Nach Fahrscheinkontrolle - BVG muss Fahrgast nach rassistischem Vorfall Schmerzensgeld zahlen

Mi 19.07.23 | 11:48 Uhr
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Archivbild:US Opernsänger Jeremy Osborne posiert für ein Bild in Berlin am 22. Mai 2023.(Quelle:imago images/E.Contini)
Audio: rbbKultur | 19.07.2023 | Interview mit Jeremy Osborne | Bild: :imago images/E.Contini

Die BVG muss erstmals einem Fahrgast wegen eines rassistischen Vorfalls bei einer Fahrscheinkontrolle Schmerzensgeld zahlen. Geklagt hatte ein Sänger der Deutschen Oper.

Nachdem ein Fahrgast bei einer Verkehrskontrolle rassistisch beleidigt wurde, müssen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dem Mann laut einem Urteil 1.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Dem Kläger stehe Anspruch auf Schmerzensgeld "wegen Verletzung seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts" zu, teilte eine Sprecherin der Berliner Zivilgerichte auf dpa-Anfrage mit.

Das Urteil wurde am 10. Juli gefällt, ist aber noch nicht rechtskräftig. Zuvor hatte die "Berliner Zeitung" berichtet.

Vorfall aus dem Jahr 2020

Laut Gericht war der gebürtige US-Amerikaner Jeremy Osborne bei dem Vorfall im Jahr 2020 von Mitarbeitern eines von der BVG beauftragen Sicherheitsunternehmens in der U-Bahn rassistisch beleidigt worden. Außerdem hätten sie ihn dazu aufgefordert, "sich in Deutschland zu benehmen". Über den genauen Ablauf seien sich die Parteien vor Gericht uneinig gewesen.

Osborne klagte anschließend auf eine Entschädigung und berief sich auf das Berliner Antidiskriminierungsgesetz (LADG). Er forderte mindestens 2.000 Euro. Nach Auffassung des Gerichts ist das LAGD allerdings nicht anwendbar. Es fehle an einem "öffentlich-rechtlichen Handeln" der Beklagten und des für sie tätigen Sicherheitsunternehmens.

Osborne sieht in Urteil Bestätigung für Schwarze Community

Das Urteil habe ihn deshalb überrascht, sagte Osborne am Mittwoch dem rbb. Denn "die Richterin hat von vornherein gesagt, dass sich das Gericht nicht auf das Antidiskriminierungsgesetz berufen konnte. Das heißt, es gab keine Beweiserleichterung", sagte er im Interview mit rbbKultur. Dass die Richterin nun zu seinen Gunsten entschied, fühle sich sehr gut an.

Erschwerend kam für Jeremy Osborne nach eigenen Angaben hinzu, dass nach dem Vorfall sein Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft nicht weiter bearbeitet werden konnte, weil die Kontolleure zunächst Anzeige gegen Osborne erstattet hatten. Das sei auch der Grund für seine Klage gegen die BVG gewesen. "Das wollte ich mir nicht gefallen lassen."

Erstmals bekam mit dem Opernsänger, der seit neun Jahren in Berlin lebt, ein Kläger wegen Diskriminierung gegen die Berliner Verkehrsbetriebe recht. Das Urteil sei für die Schwarze Community eine Bestätigung. "Ich habe von diesen Vorfällen schon bei meiner Ankunft in Berlin gehört", sagte Osborne.

BVG will sich zum Urteil vorerst nicht äußern

Die BVG wollte sich auf rbb-Anfrage mit Verweis auf die noch fehlende Rechtskraft des Urteils zunächst nicht zu dem Urteil äußern und teilte mit: "Vorwürfe von Diskriminierung wiegen in allen Fällen schwer und werden in unserem Haus stets sehr ernst genommen. Die BVG toleriert weder Diskriminierung noch Gewalt, weder gegen Fahrgäste noch gegen unsere Mitarbeiter*innen."

Zum Umgang mit Vielfalt beziehungsweise zur allgemeinen Konfliktvermeidung gebe es regelmäßige Schulungen. Das gelte für interne und externe Mitarbeiter. Diese Schulungen seien in den vergangenen Jahren intensiviert worden, so die BVG.

Eigenes Antidiskriminierungsgesetz bisher nur in Berlin

Berlin ist bislang das einzige Bundesland, das ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz hat. Es soll die Menschen in der Hauptstadt vor Diskriminierung seitens der Behörden schützen und Ansprüche auf Schadenersatz gegen das Land Berlin ermöglichen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.07.2023, 19:30 Uhr

69 Kommentare

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  1. 69.

    Beitrag gelesen, kenne trotzdem Hintergründe nicht wirklich. Weiß nur, dass sich manche Kontrolleure absolut daneben benehmen. Ton, Ansprache. Auch bei Senioren. Sagt man was gehts richtig ab. Pampig und Androhung Hausrecht. Bei Senioren über 90. Erlebt. Daneben gestanden.

  2. 68.

    "Bei der Kontrolle der Fahrscheine habe ich mich zu legitimieren, dass ich das Hausrecht des Verkehrsbetriebe durchsetze."

    Schon da scheint "der Hase im Pfeffer zu liegen": Die Frage nach der Legitimierung wird oft genug schon als persönlicher Angriff, als Renitenz und als Infragestellung der Kompetenz interpretiert, wo es doch eine pure Selbstverständlichkeit ist, sich am Beginn der Kontrolle zu legitimieren und diese Legitimierung auch sichtbar zu tragen.

  3. 67.

    Das Zeigen meiner handfesten Monatskarte nimmt weniger Zeit in Anspruch, als gemeinhin Jene brauchen, die ihr digitales Ticket erst aufrufen müssen. Analog ist es beim Bezahlen an der Supermarktkasse: Wer einen Überblick hat, was das im Wagen Liegende kostet, kann auf den Euro hin das Geld bereithalten, während der digitale Bezahlvorgang i. a. R. längere Zeit in Anspruch nimmt, weil Menschen ihr Gerät bis zur letzten Sekunde für alles Mögliche nutzen.

    Ein ähnliches Phänomen gibt es auch beim Aussteigen aus Bahnen: Vorsorgend sich zur Tür hin bewegend oder erst dann aufstehend, wenn das Gerät die entsprechende Station anzeigt und dann die bereits Einsteigenden am Einsteigen hindern. ;-

  4. 66.

    Und um es noch einfacher zu machen:
    In manchen Fällen hilft es schon den Beitrag zu lesen auf den man antwortet.

  5. 65.

    Nicht jeder will online sein und seine ganzen Daten für jeden einsehbar sein.
    Schon mal was von Datenklau gehört.
    Sie können sich ja preisgeben aber akzeptieren Sie Menschen die Privatsphäre haben möchten.

  6. 64.

    Das Gericht in Berlin stellt fest, dass die Rechte des Klägers verletzt seien. Die sachlichen und neutralen Kommentare fragen ob ein gültiger Fahrschein vorlag! Ernsthaft?
    Im Artikel ging es um die Tatsache, daß ein Verkehrsbetriebe, für die Handlung eines beauftragen Dritten, in die Haftung genommen wird. Dass ist die eigentliche Meldung!Ob die hier genannte BVG ein Regressanspruch gegenüber dem anderen Unternehmen, vermutlich namentlich B.O.S.., wäre eine zweite Frage. Die dritte wäre,wenn ich beruflich oder gewerbliche unterwegs bin,trage ich eine besondere Sorgfaltspflicht! Sei es als Handwerker mit einer guten Arbeit am Gewerk,sein es als Gastronom mit einem guten Service. Bei der Kontrolle der Fahrscheine habe ich mich zu legitimieren, dass ich das Hausrecht des Verkehrsbetriebe durchsetze. Wenn Die VIER, die hier auftraten, bei der Frage des Dienstausweises, bereits sich provoziert fühlten, brauche ich die keine Frage zu stellen!

  7. 63.

    Es gibt vielerlei Arten Rassismus und das in nahezu jeder Form. Ich sprach von einer einzigen davon: von derjenigen, die bei den einschlägigen Kontrolleuren verbreitet ist, von denen hier die Rede ist.

    Alles andere wäre eine billige Aufrechnung: Solange die anderen nicht Ihres unterlassen, sei alles andere doch halb so schlimm. Und natürlich umgekehrt auch. - Ein unerquickliches Nullsummenspiel in jeglicher Richtung.

  8. 62.

    Zitat: "Kurze Frage: hatte er nun ein gültiges Ticket oder nicht?"

    Das steht doch im oben verlinkten Artikel der Berliner Zeitung:

    "An jenem Oktoberabend des Jahres 2020 fuhr er mit der U-Bahn-Linie U2 Richtung Alexanderplatz, als am Spittelmarkt vier Kontrolleure in Zivil in den Zug stiegen und nach seinem Fahrschein fragten. Osborne besaß ein gültiges Monatsticket, wollte aber erst die Dienstausweise der Kontrolleure sehen."

  9. 61.

    Vielleicht lösen Sie das nächste Mal einfach ein digitales Deutschland Ticket. Dann müssen Sie gar nicht so lange in ihren Taschen herumkramen... Ach, es könnte alles so einfach sein.

  10. 60.

    Lesen Sie sich den Zeitungsartikel durch: Die Kontrolleure haben ihn u.a. als "Schwarzkopf" rassistisch beleidigt und gegen eine Metallbank geschubst. Die Verletzung musste im Krankenhaus versorgt werden.

  11. 59.

    Vielleicht hilft der Artikel im Spiegel zum besseren Verständnis

    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/berlin-bvg-muss-fahrgast-nach-rassistischem-vorfall-schmerzensgeld-zahlen-a-6858f0a4-2b74-4a59-9814-2cf97146eff8

  12. 58.

    Ein sachlicher Kommentar, danke. Wird aber leider in der Hetze hier untergehen. Schade.

  13. 57.

    „Kurze Frage: hatte er nun ein gültiges Ticket oder nicht?“

    Und selbst, wenn er keins gehabt haben sollte, würde das eine rassistische Beleidung in keinster Weise rechtfertigen … Was soll also diese Frage?

  14. 56.
    Antwort auf [Cairo] vom 19.07.2023 um 14:13

    Also für Sie auch noch einmal, es war eine Analogie, ein Beispiel oder wie immer Sie es nennen möchten. Es gibt Rassisten bei allen Hautfarben und Glaubensrichtungen. Allerdings werde ich mir wohl merken müssen, das hier viele sind denen man alles explizit erklären muss. Bzw. Ich schreibe nächste Mal dazu " Achtung Analogie Beispiel etc."

  15. 55.

    Ich habe auch in dem verlinkten Artikel nicht finden können, welche Relevanz ein eventueller Migrationshintergrund der Täter hat. Und dass es auch Menschen mit Migrationshintergrund gibt, welche die rechtsextreme afd wählen, dürfte Ihnen doch auch bekannt sein. Also bitte, welche Relevanz hätte ein Migrationshintergrund der Täter?!?

  16. 54.

    Ich kann mich dem nur anschließen. Um was für eine Beleidigung handelt es sich denn hier konkret? Wird bezeichnenderweise nichts dazu berichtet. Die Diskussion hier im Chat kann also nur Mutmaßungen zur Grundlage haben und kann von daher zu nichts führen.

  17. 53.

    Da müssen die Zahlen stimmen, somit muss es schnell gehen und nicht durch langes Suchen des Tickets aufgehalten werden.
    Wer Macht bekommt, nutzt sie auch aus.

  18. 52.

    Dann würde ich vor allen Dingen an Ihrer Stelle meine Freundin begleiten und nicht allein marschieren lassen!
    Dann könnten Sie gleich die Polizei rufen und Anzeige erstatten! Und als Zeuge aussagen!
    Nur Mut!

  19. 51.

    Ich habe nur helfen wollen, weil Sie hinterfragt haben, woher die Infos stammen. Mich nervt es, wenn unsachlich etwas in den Raum gestellt wird, obwohl es sich bei Lesen des Artikels und der Verlinkungen ergibt. Was dann daraus gedeutet wird, ist eine andere Sache. Aber ein plumpes "wo steht das?" ist eben einfach schwach.

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