Mal wieder frei. Er bestreitet, etwas mit dem Verschwinden der Jugendlichen zu tun zu haben.

Der Verdächtige und seine Anwältin äußerten sich in den vergangenen Jahren nicht zum Verbleib Rebeccas, auch auf Anfragen der dpa gibt es keine Antwort. Unmittelbar nach der Freilassung ihres Mandanten erhob die Verteidigerin allerdings schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden und auch die Medien. Der Mann würde dadurch vorverurteilt. Sie berief sich auf die Unschuldsvermutung.

Die Anwältin kritisierte auch, die Ermittlungen verliefen einseitig, weil sich die Behörden früh auf ihren Mandanten als Täter fokussiert hätten und nicht nach anderen Hinweisen auf den Verbleib des Mädchens suchten.

Rebeccas Familie hält den Schwager für unschuldig.

Was wir nicht wissen

Die Frage danach, was am 18. Februar 2019 genau passiert ist, bleibt unbeantwortet. Ebenfalls, ob die Jugendliche noch am Leben ist. Es gibt wortwörtlich keine Spur von Rebecca. Auch nicht von ihrem Handy und ihren anderen noch immer vermissten Gegenständen.

Unklar ist auch, ob das Mädchen nicht doch irgendwohin verschleppt worden sein könnte. Ganz ausschließen können das auch die Ermittler nicht. Wenn Rebecca tot sein sollte, fehlt jeder Hinweis auf ihre Leiche.

Ungeklärt bleibt, welches Tatmotiv der Schwager haben sollte. Genau wie die Frage, warum er am Tag des Verschwindens und am Tag danach mit seinem Wagen auf der Autobahn unterwegs war. Der Familie von Rebecca soll er diese Fahrten plausibel erklärt haben. Von Fahrten als Drogenkurier war dabei nach Medienberichten die Rede. Bei der Polizei soll er dazu jedoch keine Aussagen gemacht haben.

Die Anwältin des Schwagers hatte Vorwürfe erhoben, die Ermittler hätten sich von Anfang an nur auf ihren Mandanten als Täter und somit auf ein totes Mädchen fokussiert und somit einseitig gesucht. Ob das so ist, lässt sich nicht beantworten.

Unklar ist auch, warum die Polizei mit einem retuschierten Bild nach der vermissten Rebecca gesucht hat. Das Mädchen war auf dem Foto stark geschminkt und daher nur schwer zu erkennen. Der aktuelle Suchaufruf der Polizei [berlin.de/polizei] findet wieder mit besagtem Bild statt.

Sendung: Fritz, 17.02.2023, 15:30 Uhr

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