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Quelle: rbb/Sophia Bernert

An der Tanke in Brandenburg

"Wenn sie die Leute vergessen, die hier vor Ort leben, das kann nicht sein"

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: eine Frau, die ihre Schwiegereltern pflegt und mächtig Wut angesammelt hat.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "An der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.

Wir betreuen meine Schwiegereltern zu Hause. Schwiegervater ist 93, Schwiegermutter 87, beide im Rollstuhl, beide pflegebedürftig mit Pflegegrad. Daneben arbeite ich in der Johanniter-Klinik in Treuenbrietzen in der Instrumentenaufbereitung. Früher in 40 Stunden, durch die Pflege bedingt runter auf 32 Stunden. Meine Schwiegereltern haben sich früher um unsere Kinder gekümmert. Da haben wir gesagt, was sie früher für uns getan haben, machen wir jetzt genauso für sie. Zumindest so lange, wie wir es können.

Jetzt fahren wir übers Wochenende mit unserer Enkeltochter zum Weihnachtsmannwecken nach Altenberg im Erzgebirge für zwei Nächte. Da wird am Sonnabend der Weihnachtsmann gerufen, der dann auf einem Balkon erscheint. Wir waren letztes Jahr schon dort und unsere Enkeltochter hat sich das dieses Jahr wieder gewünscht. Deshalb haben wir die Schwiegereltern so lange in Kurzzeitpflege gebracht.

Bis hierhin scheint sie guter Dinge zu sein, zufrieden mit dem Arbeitsplatz, stolz darauf die Schwiegereltern zu pflegen und in Vorfreude aufs Wochenende. Diese Grundstimmung beginnt aber schnell zu verfliegen.

Wir denken schon darüber nach, in welche Richtung sich die politische Stimmung in Brandenburg entwickelt. An den wichtigen Stellen fehlt das Geld, da wird nicht investiert, oder eben zu wenig. Egal, wen man wählt, das ist unsere Überzeugung, sobald sie in der Regierung sind, passen sie sich an und machen das, was generell bis jetzt immer gemacht wurde. Weil es einfach auch gar nicht anders gehen würde.

Jetzt redet sie sich in Schwung, spricht schneller als am Anfang. Auch lauter. Da muss etwas raus aus ihr. Etwas, von dem sie denkt, dass es nur die Richtigen nie hören.

Mehr Geld müsste es in der Pflege geben. Was uns ganz doll ärgert: Die zu Hause pflegen, so wie wir, die werden komplett vergessen. Das Geld, das wir bekommen für die Pflege von Angehörigen, ist ein Drittel von dem, was das Pflegepersonal eines Pflegedienstes bekommt. Das sind in manchen Monaten noch nicht mal 50 Euro. Morgens und abends haben wir einen Pflegedienst. Aber alles, was dazwischen ist, mit Wäschewaschen und allem Drum und Dran, das machen wir alles. Wir opfern unsere gesamte Freizeit, wir haben kein Privatleben mehr, weil sich alles nur um die Pflege dreht. Das wird überhaupt nicht honoriert.

Wir haben früher die Linke gewählt. Aber ich finde, die sind angepasst mittlerweile und vertreten nicht mehr die kleinen Leute. Eigentlich ist das bei allen Parteien so, egal wie sie sich profilieren. Das ist doch alles nur noch Wischiwaschi. Umwelt als Thema zum Beispiel. Es ist ja richtig, dass wir was tun müssen und dass wir irgendwo alle dran arbeiten müssen. Aber ich kann mir mit meinem bisschen Gehalt, was ich habe, obwohl das schon relativ gut ist für die Region hier, kein Elektroauto leisten. Kann ich einfach nicht.

Der Nahverkehr hier ist absolut chaotisch, ich müsste drei Mal umsteigen, bis ich bei der Arbeit bin, wenn ich mit den Öffentlichen fahre. Ich bin auf das Auto angewiesen, mein Mann auch.

Deshalb würde ich mir mehr Förderung für Elektroautos wünschen und dass mehr getan wird für den öffentlichen Nahverkehr. Das meiste sind Schulbusse, und wenn Ferien sind, dann werden die aufs Minimalste runtergeschraubt. Wenn Rentner zum Arzt wollen, müssen sie sich ein Taxi nehmen, wenn kein Angehöriger da ist, der sie fahren könnte.

Ich wünsche mir mehr Bodenhaftung von den Politikern. Es ist ja richtig, dass sie sich um alles in der Welt kümmern. Aber wenn sie dabei vergessen, wie die Leute hier vor Ort leben, das kann nicht sein. Also einfach mal wieder das Ohr an die Masse beziehungsweise an die Bürger legen und da mal horchen, was für Probleme es gibt und sich darauf konzentrieren.

Sie hält kurz inne. Ihre Stimme wird wieder etwas leiser, aber nicht weniger bestimmt. Sie steht fest hinter dem, was sie sagt.

Warum werden denn so viele Millionen ins Ausland gespendet von Deutschland? Klar müssen wir helfen. Aber ob die Dimensionen noch so realistisch sind, das stelle ich in Frage. Ich habe Sorge, dass wir einfach untergehen.

Das ist den Leuten einfach nicht mehr erklärbar. Da wird so viel Geld rausgeworfen. Aber für die Leute vor Ort, für das, was eigentlich wichtig ist für uns, da wird gespart. Die meisten Menschen wollen ja die AfD nicht wählen, weil sie super mit der Partei einverstanden sind. Das ist einfach Protest. Einfach um zu sagen: Hier läuft irgendwas absolut schief, guckt bitte, was hier los ist. Wir wissen sonst nicht, wie wir uns noch Gehör verschaffen.

Ich finde das schade, aber ich kann die Leute verstehen, die AfD wählen. Mein Mann stand kürzlich beim Arzt vor der Tür, weil noch nicht offen war und da hat er überall dasselbe Gerede gehört: Ja, es wird Protest gewählt. Dann müssen sie es eben, wenn sie so nicht lernen, anders lernen. Ich sehe für die Wahlen wirklich schwarz, das wird ein böses Erwachen werden.

Das Gespräch führte Anna Bordel, rbb|24

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