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Przewalskipferde in der Naturlandschaft Döberitzer Heide | Quelle: Heinz Sielmann Stiftung/Ingolf König

Waldweiden

Hufgetrampel für Biodiversität und Waldbrandschutz

Ein Wald, in dem Kühe Laub fressen oder Pferde an Rinden und Zweigen knabbern: Diese alte Art der Weidehaltung wird gerade wiederentdeckt. Auch wenn es ungewöhnlich scheint, sie hat Vorteile für die Natur und uns Menschen. Von Andreas Heins

Ganz Germanien war mit dichten, düsteren Wäldern bedeckt - dieses Urteil des römischen Geschichtsschreibers Tacitus bestimmt das Bild von unserem Wald seit Jahrhunderten. Dass unsere natürliche Landschaft wesentlich dynamischer und abwechslungsreicher gestaltet ist, diese Erkenntnis hat sich erst in jüngerer Zeit in der Wissenschaft durchgesetzt. Nicht nur Windwurf, Überschwemmungen und andere Wetterphänomene sorgten immer wieder für neue lichte Flächen im Wald – auch Wisente, Wildpferde und Auerochsen gestalteten die Landschaft um.

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Mit zunehmender Bevölkerungsdichte verschwanden die großen Pflanzenfresser aus den Wäldern und wurden durch Nutztiere ersetzt. Dass Rinder und Pferde nicht nur gerne Gras fressen, sondern sich auch von Rinde und Blättern ernährt haben, ist fast in Vergessenheit geraten. Dabei ist die Viehhaltung auf Waldweiden, sogenannten Hutewäldern oder Allmenden, eine der ältesten Formen der Landwirtschaft.

Lichte Stellen für mehr Biodiversität

Von den großen Pflanzenfressern im Wald sind nur Hirsche, Rehe und Wildschweine übriggeblieben. Wölfe werden noch toleriert, aber freilaufende Wisente und wilde Rinder im Wald können sich heute nur wenige vorstellen. Im Naturschutz gibt es jedoch kaum noch Vorbehalte gegen die Nutztiere im Wald. Die Erkenntnis: Unsere Wälder brauchen nicht nur Flächen mit Totholz, um die Biodiversität zu erhalten, sondern auch lichte Stellen.

Urviecher: Wisente leben in der Naturlandschaft Döberitzer Heide | Quelle: Heinz Sielmann Stiftung/Sebastian Hennigs

Die großen Pflanzenfresser gestalten das Gelände durch Verbiss und Tritt um und schaffen so ständig neue ökologische Nischen für Pflanzen und Tiere. Aus Gründen des Naturschutzes werden deshalb auch in Berlin und Brandenburg Waldweiden neu angelegt.

Zu den größten gehören die Naturlandschaft Döberitzer Heide (Havelland) sowie der Hobrechtswald. Die Döbritzer Heide auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in der Nähe von Elstal wird von der Heinz-Sielmann-Stiftung betreut. Wisente und wilde Pferde laufen frei durch die geschützte Landschaft. Im Nordosten Berlins befindet sich der Hobrechtswald, wo das Landesforstamt Berlin extensive Waldweide mit Pferden und Rindern betreibt.

Ende des 18. Jahrhunderts war der Wald zerstört

Vom Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung nahm nicht nur der Bedarf an Weideflächen, sondern auch der Bedarf an Holz zu. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatten Abholzung aber auch Überweidung fast alle größeren Waldgebiete in Mitteleuropa zerstört. Als Konsequenz begann man mit der Trennung von Agrarlandschaft und Forstgebieten. Mit großangelegten Wiederaufforstungen sollte der "natürliche" Zustand wiederhergestellt werden.

Nicht nur viele unserer Vorstellungen von Wildnis und die Vorbehalte gegen die Waldweide stammen aus dieser Zeit, auch in der Gesetzgebung schlägt sich die Trennung von Forst- und Landwirtschaft bis heute nieder.

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Mehr als nur Naturschutz

Dennoch: Die Waldweide kommt zurück. Sie eignet sich nicht nur als Mittel der Landschaftspflege und zum Erhalt der Biodiversität. "In Australien, den USA und im Mittelmeergebiet setzt man die Tiere gezielt auf bestimmten Flächen ein, um bestimmte Ziele in der Landschaftspflege zu erreichen", sagt die Agrarmanagerin Juliane Baumann. "Das nennt sich 'Targeted Grazing'. Die gezielte Beweidung wird beispielsweise zur Eindämmung invasiver Pflanzenarten, gegen sich ausbreitende Pflanzenkrankheiten und eben auch als Waldweide zur Waldbrandverhütung angewendet."

Baumann berät Gemeinden in der Waldbrandprävention, unter anderem auch die Stadt Beelitz. Dort sind erstmalig in Deutschland beweidete Schutzstreifen geplant.

In den 1970er Jahren erkannten französische und israelische Wissenschaftler, dass zwischen dem Rückgang der traditionellen Schaf- und Ziegenhaltung im Mittelmeerraum und der Zunahme verheerender Waldbrände ein Zusammenhang besteht. Die Tiere weiden unter dem Schirm der Bäume die Bodenvegetation ab und sorgen dafür, dass keine gefährlichen Vollfeuer entstehen, die sich unkontrolliert großflächig ausbreiten.

Bio-Rasenmäher: Schafe erzeugen natürliche Brandschutzschneisen | Quelle: rbb/Sebastian Hampf

Gezielte Beweidung als Waldbrandprävention

In vielen südeuropäischen Ländern ist diese Methode der Waldbrandprävention durch Beweidung bereits erfolgreich erprobt, in Deutschland dagegen noch neu. "Dabei geht es nicht um flächendeckende Waldweiden", sagt Juliane Baumann. "Einige Flächen bieten kein ausreichend gutes Nahrungsangebot für die Tiere. Es geht darum Beweidung gezielt einzusetzen, an besonders gefährdeten Orten oder in Pufferzonen rund um Ortschaften."

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In der DDR wurden regelmäßig 25 bis 50 Meter breite Streifen entlang der Straßen vom Unterholz befreit und ausgelichtet, damit das Feuer nicht überspringen konnte. "Nach der Wende wurde dieser systematisch angelegte Waldbrandschutz vernachlässig, so dass in den letzten 20 Jahren die sogenannten Waldbrandschutzstreifen fast vollständig verlorengegangen sind", so Juliane Baumann.

"Neue Waldweiden könnten genutzt werden, um diese Schutzstreifen wieder einzuführen", so Baumann weiter. "Rechtlich wäre das mit Erlaubnis der zuständigen Behörden möglich, es geht ja nicht darum den Wald in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln, sondern um Waldbrandschutz. Aus Naturschutzgründen werden auch immer wieder Genehmigungen erteilt." Die moderne Waldweide zur Waldbrandprävention anzuwenden habe besonders in Deutschland ein großes Potential, sagt Baumann. "Man hat hier bereits Praxiserfahrungen mit der Beweidung im Naturschutz gesammelt, die man genauso gut zum Waldbrandschutz anwenden kann."

Beitrag von Andreas Heins

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