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Quelle: rbb24/Anna Bordel

Umgenutzte Bestattungsorte

Diese Berliner Friedhöfe weichen Parks, Schulen oder Wohnungen

Andere Bestattungsformen führen zu mehr Platz auf Friedhöfen in Berlin - zumindest auf evangelischen. Dort entstehen Freiflächen, für die es teils schon konkrete Pläne für eine neue Nutzung gibt. Doch der Weg dahin erfordert Geduld. Von Anna Bordel

Ewige Ruhe gibt es auf den christlichen Friedhöfen in Berlin nicht. Zu bedürftig ist die Stadt nach freien Flächen. Zu teuer ist es, Menschen ewig in ihren Särgen ruhen zu lassen und das Grün darum hübsch gepflegt zu halten. Gräber auf christlichen Friedhöfen haben eine Ruhefrist von 20 Jahren, danach kommt noch eine Pietätsfrist von zehn Jahren hinzu. Nach rund 30 Jahren ist aber Schluss, ein Grab kann dann vom Friedhofsträger aufgelöst werden.

Und das passiert jetzt immer häufiger auch: Denn wenn wenige Tote nachkommen, einfach weil weniger gestorben wird und Menschen nicht mehr unbedingt christlich und im Sarg beerdigt werden wollen, dann kann es schon mal leerer werden auf Berlins Friedhöfen. Gut gepflegt müssen sie trotzdem sein und wenn dafür kein Geld durch Bestattungen reinkommt, wird das für Friedhofsträger teuer.

Mehr als 1.000 Hektar Friedhofsfläche in Berlin

Auf der anderen Seite ist der Raum für neue Gebäude in der Hauptstadt knapp. Brachflächen gibt es kaum noch. Nach und nach kommen Friedhofsbetreiber und Bezirke an dieser Stelle zusammen und Pläne für Wohngebäude, Grünflächen oder Schulstandorte entstehen.

In ganz Berlin gibt es laut Senatsumweltverwaltung 220 Friedhöfe mit 1.090 Hektar Fläche. Auf 182 von ihnen wird demnach noch bestattet. Teilweise gehören die Friedhöfe dem Land, teilweise werden sie von kirchlichen Gemeinden betrieben. Einer der größeren Träger ist dabei der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte, zu dem rund 40 Friedhöfe gehören.

Umstrittene Randbebauung

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2006 hat der Senat mit einem Friedhofsentwicklungsplan beschlossen, dass die alternative Nutzung einiger Friedhofsflächen angestrebt wird. Aktuell werden die genauen Angaben, wie viel Fläche das betrifft, überarbeitet.

Wohnhäuser und Parks stehen auf ehemaligen Friedhöfen

Laut den Angaben der Bezirke und der Senatsumweltverwaltung ist die Umnutzung von neun Friedhöfen konkret in der Planung, in einem Fall in Reinickendorf wird bereits gebaut. Außerdem gibt es zahlreiche Fälle, in denen ehemalige Friedhöfe bereits umgewidmet wurden. Das Wohngebäude in der Landsberger Allee 48 steht beispielsweise auf einem Teilstück eines Friedhofes.

Deutlich mehr Urnen- als Sargbestattungen

Heutzutage wollten viel mehr Menschen eine Urnenbestattung als eine Sargbestattung, sagt Tillman Wagner, Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofverbands Berlin Stadtmitte. "93 Prozent der Menschen lassen sich in einer Urne beisetzen, sieben Prozent in einem Sarg". Früher sei das Verhältnis umgekehrt gewesen. Urnen brauchten deutlich weniger Platz, weshalb mittlerweile so viele Friedhöfe in Berlin ungenutzt seien. Auch konfessionslose Bestattungsangebote wie Friedwälder werden laut Wagner immer attraktiver.

Bezirke, in denen es viele Friedhöfe gibt und wo sich dementsprechend viel auf Friedhofsflächen tut, sind Pankow und Neukölln. In Pankow gibt es laut Bezirk 27 Friedhöfe, von denen elf bereits vollständig geschlossen sind. Für 14 Friedhöfe ist demnach eine Umnutzung vorgesehen.

Hermannstraße - Allee der Friedhöfe

In Neukölln gibt es etwa 20 Friedhöfe, von denen einige schon längst nicht mehr als solche genutzt werden. Auffällig ist in Neukölln die Friedhofsdichte auf relativ kleinem Raum. An der Hermannstraße erstrecken sich auf etwa einem Kilometer zahlreiche Friedhöfe oder ehemalige Friedhöfe, die sich alle in unterschiedlichen Nutzungsstadien befinden.

Der Anita-Berber-Park zum Beispiel befindet sich in der ehemaligen Einflugsschneise des früheren Tempelhofer Flughafens. In dem wenig akuraten, naturnah angelegten Park strolchen häufig Hunde mit ihren Besitzern durch das im Sommer hohe Gras. Näher an der Hermannstraße finden sich nicht selten Gruppen von Drogen konsumierenden Menschen. Allein die rote Friedhofsmauer deutet darauf hin, was dies einmal war.

Gedenkstätte, Ausgleichsfläche und Wohngebiet?

Direkt daneben befindet sich auf dem hinteren Teil des Jerusalem-Kirchhofs eine Gedenkstätte an ein ehemaliges Zwangsarbeiterlager im Aufbau, die vermutlich bald ihre Tore öffnen wird. Auf dem restlichen Teil des Friedhofs ist laut Bezirk ebenfalls ein Bebauungsplan für Wohnungsbau im Gange. Laut Friedhofsverband ist auch eine Ausgleichsfläche für die A100 im Gespräch. Wie diese mit den Plänen für das Wohngebiet zusammenpasst, ist laut Bezirk noch nicht entschieden.

Interview | Berliner Friedhofsverwalter

"Man muss neue Formen der Beisetzung finden"

Klassische Sargbestattungen werden immer seltener, große Friedhöfe leeren sich, der Friedhofszwang in Berlin besteht aber weiterhin. Friedhöfe müssen sich neu erfinden, um den Bedürfnissen ihrer Kund:innen weiter gerecht zu werden, sagt Thomas Höhne.

Ein kleines Stück weiter südlich befindet sich der St. Jacobi II- Friedhof. Im vorderen Teil ist das Café des Prinzessinnengärten-Kollektivs, die im mittleren Teil eine Gartenanlage mit Hochbeeten pflegen, während weiter hinten Menschen in einer Wagensiedlung in aller Abgeschiedenheit leben.

Laut dem Evangelischen Friedhofsverband ist dieses Idyll nicht von ewigem Bestand, Pläne für eine Teilbebauung sind im Gange, geplant sind Wohn- und Geschäftsgebäude, außerdem eine Schule. Das bestätigt auch der Bezirk Neukölln. Die Prinzessinnengärten sollen demnach allerdings bleiben dürfen.

Emmaus-Kirchof - Bauplan umstritten

Wer auf einem Friedhof bauen möchte, hat es mit allen möglichen Widerständen zu tun: Eidechsen, seltenen Gräsern, Anwohnern, Hunde- und Baumfreunden und natürlich dem Bezirk. Dieses Spannungsfeld zeigt sich vielleicht nirgends deutlicher als im Emmaus-Kirchhof kurz hinter der Berliner Ringbahn-Grenze ebenfalls auf der Achse Hermannstraße. Während im vorderen Teil noch bestattet wird, gibt es konkrete Bebauungspläne für den hinteren Teil des Friedhofes, der aktuell einem kleinen Wald mitten in der Betonwüste gleicht. Große Nadel- und Laubbäume stehen dicht an dicht in dem Areal.

Die Initiative "Emmauswald bleibt" setzt sich für den Erhalt der Fläche und des alten Baumbestands ein. Laut Angaben des Bezirks gibt es bereits einen Bebauungsplan im Verfahren, der Wohnungsbau für Miet- und Eigentumswohnungen vorsieht. Das Verfahren wird allerdings laut Bezirksangaben derzeit nicht weitergeführt, denn die Bebauungspläne haben im Moment keine Mehrheit im Bezirk. Und die bräuchte es, damit der Bebauungsplan rechtswirksam wird.

2.000 neue muslimische Gräber geplant

Tillmann Wagner vom evangelischen Friedhofsverband ist der Ansicht, dass der Leerstand auf Friedhöfen nicht nur die evangelischen Friedhöfe betreffe, sondern ein Phänomen aller Konfessionen sei. Der katholische Friedhofsträger Erzbischöfliches Ordinariat Berlin hat eigenen Angaben zufolge sechs Friedhöfe in Berlin, die alle noch aktiv als solche genutzt werden. Pläne für Umnutzungen gebe es daher nicht, wie ein Sprecher mitteilte.

Für jüdische Friedhöfe gilt das mit dem Leerstand ebenfalls nicht, aus einem anderen Grund: "Im Judentum ist ein Grab für die Ewigkeit angelegt", so die Jüdische Gemeinde zu Berlin. Wenn ein Friedhof belegt ist, werde entweder versucht ihn zu erweitern oder ein neuer Friedhof werde gegründet. Eine Umnutzung für einen alten jüdischen Friedhof sei daher keine Option.

Auch an muslimischen Grabstätten herrscht eher ein Mangel als ein Überschuss. Noch Anfang dieses Jahres hatte der Senat versprochen 2.000 neue Grabfelder zu schaffen. Unter anderem sind muslimische Gräber bereits auf dem evangelischen Emmaus-Kirchhof entstanden – auch das ist offenbar eine Möglichkeit der alternativen Nutzung.

 

Beitrag von Anna Bordel

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