Unterrichtsausschluss nach Angriffen
Ein autistischer Schüler soll Lehrkräfte angegriffen haben und wurde dafür vom Unterricht ausgeschlossen. Doch ein Berliner Verwaltungsgericht sieht keine Rechtsgrundlage für den Unterrichtsausschluss.
Ein verhaltensauffälliger Schüler aus Berlin darf laut einem Gerichtsbeschluss vom vergangenen Donnerstag (25. April) vorläufig wieder in die Schule. Er war seit Anfang März vom Unterricht ausgeschlossen. Zuerst hatte der "Tagesspiegel" über den Gerichtsbeschluss berichtet [kostenpflichtiger Inhalt]. Der Beschluss liegt dem rbb vor. Das Berliner Verwaltungsgericht sieht für den Unterrichtsausschuss demnach keine hinreichende Rechtsgrundlage.
Geklagt hatten die Eltern. Die Schulpflicht des Schülers ruhte zuletzt seit mehreren Wochen. Der Schüler mit Autismus hatte zuvor die fünfte Klasse besucht. Gemeinsam mit vier anderen Kindern lernte er in einer Kleinklasse für Autisten, beschult von einer Lehrkraft, einer pädagogischen Unterrichtshilfe und einer Betreuerin.
Der Schüler habe sich Mitschülern und Lehrkräften gegenüber gewalttätig verhalten, begründete die Bildungsverwaltung seinen Ausschluss vom Unterricht. So soll er seiner Klassenlehrerin eine Schere an den Hals gehalten und eine andere Lehrerin mit einer Schere in den Rücken gestochen haben.
Den Unterricht wieder zu besuchen, sollte für den Schüler unter anderem erst nach Einzelbeschulung und einer schrittweisen Annäherung an eine Gruppenbeschulung möglich sein - so der Wiedereingliederungsplan der Bildungsverwaltung. Die Schule habe zuvor bereits alle anderen Möglichkeiten erfolglos ausgeschöpft.
Laut dem Berliner Schulgesetz kann für Schülerinnen und Schüler die Schulpflicht "vorübergehend ganz oder teilweise ruhen". Spätestens nach drei Monaten muss eine solche Entscheidung erstmalig überprüft werden.
Das Verwaltungsgericht sieht allerdings keine rechtliche Grundlage, den Schüler vom Unterricht auszuschließen. Denn der entsprechende Passus des Schulgesetzes sei nicht mit verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar, also rechtswidrig. In dem Ausschluss vom Unterricht sieht das Gericht "einen erheblichen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Schülers auf Bildung".
Mit Blick auf den Absatz in Paragraf 41 (3a) des Berliner Schulgesetzes zum Ruhen der Schulpflicht heißt es in der Eilentscheidung des Gerichts zudem, es bleibe offen, "welchen Zweck die Regelung hat, welche Voraussetzungen für ein Ruhen der Schulbesuchspflicht gegeben sein müssen und nach welchen sachlichen Kriterien sich die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde hierüber [...] bestimmt."
Die Bildungsverwaltung hat sich bisher nicht geäußert, welche Konsequenzen sie aus dem aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts zieht. Es handelt sich um eine vorläufige Entscheidung. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht werden. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.
Sendung: rbb 88,8, 29.04.2024, 15:30 Uhr
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