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Quelle: rbb/Sophia Bernert

An der Tanke in Brandenburg

"Man hört nur noch schlechte Nachrichten"

Fast jeder kommt mal an der Tanke vorbei. Zwei rbb|24-Reporter sprechen Leute an der Zapfsäule in Brandenburg an und fragen, was sie umtreibt. Heute: Eine Neuruppinerin klagt über Unterrichtsausfall und fehlendes Kita-Personal bei ihren Kindern.

rbb|24 will mit den Gesprächsprotokollen, die "An der Tanke" entstanden sind, Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben die Meinungen der Gesprächspartner wieder.


Ich bin gebürtige Neuruppinerin und fühle mich hier in der Gegend total wohl und will auch gar nicht woanders hin.

Sie steht draußen am Auto, zündet sich eine Zigarette an. Ihr Sohn bleibt auf dem Rücksitz, ihr Mann bleibt vorne sitzen. Im Auto läuft Radio. Sie lacht viel und ist schnell bereit, zu reden.

Insgesamt macht mich aber die politische Lage ein bisschen konfus. Wir sind viel zu viel mit dem ganzen Kriegsgeschehen in Europa und darüber hinaus beschäftigt. Was ist aber mit dem, was wirklich wichtig ist? Lehrermangel an den Schulen zum Beispiel. Ich habe einen 14-jährigen Sohn. Der hat permanent Unterrichtsausfall. Das finde ich viel schlimmer.

Aber die Politiker haben im Prinzip gar keine Zeit dafür, sich um unsere alltäglichen Sorgen zu kümmern. Sie haben viel mehr mit sämtlichen Kriegen und Waffenlieferungen und mit Asyl zu tun als mit dem, was uns jeden Tag beschäftigt und uns Sorgen macht.

Erst ist sie vorsichtig - will sich nicht "beschweren". Nach ein paar Minuten sprudelt es aus ihr heraus.

Ich will ganz klar sagen: Ich möchte nicht mit irgendeinem Flüchtling tauschen, egal ob aus der Ukraine oder aus Israel oder sonst woher. Um Gottes Willen, mir tun die Menschen unwahrscheinlich leid. Aber wir haben Erziehermangel, wir haben überall Lehrermangel. Und wir haben für unsere, ich sage jetzt mal "deutschen" Kinder, also Kindergartenkinder und Schüler, schon nicht genug Lehrer und nicht genug Erzieher. Und jetzt kommen halt noch Tausende weitere dazu.

Meine Tochter ist als Erzieherin betroffen. Da kommen immer mehr nicht-deutschsprachige Kinder dazu. Die brauchen Aufmerksamkeit, was ja auch richtig ist. Um Gottes Willen, die müssen ja auch irgendwo untergebracht werden, die müssen auch beschult werden, die müssen auch betreut werden in der Kita.

Aber: Die Klassen werden immer stärker, der Unterricht fällt immer mehr aus, weil die Lehrer auch psychisch irgendwann nicht mehr können. Und das ist etwas, das mich extrem bedrückt. Das macht mich einfach traurig, wenn man in die Zukunft schaut. Das wird ja tendenziell nicht besser.

Bevor sie auf die aktuelle Politik zu sprechen kommt, lacht sie einmal und zieht an ihrer Zigarette.

Ich war sonst immer überzeugte SPD-Wählerin - wegen der Familienpolitik und so. Aber im Moment gibt es da niemanden. Ich fühle mich momentan politisch nicht gut vertreten. Ich finde auch diese Dreier-Regierung überhaupt nicht gut. Ich halte davon überhaupt nichts, weil letztendlich alle drei führenden Parteien nicht das durchsetzen können, was sie ursprünglich mal versprochen haben.

SPD, Grüne, FDP - egal, wen man gewählt hat - letztendlich kann nichts wirklich umgesetzt werden, weil immer die jeweils andere Partei dazwischenfunkt. Irgendwie kriegt man das Gefühl, man braucht gar nicht mehr wählen gehen.

Ich wünsche mir mehr Sicherheit. Im Moment ist es ja so, dass man finanziell überhaupt keine Sicherheiten mehr hat. Wir hatten in den letzten drei Jahren Corona, die Wirtschaftskrise und noch die Energiekrise. Man weiß gar nicht mehr, wofür man arbeiten geht, weil letztendlich selbst als Berufstätiger am Monatsende nicht mehr wirklich was überbleibt.

Dass man einfach merkt, man hat wieder ein bisschen mehr Sicherheit, man hat am Monatsende noch ein paar Euro übrig, die man für einen Familienurlaub oder die Rente oder für irgendeine größere Anschaffung planen kann - das ist im Moment überhaupt nicht gegeben.

Die ganze Heizungsgeschichte - ich habe einen Altbau. Muss ich jetzt die Heizung sanieren? Muss ich jetzt 10.000 Euro investieren? Und so weiter. Das sind Sachen, da wünsche ich mir einfach mehr Sicherheit. Einfach für den Alltag, mehr Ruhe, wieder ein bisschen Beständigkeit.

Auf den Parkplatz fährt ein Auto. Sie winkt es aufgeregt mit beiden Armen herbei. Darin sitzt ihr Bruder mit der Familie, gleich fahren sie zusammen nach Potsdam.

Meine Familie, meine Kinder geben mir Mut. Ich kann immer noch froh sein: Ich habe meine Arbeit. Ich habe ein Haus, auch wenn es sanierungsbedürftig ist. Ich habe ein Auto. Ich habe meine Familie. Das ist das, was mir jeden Tag hilft, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen. Ich kann in meinen Garten schauen. Es ist grün, es ist super schön und man muss einfach wirklich an sich selber arbeiten, positiv zu denken.

Ansonsten erdrückt einen diese ganze Situation extrem. Da muss man aufpassen, dass man nicht depressiv wird (lacht). Man hört nur noch schlechte, negative Nachrichten im Fernsehen und kaum noch irgendwas Positives - nur noch Wetterkapriolen oder Krieg. Da muss man schon mächtig aufpassen, dass man positiv bleibt.

Das Gespräch führte Jonas Wintermantel, rbb|24

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