DLRG zu Einbruch im Eis - "Es reicht eine Minute, bis der Körper schlagartig herunterfährt"

Fr 12.01.24 | 16:37 Uhr
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Mitglieder der DLRG demonstrieren eine Rettung aus dem Eis (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Bild: dpa/Paul Zinken

Flüsse und Seen in Berlin und Brandenburg frieren so langsam zu. Die Eisfläche sollten dennoch zurzeit noch nicht betreten werden. Was mit unserem Körper passiert, wenn wir ins Eis einbrechen, erklärt Daniel Keip von der DLRG Brandenburg.

rbb24: Was passiert mit meinem Körper, wenn ich in eisige Gewässer falle?

Daniel Keip: Am besten fällt man gar nicht ins Wasser. Wer jetzt auf das Eis geht, ist lebensmüde. Auch nach den kalten Tagen ist das Eis noch nicht so dick, dass es trägt. Keiner kann einschätzen, wie groß die Gefahr wirklich ist und wie die Strömungsverhältnisse sind. Weder die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), noch die Wasserschutzpolizei oder Gemeinden und Landkreise geben Eisflächen frei, weil das Risiko einfach zu groß ist.

Zur Person

Daniel Keip ist Pressesprecher der DLRG Brandenburg (Quelle: privat).
privat

Daniel Keip ist seit 1994 Mitglied der DLRG Brandenburg und hat sich dort vom Seepferdchen- bis zum Rettungsschwimmer ausbilden lassen. Aktuell ist er als Pressesprecher für die Organisations tätig. Er übt diese Funktion ehrenamtlich aus.

Bricht man dennoch ein, gerät der Körper in Panik und bekommt einen Schock. Der Körper hat eine Temperatur von 36 Grad, das Wasser liegt bei -0,5 bis 1 Grad. Er ist also akut und schlagartig einem großen Schreck ausgesetzt. Viel schneller als man denkt, fällt man in eine Hypothermie (Unterkühlung), in der die Kreislauffunktionen abschalten und die Gliedmaßen sofort mit Sauerstoff unterversorgt werden. Das Blut zieht sich zurück und wird in das Körperinnere gepumpt. In kurzer Zeit werden die Abläufe im ganzen Körper umgestellt. Wenn man dann nicht richtig fit ist, beispielsweise durch einen Infekt, kann die Reaktion auf die Kälte eine akute Kreislaufkrise auslösen und man wird ohnmächtig.

Wie schnell unterkühlt mein Körper?

Es reicht manchmal schon eine Minute, bis der Körper seine Funktionen schlagartig herunterfährt. Der Kreislauf sagt sofort Stopp. Wenn die Arme und Beine nicht mehr versorgt werden, ist es schwer, sich noch über Wasser zu halten. Dazu kommt die Stresskomponente für das Herz, wenn eiskaltes Blut durch den Körper gepumpt wird. Das Herz bekommt einen Kälteschock und kann einfach stehenbleiben.

Was ist der Unterschied zum Eisbaden?

Beim Eisbaden tastet man sich langsam vor. Man gewöhnt seinen Körper über Monate daran, dass das Wasser kälter wird. Man schlägt kein Loch ins Eis und springt hinein. Man geht meist eine Leiter hinunter und gewöhnt sich an die Temperatur. Bei einem Einbruch ist man dagegen komplett unvorbereitet.

Wie tödlich kann ein Eis-Einbruch sein?

Es ist eine Frage von Minuten und eine Frage des nächstgelegenen Helfers. Wenn man allein auf einem abgelegenen See um sein Leben kämpft, ist die Chance gering, dass man lebend herauskommt. Wir versuchen immer zu retten. Wenn wir bergen müssen, brauchen wir spezielle Einsatzkräfte mit einer Ausbildung zum Eistauchen. Für unsere Kameradinnen und Kameraden ist das zum einen psychisch, zum anderen physisch belastend, wenn die Einsatzkräfte den See systematisch absuchen müssen. Wir können nicht bis zum Frühjahr oder Sommer warten, um Vermisste zu bergen, sondern suchen so lange, bis wir sie gefunden haben.

Wie verhalte ich mich, wenn die Eisdecke unter mir knackt?

Legen Sie sich flach hin, robben Sie in Richtung Ufer und verlassen Sie die Eisfläche so schnell wie möglich.

Wie helfe ich, wenn ich jemanden ins Eis einbrechen sehe?

Bevor man einen Rettungsversuch unternimmt, alarmiert man den Rettungsdienst unter 112. Machen Sie auf sich aufmerksam und eilen Sie nicht blindlings zur Hilfe. Da wo Eis einmal bricht, bricht es auch ein zweites oder drittes Mal. Rennen Sie nicht auf das Eis, sondern legen Sie sich hin und verteilen Sie ihr Gewicht auf einer möglichst großen Fläche. Robben Sie nicht bis zur Bruchkante vor. Nehmen Sie einen Stock, ein Seil oder einen Schlitten, um dem Eingebrochenen Auftrieb zu geben. So kann er sich vielleicht selbst aus dem Eisloch befreien.

Wir Einsatzkräfte haben spezielle Schlitten und Leitern, mit denen wir an das Eisloch herankommen - und vor allem tragen wir Thermoanzüge, mit denen ein Sturz ins Wasser weniger gefährlich ist. Dicke Winterkleidung saugt sich sofort mit Wasser voll und zieht herunter. Bewahren Sie daher Ruhe und rufen Sie nach Hilfe. Beruhigen und sprechen Sie mit dem Eingebrochenen über das, was Sie vorhaben. Versuchen Sie ihn herauszuziehen, aber rechnen Sie damit, dass die Bruchkante immer weiter einbricht, wenn Sie sich daran abstützen.

Was ist nach einer Rettung aus dem Eis zu tun?

Die nasse Kleidung muss sofort ausgezogen, ausgewrungen und wieder angezogen werden, damit der Körper die Wärme speichern kann. Nichts ist schlimmer, als mit nasser Kleidung in kalter Luft zu stehen. Dann kühlt man noch mehr aus. Danach sollte man sich sofort in eine warme Umgebung, zum Beispiel in ein Auto, begeben. Warme Getränke wärmen den Körper langsam wieder auf. Zu heiße Getränke können den Kreislauf überfordern. Alkohol ist tabu, der weitet die Gefäße. Auch wenn die Rettung ohne Einsatzkräfte geglückt ist, sollte ein Notarzt gerufen werden, um den Körper auf Anzeichen einer Unterkühlung zu checken. Unter Schock nimmt man auch Verletzungen durch gesplittertes Eis vielleicht nicht wahr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mit Daniel Keip sprach Lisa Schwesig für rbb|24.

1 Kommentar

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  1. 1.

    SEHR GUT!!!

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