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Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 15.10.2022 | Ismahan Alboga | Quelle: rbb

Fünf Jahre #metoo

"Die Scham der Betroffenen ist die Macht der Täter"

Sexismus in der Politik ist noch immer Thema. Wir haben Brandenburger Landes- und Kommunalpolitikerinnen gefragt, wie es Ihnen geht seit der Hashtag #metoo? vor fünf Jahren ins Leben gerufen wurde. Von Ismahan Alboga

60 Prozent der unter 45-jährigen Politikerinnen geben an, dass sie im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit schon mal sexuell belästigt worden sind. Sei es durch Sprüche oder unangemessene Berührungen. Das ist das Ergebnis der Studie "Parteikulturen und die politische Teilhabe von Frauen 10/2021)", die vom EAF Berlin vor gut einem Jahr veröffentlicht wurde.

Durch den öffentlichen Diskurs, den #metoo vor fünf Jahren ausgelöst hat, trauen sich auch immer mehr Frauen in der Politik öffentlich über ihre Erfahrungen zu sprechen. Seitdem erreichen etwa die Brandenburger CDU-Landtagsabgeordnete und Landes-Vorsitzende der Frauenunion, Kristy Augustin, mehr Fälle. Aber es passiere nicht unbedingt mehr, "sondern sie wagen auch wirklich den Schritt und sagen: "Ich wehre mich dagegen!"", erzählt Augustin.

#metoo habe vor allem das Problembewusstsein geschärft und sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit benannt. Das habe Frauen gestärkt, ihre Geschichten zu erzählen, so die Brandenburger Landesbeauftragte für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Manuela Dörnenburg. Denn: "Die Scham der Betroffenen ist die Macht der Täter", sagt sie. So sei die #metoo-Bewegung ein wichtiger Schritt das zu durchbrechen in Brandenburg und darüber hinaus.

Zwei Brandenburger Studien über Sexismus in der Politik

Gleich zwei Brandenburger Studien aus diesem Jahr befassen sich auch mit "Sexismus in der Politik". In der brandenburgischen Kommunalpolitik hätten - so die Studie "Frauen Macht Brandenburg 2022" - es vor allem jüngere Frauen schwer, ernst genommen zu werden. Die aktuelle Erhebung aus dem Brandenburger Innenministerium gibt an, dass rund die Hälfte der interviewten weiblichen Amts- und Mandatsträgerinnen bereits Beleidigungen mit sexistischem Hintergrund, oder Anspielungen auf ihr Geschlecht erleben mussten (Kommunalstudie Brandenburg 2022).

Die Potsdamer CDU-Politikerin Anna Lüdcke kennt das. Vor zwei Jahren hat sie, nicht nur, aber auch deshalb den CDU-Fraktionsvorsitz im Potsdamer Stadtparlament aufgegeben. Damals war sie 24 Jahre alt. Sie erlebte Beleidigungen und Einschüchterungen vor allem im Netz. Darüber ärgert sich immer noch: "Weil ich das nicht erleben muss, dass es bei meinen männlichen Kollegen in der Fraktion so passiert […] sondern dass ich da herausgegriffen werde und dann so unter Druck gesetzt werde", erzählt Lüdcke. Eine größere Sensibilität innerhalb der Parteien und vielleicht auch Schulungen für Kommunalpolitiker könnten helfen, glaubt Lüdcke. Zudem wünscht sie sich, dass sich auch die Parteispitzen mit dem Thema auseinandersetzen und sich die Frage stellen: "Was passiert eigentlich auch in unseren Reihen?"

Politikerinnen seien quer durch das Parteienspektrum von sexueller Belästigung betroffen, so die Studie des Bundes. (Parteikulturen und die politische Teilhabe von Frauen 10/2021). Claudia Sprengel, 33 Jahre alt, ist Co-Kreis-Vorsitzende der Linken in Brandenburg an der Havel. Dass das Aussehen von Frauen so viel Aufmerksamkeit bekommt, nervt sie. Inzwischen löst das bei ihr aber nur noch Trotzreaktionen aus. Der Ton in der Politik sei rau. Politik werde von Männern gemacht und die politische Kultur müsse sich ändern. Frauen müssten sich Verbündete holen, dafür setzt sie sich ein: "Man kann es immer wieder benennen und zeigen, dass es nicht okay ist. […] Wenn man immer nur alleine dagegen ankämpft, dann ist man irgendwann eben diese Gender-Tante, die immer wieder anstrengend ist."

Auch Lillas Roeder von den Bündnisgrünen, Sprecherin des Kreisvorstands Brandenburg an der Havel kämpft gegen den Sexismus in der Politik an. Sie nimmt aktuell an einer Video-Kampagne "Von Nüscht kommt Nüscht – Lokalpolitik selber machen" teil. Eine Initiative des Frauenpolitischen Rates Brandenburg. Roeder glaubt, dass sie damit etwas bewirken kann: "mit genau diesen Spots mit diesem Video auch zu zeigen, dass wir uns das nicht bieten lassen müssen und absolut nicht sollten, dass wir aufstehen, dass wir darüber reden."

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Anti-Sexismus-Trainings für männliche Politiker?

Wissen zum Thema Sexismus vermitteln und einen geschlechtssensiblen Blick im täglichen Handeln zu schulen, empfiehlt der Frauenpolitische Rat Brandenburg. Erst vor wenigen Wochen hat er bei der Sitzung des Innenausschusses eine Reihe von Handlungsempfehlungen vorgestellt: Beispielsweise Anti-Sexismus-Trainings auch für kommunale Amts- und Mandatsträger.

Junge Frauen werden dringend in der Kommunalpolitik gebraucht. Sexismus ist zwar nicht der einzige Grund, warum Frauen häufig an ihrem politischen Engagement gehindert werden. Denn die männliche Dominanz in der Politikkultur und kaum familienfreundliche Sitzungszeiten spielen auch eine Rolle. Aber Sexismus sei immer Ausdruck eines patriarchalen Machtverhältnisses mit dem Ziel, Frauen abzuwerten und herabzuwürdigen, so die Brandenburger Studie (Frauen Macht Brandenburg 2022).

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Keine Komplimente mehr?

Einige Männer hätten es offenbar immer noch nicht verstanden, worum es bei der #metoo Debatte eigentlich geht, so Kristy Augustin von der Brandenburger Frauenunion. Sie hält deshalb eine Aufklärung dringend für notwendig. Viele Kollegen würden auf sie zukommen und sie fragen, ob sie ihr jetzt keine Komplimente mehr machen dürfen. Und daran merkt sie, dass das Thema noch nicht bei ihnen angekommen ist und wo eigentlich das Problem liegt: " […] Dass das Thema sexueller Übergriff, Diskriminierung, herabsetzen von Frauen, damit nichts zu tun hat. Und ich wünsche mir einfach, dass durch diese Debatte - und #metoo hat dazu einen großen Beitrag geleistet - einfach klar wird: "Hier ist die Grenze, das ist zu viel." Dagegen wehren wir uns, und das gehört sich einfach nicht."

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 15.10.2022, 19:30 Uhr

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